Liebe Leserinnen und Leser,
unglaublich, aber wahr, es ist schon wieder Zeit für das Dezember Editorial. Mir ist so, als wäre das letzte erst wenige Wochen her. Das kennen wir ja leider alle, dass einem Jahr für Jahr die Zeit schneller zu vergehen scheint. Für dieses Phänomen hatte ich immer die romantische These, dass dies an der wenigen Zeit, die man als arbeitender Mensch hat, liegt und mit dem Beginn der Rente wieder anders wird.
Irgendwann habe ich dann mal meinen Vater bei einem Abendessen gefragt und dieser zerstörte leider meine These, indem er mir sagte, dass es auch ihm jedes Jahr schneller erscheint. Nun, irgendwann habe ich dann mal zufällig die Lösung für diese Thematik gehört oder gelesen.
Die Erklärung ist, dass der Mensch automatisch alles, was Zeit betrifft, an seinem Alter und seiner Lebenserfahrung anlehnt. So hat man als sechs Jahre altes Kind z.B. zum Thema Weihnachten die Relation von 1:6: Es dauert ein Jahr bis zum nächsten Weihnachtsfest, das ist ein Sechstel meines Lebens – Mann, ist das eine lange Zeit.
Schaut man dann als 60-jähriger zum nächsten Weihnachtsfest bleibt die Zeit an sich dieselbe, aber man relativiert sie am Lebensalter – 1:60, also ein Sechzigstel. Das kommt einem dann schon wesentlich weniger vor. Verrückt, und doch logisch.
Und so geht es einem Tag ein Tag aus mit den unterschiedlichsten Dingen. Hatte man früher 2 – 3 Stunden zum Musikhören, war das viel, heute kommt es einem wenig vor. Dabei ist es so wichtig, einer Musik seine volle Aufmerksamkeit zu widmen und sie nicht nur so durchrauschen zu lassen. Das geht natürlich auch, doch ihre zauberhafte Wirkung, egal, welche ich mir von welcher Musik gerade wünsche, wird sie nur erzielen, wenn mir die Zeit egal ist und ich einfach nur genieße.
Und gerade in den heutigen Zeiten, wo alles nur noch oberflächlich scheint, keine Nachrichten mehr kommen sondern nur noch Schlagzeilen, die dann auch noch (absichtlich) fehl interpretiert werden. Wo oft nicht mehr gesprochen, sondern nur in abgerissenen, aus dem Zusammenhang genommene Schlagwörter getwittert oder gepostet werden.
Genau in dieser Zeit ist es wichtig, den Dingen Zeit zugeben. Tiefer in die Materie von Themen einzusteigen, zu hinterfragen und zu ergründen. Bei diesem Thema fällt mir etwas abschweifend ein, das sich heute leider auch kaum mehr junge Musiker die Zeit nehmen, zu hinterfragen oder kritisch zu sein. Denke ich an meine Jugend, da standen meine Idole auf den Bühnen und prangerten Missstände an. Schau ich heute, sehe ich immer noch einige meiner Idole, aber wo ist die Jugend / die junge Garde. Der deutsche Pop ergeht sich seit Jahren in gleichgeschalteter Harmlosigkeit. Der deutsche Rap scheint nur mit Gangsta-Mist oder aber sinnloser Provokation aufhorchen lassen zu können. Ich weiß, dass es da im „Untergrund“, welche gibt, die zeitkritisch sind, aber was ist mit den all „Großen“ Idolen von heute?
Gut, nun bin ich wieder abgeschweift und etwas politisch geworden, was ich im Kontext unseres Magazins eigentlich nicht sein sollte. (Warum nicht?; Red.) Aber ich finde, heute kann man nicht mehr unpolitisch sein. Und ist man unpolitisch und ignoriert alles – ist man auch politisch, weil man zwangsläufig alles unterstützt.
Zurück zur Musik. Auch für die letzte Ausgabe des in meinen Augen spannenden Musikjahres 2018 haben wir wieder viele Themen für Euch. Dafür haben sich unsere Autoren vor allem auf, bzw. vor den Bühnen der Welt herumgetrieben. Denn außer einer Fülle von Live-Berichten gibt es im Artikelteil dieses Mal lediglich Norberts monatliche Kolumne und die Besprechung eines CD-Roman-Doppelschlags von Max Brondski und seiner Band.
Umso breiter sind die Liveberichte ausgefallen. Von der Sinfonik mit dem Gewandhausorchester geht es über den Symphonic Metal von Nightwish zum klassischen Hard Rock von Treat. Vom Jazz-Rock mit Soft Machine geht es über den Pop-Rock-Blues-Mix von Mungo Jerry bis zum Punk Brass vom Wombo Orchester. Und das ist gerade mal die Hälfte der Live-Berichte.
Norbert war am Reformationstag zudem bei The Wild! und Bonesetter im Berliner Nuke Club. Aber davon erzählt er in der nächsten Ausgabe.
Nun bleibt mir nur, Euch im Namen von Musikansich eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch zu wünschen. Genießt jede Minute, die Ihr der schönsten Nebensache der Welt, der Musik, widmet. Und bleibt wachsam.
Euer Wolfgang Kabsch