All For Metal

Legends


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 07.07.2023

(AFM)

Gesamtspielzeit: 38:02

Internet:

http://www.allformetal.com
http://www.afm-records.de


Das hier war ein zufälliger Blindkauf in einem deutschen Elektromarkt – und schon beim erstmaligen Hören des Openers „All For Metal“ fiel es dem Rezensenten wie Schuppen von den Augen: Dieser Songwriting-, Instrumentier- und Arrangierstil kam ihm bekannt vor, sehr bekannt sogar. Ein Blick ins Booklet zeigte die Richtigkeit der Vermutung: All For Metal sind ein weiteres Retortenprojekt aus der Produzentenschmiede von Hardy Krech, Mark Nissen und ihren Spießgesellen, so etwas wie eine traditionsmetallischere Version von Beyond The Black. Das Booklet gibt sechs Personen an, die offensichtlich als All For Metal auf der Bühne stehen und gleich im ersten Jahr der Bandexistenz ziemlich große Festivals bespielen durften. Am Songwriting der elf Nummern des Debüts Legends aber war keiner der sechs beteiligt, und wer von ihnen überhaupt im Studio war, um die Scheibe einzuspielen, bleibt auch mehr als ungewiß: „Recorded By: Elephant Music“ steht im Booklet nämlich, nicht etwa „Recorded At“, welchletzteres man als Hinweis auf den Aufnahmeort (natürlich auch die Studios von Elephant Music) deuten könnte, während erstere Version auf Studiomusiker hindeutet. Zumindest die beiden Sänger könnten vielleicht real zu hören sein, wenn man sie nicht KI-generiert hat – aber dafür wären All For Metal ungefähr ein halbes Jahr zu früh dran gewesen. So erscheint es also wahrscheinlicher, dass wir hier tatsächlich Antonio Calanna mit den hohen powermetallischen Vocals und Tim „Tetzel“ Schmidt für das mäßig aggressive relativ textverständliche und bisweilen etwas unbeholfen wirkende Growling hören. Letztgenannter könnte durch sein Mitwirken bei Asenblut auch der bekannteste der sechs Musiker sein, wo er allerdings aggressiver zu Werke geht – sein Gesang bei All For Metal wirkt dagegen so, als habe er vom Produzentenstab eine Vorgabe bekommen, über welchen Extremitätsgrad er nicht hinausgehen darf, damit die gewünschte Stromlinienförmigkeit des Materials nicht verlorengeht.
Das ist dann auch ein gutes Stichwort: All For Metal arbeiten nach Prinzipien aus dem Popmusikbereich, und so verwundert es nicht, dass das Ergebnis im Prinzip auch schafkompatible Popmusik, nur im metallischen Wolfspelz, darstellt. Das ist erstmal nichts Verwerfliches – es gibt auch genug originäre Metalbands, die ähnlich arbeiten, und so mancher Spötter, dem sich die strukturelle wie musikalische Klasse einer gewissen Platte namens „Glory To The Brave noch nicht erschlossen hat, wird behaupten, der Songtitel „The Day Of Hammerfall“ liefere hier gleich einen Wink mit dem Zaunpfahl. Aber selbst die uninspirierteste HammerFall-Nummer (ab dem Zweitling hatten die Schweden auf ihren Alben zwischen diversen weiteren Highlights ja immer mal eine Schnarchtasse versteckt) steht immer noch als kreativer Funkenregen gegen das, was auf Legends zu hören ist. Gut, das eröffnende „All For Metal“ hätte auf den Manowar-Alben des neuen Jahrtausends keinen Ausfall dargestellt, aber das ist kein wirklicher Qualitätsbeweis, sieht man mal davon ab, dass der Refrain dieses Songs und der von „Born In Valhalla“ tatsächlich das Zeug dazu haben, sich im Gedächtnis festzusetzen, und einige andere Refrains lagern nicht weit von dieser Fähigkeit entfernt – aber das muß bei Popmusik ja auch so sein. Dagegen packt einen bei den grundsätzlichen Arrangements eher das kalte Grausen: Die Schwertschmiedegeräusche in „All For Metal“ kommen sowas von platt (und künstlich anmutend) rüber, dass man nur noch mit dem Kopf schüttelt, und die völlige Einfallslosigkeit in der Gestaltung der Hauptsoli macht deutlich, dass erregende Phantasie, gar Weiterentwicklung der Grundidee hier nicht das Ziel war, sondern einfach Alibifunktion erfüllt werden sollte, weil in Metal halt ein Solo gehört, auch wenn’s nur Pop im Metalgewand ist. Weil sich die „Band“ außerdem der nordischen Mythologie widmen soll, wurden einige der Themen mit einem gewissen Folktouch ausgestattet, der ungefähr so authentisch ist wie der des Original Naabtal Duos. Ob die aufwendigen Kostüme der sechs Musiker, die im Booklet zu sehen sind und möglicherweise auch live getragen werden, wenigstens eine Ahnung von Authentizität (in welcher der vielen andockbaren Richtungen auch immer) versprühen, müssen Menschen entscheiden, die sich in dieser Richtung besser auskennen als der Rezensent. Zu erwarten steht freilich nicht, dass die alten Nordländer derart absurde und nutzlose Masken oder Ärmel im Fischschuppen-Stil getragen haben.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die 38 Minuten Musik sind natürlich professionell eingespielt, und man kann einen gewissen Unterhaltungswert nicht wegdiskutieren. So manchem Hörer wird das auch reichen, sofern er Stromlinienförmigkeit zu schätzen weiß. Aber wenn man sich mal überlegt, was ein Tuomas Holopainen aus dem grundsätzlich interessanten Thema am Übergang von „Prophecy Of Hope“ zu „Mountain Of Power“ hätte evozieren können, dann müssen sich Elephant Music ganz hinten anstellen. Vielleicht wollen sie das ja sogar, denn auch ein guter Teil der Metaller hält sich bekanntlich von den großen Denkern lieber fern, und die kann man mit einer Platte wie Legends vermutlich prima abschöpfen und damit kompensieren, dass die Melkkuh Beyond The Black offenbar nicht mehr genügend Milch gibt. Auch dürfte das Material live durchaus einen annehmbaren Zugänglichkeitsfaktor besitzen – dass quasi die ganze Zeit ein Band mitlaufen muß, um die omnipräsenten Samples abzurufen, daran hat man sich ja mittlerweile auch schon gewöhnt (ein Keyboarder findet sich nicht unter den sechs als All For Metal auftretenden Personen). Der Rezensent ist in summa allerdings eher mißgelaunt, und der wie ein billiger Abklatsch von Wendy O. Williams‘ „Legends“ anmutende Quasi-Titeltrack „Legends Never Die“ (gemäß den Angaben im Booklet aber auch als Komposition der Produzenten und ihrer Helfer von Südland Music um Johannes Braun ausgewiesen und tatsächlich keine Coverversion, sondern sich „nur“ am jahrzehntealten Original oder aber der Coverversion von Aleš Brichta und Pavla Kapitánová aus dem Jahr 2004 orientierend, aber das Niveau beider Fassungen – das Cover ist sogar noch besser als das Original – weit verfehlend) schlägt dem Faß dann vollends den Boden aus.
Zu bewerten ist Legends schwierig. Von 20 (wegen genauen Zielgruppenzuschnitts und professioneller Einspielung) bis zu 0 (als überflüssiges stromlinienförmiges Produzentenprodukt, das die Szene nur noch mehr überfüllt und aufbläht) Punkten ist jede Wahl begründbar. Der Rezensent bleibt diplomatisch in der Mitte, stellt den Digipack ins Regal und wird die CD nach den absolvierten drei Durchläufen für die Meinungsbildung zum Review freiwillig kein viertes Mal anhören.



Roland Ludwig



Trackliste
1All For Metal3:44
2Goddess Of War3:37
3Born In Valhalla3:47
4Raise Your Hammer3:42
5Hear The Drum3:12
6Run3:16
7Prophecy Of Hope1:10
8Mountain Of Power3:38
9Fury Of The Gods3:29
10The Day Of Hammerfall4:04
11Legends Never Die4:15
Besetzung

Tim “Tetzel” Schmidt (Voc)
Antonio Calanna (Voc)
Jasmin Pabst (Git)
Ursula Zanichelli (Git)
Florian Toma (B)
Leif Jensen (Dr)


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