Sporthemd, Java, Singattacke: Dynazty, Nanowar Of Steel und Kilmara in Leipzig




Info
Künstler: Dynazty, Nanowar Of Steel, Kilmara

Zeit: 22.02.2025

Ort: Leipzig, Hellraiser

Internet:
http://www.dynazty.com
http://www.nanowar.it
http://www.facebook.com/kilmaraofficial

Traditioneller melodieorientierter Metal war um die Jahrtausendwende in Leipzig praktisch mausetot, aber mittlerweile ist eine neue Fangeneration herangewachsen, und auch die verbliebenen Altmetaller trauen sich ab und zu wieder heraus. Das hat zur praktischen Folge, daß selbst eine Band aus der dritten Reihe wie Dynazty an einem Samstagabend den großen Hellraiser-Saal zwar nicht ausverkaufen, aber doch sehr ordentlich füllen kann.

Davon profitieren natürlich auch die beiden Supportacts. Zunächst steigen Kilmara auf die Bretter, die sogar vier Jahre länger als Dynazty existieren, es aber bisher „nur“ auf die Hälfte der Alben gebracht haben: Journey To The Sun, das aktuelle Werk, trägt die Ordnungszahl 5, erinnert in der Farbkombination des Covers irgendwie an Helloweens Better Than Raw und stellt naturgemäß etliche Beiträge zur Setlist., so etwa die auch als Single ausgekoppelten „Wildfire“ und „Changes“, letzteres natürlich kein Black-Sabbath-Cover. Stilistisch sind die Spanier, pardon, Katalanen im neuzeitlichen Euro-Melodic Metal anzusiedeln, also der Variante, die sich nach der HammerFall-Explosion breitzumachen begann, allerdings nicht der sinfonischen Subvariante, wie man sie aus Spanien etwa von Dark Moor kennt. Kilmara lassen zwar auch die Keyboards und Samples hinten durchlaufen, wie das viele Bands dieser Spielart tun, aber sie fokussieren sich klar auf die Gitarrenarbeit, wobei freilich der Vokalist der auffälligste der Musiker ist – und das nicht nur, weil er irgendwie wie Spaniens, pardon, Kataloniens Antwort auf den jungen Paul DiAnno aussieht, sondern weil er eine richtig gute, im besten Sinne normale Stimme einbringt und zudem für einen guten Teil der Bühnenbewegung verantwortlich zeichnet. Große Highlights haben Kilmara nicht im Gepäck, unterhaltsam sind ihre bisweilen leicht proggig angehauchten Stücke aber allemal, und da das Quintett bis auf den Drummer in einer an Sporthemden erinnernden „Uniform“ antritt, soll offenbar auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl symbolisiert werden. Als erster Support, den im Rund quasi niemand kennt, schon in der ersten Sethälfte ein Mitsingspiel anzuzetteln muß man sich auch erstmal trauen – Kilmara tun’s und gewinnen. Die Stimmung ist jedenfalls gut, der Sound auch, und so macht der Set durchaus Hörspaß.

Nanowar Of Steel hatten zehn Monate zuvor schon mal an gleicher Stelle gespielt, damals als Headliner und vor ähnlich vielen Menschen wie an diesem Abend – nur sind kurioserweise von den damals Anwesenden kaum welche wiedergekommen, wie die geringe Zahl beim Fordern der Handzeichen offenbart. An der damaligen Qualität kann’s nicht gelegen haben – der komödiantische Metal der Italiener hatte weiland hochgradiges Begeisterungspotential entfaltet und tut das auch diesmal wieder. Vielleicht glaubte auch mancher, daß seither noch kein neues Studioalbum erschienen ist und der Set sich damit kaum vom damaligen unterscheiden dürfte. Das stellt freilich einen Irrtum dar, denn das zwischenzeitlich herausgekommene Livealbum XX Years Of Steel enthält noch einige neue Studioaufnahmen als Zugabe, und außerdem eröffnet das Quintett nach dem schon bekannten Telefonanlagen-Intro diesmal mit „Sober“ von Dislike To False Metal, das 2024 auch nicht gespielt worden war. Von den besagten neuen Studioaufnahmen kommen zwei zum Zuge, nämlich „Stormwarrior Of The Storm“, in dem Mr. Baffo mittels hochgehaltener Tafeln jeweils einen Buchstaben mitsingen läßt, obwohl die zugehörigen Worte wie „Thunder“ oder „Lightning“ jeweils deutlich mehr Buchstaben haben, und „HelloWorld.java“, eine Traditionsmetalhymne, deren Text tatsächlich in der Programmiersprache Java gehalten ist – für solche abstrus-genialen Ideen in hervorragender Umsetzung muß man als geschmackssicherer Metaller diese Band einfach lieben, und das tun die Anwesenden auch, machen bei der Wall Of Love mit und singen noch die schrägsten Texte im Chor. Gastmusiker gibt es wieder keine, also setzt das Quintett alles alleine um, anstatt etwa die Gesangspassagen von Joakim Brodén in „Pasadena 1994“ einzusampeln – vom Band kommt zwangsweise natürlich trotzdem einiges, da kein Live-Keyboarder mit dabei ist. Uinona Ryders Schlagzeug schmeckt in der ersten Sethälfte etwas vor, speziell die Snare ist arg dominant abgemischt, was sich erst nach der Ballade „...And Then I Noticed That She Was A Gargoyle“ deutlich bessert. Die Liveumsetzung der Passage, die in der Tonkonserve wie eine zurückspringende LP klingt, läßt den Hörer in diesem Song immer wieder staunen. Ansonsten reiht sich selbstredend Hit an Hit, gekrönt durch „Valhalleluja“, bei dem natürlich auch wieder ein IKEA-Tisch durchs Publikum wandert, nachdem zuvor in „Der Fluch des Käpt’n Iglo“ Bassist Gatto wie üblich ans Mikrofon gewechselt war und Mr. Baffo an den Baß. „El Baile De Perdito“ kommt als Outro vom Band, und zwar in der Originalfassung, nicht in der Nanowar-Of-Steel-Coverversion – die vehementen Zugabeforderungen können zeitbedingt nicht erfüllt werden.

Setlist Nanowar Of Steel:
Sober
Stormwarrior Of The Storm
Pasadena 1994
Wall Of Love
Disco Metal
...And Then I Noticed That She Was A Gargoyle
Uranus
HelloWorld.java
Il cacciatore della notte
Norwegian Reggaeton
Der Fluch des Käpt’n Iglo
La Polenta Taragnarock
Valhalleluja

Dynazty sind seit 2007 aktiv, und der aktuelle Longplayer Game Of Faces, der justament eine Woche vor dem Gig das Licht der Welt erblickt hat, stellt das neunte Full-Length-Werk der Schweden dar, wenn man das eigenproduzierte Debüt Bring The Thunder mitzählt. Von daher sollte man von einem reichhaltigen Repertoire ausgehen, und der Rezensent, der die Band noch nie live gesehen hat, wundert sich daher gehörig, als diese nach dem Intro gleich fünf relativ gleichförmige Melodic-Metal-Nummern in nur geringfügig variiertem Midtempo am Stück auspackt, von denen die ersten beiden vom neuen Album stammen, die anderen drei aber älteren Datums sind, nämlich je einer von den drei direkten Vorgängeralben und jeweils auch als Single ausgekoppelt. Klar, schlecht ist das wie auch dasjenige von Kilmara im neuzeitlichen Euro-Melodic-Metal-Segment lagernde Material natürlich nicht, aber diesen Teil hätte man sicher noch etwas abwechslungsreicher und mitreißender gestalten können. Daß der Backkatalog der Schweden Stoff dafür hergibt, zeigen sie nämlich ab dem mit „Instinct“ anhebenden Instrumentalblock, wo der Drummer auch mal ins Speedtempo wechselt, die Gitarristen noch mehr zaubern als sonst und zudem die Ohren durch Nichtvorhandensein von Gesang geschont werden. Nicht daß Nils Molin ein Schlechter wäre – nein, das ganz und gar nicht, eher im Gegenteil: Er liefert eine starke Performance in überwiegend höheren Lagen ab. Allerdings ist er weite Teile des Sets derart laut und durchdringend abgemischt, daß der direkt vor dem Mischpult stehende Rezensent trotz Ohrstöpseln an seine physischen Grenzen gerät und kurz davor steht, ganz nach hinten an die Rückwand zu wechseln, um noch ein wenig mehr Abstand zu den Boxen zu haben. Der letzte Vokalist, der im gleichen Raum eine ähnliche Singattacke auf den Rezensenten abgefeuert hatte, war Blitz von Overkill, und das ist fast exakt zehn Jahre her. Auch im dem Instrumentalblock folgenden Akustikblock agiert Molin phasenweise extrem expressiv und bleibt mixtechnisch ultradominant, so daß auch diese Passagen keine Erholung für die Ohren bieten. Immerhin macht der nun folgende hintere Setteil deutlich mehr Spaß als der vordere – die Songs sind abwechslungsreicher, das Drumsolo angenehm kurz und der Setcloser „Heartless Madness“ mit ausführlichen Mitsingspielen ausgestattet, die das Gros des Publikums, das offenkundig nicht solche Probleme mit Molins Gesang hat wie der Rezensent (oder am nächsten Tag komplett taub ist), begeistert mitformuliert. Trotz der prima Stimmung verwundert aber der Schluß mit einer kurzen Passage vom Band – und als die verklungen ist, fordert niemand eine Zugabe ein, sondern alle drehen sich um und begeben sich zielsicher zum Ausgang. Ob das so ist wie bei Accepts „Bound To Fail“, wo jeder weiß, daß nichts mehr kommt, wenn das vom Band verklungen ist, kann der Rezensent, der wie erwähnt die Schweden vorher noch nie live gesehen hat, nicht beurteilen. Der Tagessieg geht allerdings eindeutig an Nanowar Of Steel.

Setlist Dynazty:
Intro
Fortune Favors The Brave
Game Of Faces
Natural Born Killer
The Grey
Waterfall
Instinct / The White / Highway Star (Instrumental)
My Darkest Hour / Power Of Will / Yours (Acoustic)
Yours
Call Of The Night
Drum Solo
Presence Of Mind
The Human Paradox
Dream Of Spring
Heartless Madness


Roland Ludwig



 << 
Zurück zur Artikelübersicht
 >>