ADX
Exécution
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Zu den produktivsten französischen Metalbands zählten ADX, und das gleich im doppelten Sinne, nämlich einerseits wenn man ihr Schaffen während der „goldenen Zeit des Metal“, also der Achtziger, bis zur temporären Auflösung in den Frühneunzigern betrachtet, aber andererseits auch in bezug auf das Gesamtschaffen – die Truppe fand kurz vor der Jahrtausendwende wieder zusammen und bringt seither in gewissen Abständen neues Material heraus. Das Altschaffen besitzt einen exzellenten Ruf, in den der Rezensent aufgrund eigenen Höreindrucks bisher nur anhand des letzten der zugehörigen Werke, Weird Visions, einstimmen konnte, mit dem die Franzosen sogar bei Noise Records einen Deal ergatterten, was ihrer Popularität in den Gefilden östlich des Rheins aber trotzdem nicht entscheidend weiterhalf, sondern letztlich in die erwähnte Auflösung mündete, trotz der Qualität besagter, bereits seit dem letzten Jahrtausend auch in der hiesigen Kollektion vorhandenen Scheibe.
Das vorgelagerte, ausschließlich bei französischen Labels veröffentlichte Schaffen entzog sich bisher aber den Lautsprechern des Rezensenten – bis jetzt, da ein 2021er Re-Release des Debütalbums Exécution hier Einzug gehalten hat. Und anhand der acht Originalsongs fällt es nicht schwer, auch hier den guten Ruf als verdient zu bestätigen: Das original anno 1985 erschienene Werk ist eine bärenstarke Platte an der Grenze zwischen Power und Speed Metal. Dass das Quintett aus großen Iron-Maiden-Anhängern besteht, ist hier und da nicht zu überhören, vor allem wenn sich die Gitarristen Betov und Marquis zu doppelläufigen Harmonien finden. ADX paaren die Maiden-Einflüsse aber mit einer markanten Speedkante, nicht so leichtfüßig wie diverse US-Combos, sondern eher etwas geerdet – aber auf der anderen Seite haben sie auch etliche mit Tempowechseln gespickte Nummern am Start, die man zwar nicht mit dem Terminus „progressiv“ belegen sollte, die aber klarmachen, dass die Franzosen keine simple Band von der Stange sein wollten. Kurioserweise eröffnen sie den Speedopener „Déesse Du Crime“ mit einer markanten Gitarrenpassage, die dem Rezensenten auffällig bekannt vorkommt, aber die er aktuell nicht zuordnen kann („Enfer“ von Loudness, an das er zuerst dachte, war’s nicht). Die Nummer macht von Anfang an keine Gefangenen, überzeugt mit Spielfreude und einem starken Refrain, bei dem man sich halt etwas Mühe geben muß, um ihn mitzusingen, falls man der französischen Sprache nicht mächtig ist. Sänger Phil kann Melodien halten, also tut er das dort, wo es darauf ankommt, auch, und schon ist ein eingängiger Refrain hervorgezaubert, während der Vokalist sonst in den Strophen auch mal ins helle halbhohe Shouten übergeht, aber stets kontrolliert bleibt. „Prisonnier De La Nuit“ und „L’étranger“ gehören zur eingangs erwähnten Kategorie grundsätzlich eher midtempolastiger, aber vielschichtig arrangierter Songs, in die man sich ein wenig intensiver hineinhören muß, ehe man sie zu schätzen gelernt hat. Das geht beim speedigen Titeltrack wieder schneller, obwohl er instrumental bleibt und keinen eingängigen Refrain vorweisen kann, aber dafür wieder einige dieser Maiden-Verbeugungen, angesichts deren Eleganz man mit der Zunge schnalzt, zumal die Gitarristen die Nummer auch noch mit einem atmosphärischen Mittelteil garnieren, der an die Glanzzeiten von Uli Jon Roth bei den Scorpions erinnert. Und man achte auch mal genau auf ein paar winzige Beatverschiebungen, mit denen Drummer Dog zusätzlich Leben in die Bude bringt.
Die einstige B-Seite fällt mit „Le Fléau De Dieu“ abermals in flottem Tempo ins Haus, aber auch hier wird geschickt ein sogar ziemlich weit zurückgenommener Mittelteil eingepflanzt. „Prière De Satan“ eröffnet akustisch und mit einigen Keyboardpassagen, wird aber dann doch zur Midtemponummer, allerdings erneut mit Wiederkehr des diesmal aber keyboardlosen Ausgangsthemas, und „Vampire“ plaziert sich komplett knapp unter der Speedgrenze, fällt allerdings erst im Solo so richtig auf, wo zu Rahmenteilen im klassischen Gitarrenheldengestus ein Mittelteil mit erneut geschickt verschleppten Drumbeats arrangiert wird. Und kurioserweise endet die Nummer dann sogar mit einem kurzen Drumsolo – möglicherweise hat man da gleich einen Andockpunkt für ein solches in der Konzertsituation geschaffen, da dieses Element früher ja ein wichtiger Bestandteil von traditionsmetallisch orientierten Shows war. Mit „Caligula“ beschließt ein weiterer Speedie das originale Album – wieder Spielfreude en gros, wieder mitreißend, wieder diese alles überstrahlenden Gitarren auffahrend und wieder mit einem einprägsamen Refrain versehen, den diesmal auch der Sprachunkundige problemlos mitformulieren kann, da er nur aus dem titelgebenden Wort besteht.
Der vorliegende Re-Release von Svart Records verspricht auf dem Coversticker zehn Bonustracks – auf der CD enthalten sind aber nur acht, was auch logisch erscheint, denn die Kapazität ist mit den sechzehn Tracks und ihren summiert knapp über 78 Minuten fast ausgereizt, und wenn man alle zehn Boni beigefügt hätte, hätte es eine Doppel-CD werden müssen. Ob es parallel auch eine solche oder z.B. eine Doppel-LP oder eine Download-Version mit allen zehn Boni gibt, entzieht sich der Kenntnis des Rezensenten, der also nur anhand der Acht-Boni-Variante urteilen kann. Immerhin entgeht dem Hörer dieser Variante kein Song an sich – warum, dazu weiter unten mehr.
1984 nahmen ADX zwei Demos auf. Das erste enthielt fünf Songs und ein Intro und war nicht zur allgemeinen Verbreitung bestimmt, sondern man wollte das potentielle Interesse von Plattenfirmen abklopfen. Dieses hielt sich freilich in sehr überschaubaren Grenzen. Gut, selbst die klanglich aufbereitete Fassung, die hier zu hören ist, ist soundtechnisch immer noch nicht das Gelbe vom Ei, aber das Potential der Combo war anhand von „Déesse Du Crime“, „Le Fléau De Dieu“ (trotz nochmals dumpfer werdendem Klang mitten im Stück) und „Exécution“ auch in diesen Frühfassungen deutlich zu erkennen, zumal die Band geschickterweise an dem einen Wochenende, das sie zur Verfügung hatte, die zugänglicheren Speednummern eingespielt hat und nicht die komplexeren Midtemponummern, abgesehen von dem Aspekt, dass „Exécution“ in der Frühfassung zu Beginn langsamer ausfällt als in der Albumversion. Trotzdem war die Vorschaltung der „Introduction“ ein Fehler – zwei Minuten düstere Soundcollage, die dann noch nicht mal spannungserzeugend in den ersten richtigen Song übergeblendet sind, spannen den potentiellen A&R der Plattenfirma einfach zu lange auf die Folter, und vielleicht hat er schon längst die Stop- und dann die Auswurftaste gedrückt, ehe es überhaupt richtig losgeht. Kuriosum am Rande: Auf der CD des Rezensenten sind am Ende von dieser ersten Demofassung von „Le Fléau De Dieu“ noch zwei längere Ausschnitte des Intros enthalten. Ein Kopierfehler schon im Original oder ein Fehler beim Erstellen der Master-CD? Absicht kann das eigentlich kaum sein, im Gegensatz zum Klanggimmick am Ende von „Exécution“, als man den Sound von einem hochfahrenden alten Windows-Betriebssystem hört. Der wurde dann in der Albumfassung weggelassen – offenbar wollte man keinen Ärger mit Bill Gates riskieren ... Und das besagte Intro blieb auch in den Archiven und fand seinen Weg aufs Album nicht – offenbar hatte die Band den gleichen Gedankengang, dass es eher kontraproduktiv sei und man besser mit der Tür, also dieser markanten Gitarrenpassage, ins Haus fallen müsse.
Im Herbst 1984 spielten ADX dann noch ein Vier-Track-Demo namens Le Fléau De Dieu ein, diesmal mit deutlich professionellerem Sound, aber unter strukturell schwierigeren Bedingungen, denn Betov war eingezogen worden und mußte seinen Wehrdienst gar im Ausland ableisten – immerhin nicht irgendwo jwd, sondern in Freiburg im Breisgau, so dass er am Wochenende heimfahren, Gigs spielen und zumindest Teile dieses zweiten Demos mit einspielen konnte. Die vier Songs dieses Demos landeten dann komplett auf dem Album und auch komplett hier unter den Bonustracks, während „Caligula“ und „L’étranger“ in den Fassungen vom ersten Demo die beiden sind, die auf dieser Acht-Boni-Version des Re-Releases keinen Platz mehr fanden. Auch auf dem zweiten Demo kommt „Déesse Du Crime“ ohne das Intro aus, während an anderen Stellen auffällt, dass sich die Band möglicherweise schon auf die Situation vorbereitete, nur mit einer Gitarre weitermachen zu müssen - „L’étranger“ und „Caligula“ arbeiten im Solo phasenweise ohne darunterliegende Rhythmusgitarre, ist in dieser Form also im Konzert 1:1 wiedergebbar. Leider äußert sich die Band gerade zu dieser Demoaufnahme im sonst enorm informativen Booklettext von Olivier „Zoltar“ Badin, der aus einem Interview mit vier der fünf seinerzeitigen Mitglieder (ohne Marquis) besteht, nicht näher, so dass man die Geschehnisse nur indirekt erschließen kann. Das Booklet enthält ansonsten etliche historische Fotos, alle Songtexte und vielleicht noch andere Dinge, von denen der Rezensent nichts weiß, denn seinem Exemplar fehlen mindestens vier Seiten, darunter die erste(n) des Interviews. Immerhin ist das Interview in Englisch gehalten, so dass auch der Nichtkenner der französischen Sprache erschließen kann, was es mit dieser Truppe, die weiland sogar eine funktionsfähige, drei Meter hohe Guillotine auf die Bühne brachte (der Albumzweitling war ein Konzeptwerk über die Französische Revolution ab 1789), auf sich hatte. Die technischen Mängel dieses Re-Releases können jedenfalls das rein musikalische Urteil nicht verwässern, dass wir es hier mit allerfeinstem Stoff für den anspruchsvollen Traditionsmetal-Gourmet zu tun haben.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Déesse Du Crime | 4:30 |
2 | Prisonnier De La Nuit | 5:40 |
3 | L'étranger | 5:33 |
4 | Exécution | 4:40 |
5 | Le Fléau De Dieu | 4:20 |
6 | Prière De Satan | 4:54 |
7 | Vampire | 3:48 |
8 | Caligula | 5:00 |
9 | Introduction (Demo 1) | 1:43 |
10 | Déesse Du Crime (Demo 1) | 5:05 |
11 | Le Fléau De Dieu (Demo 1) | 7:05 |
12 | Exécution (Demo 1) | 4:52 |
13 | Déesse Du Crime (Demo 2) | 4:54 |
14 | L’etranger (Demo 2) | 5:30 |
15 | Le Fléau De Dieu (Demo 2) | 4:48 |
16 | Caligula (Demo 2) | 5:13 |
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Besetzung |
Phil (Voc)
Betov (Git)
Marquis (Git)
Deuch (B)
Dog (Dr)
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