Jerusalem In My Heart
Qalaq
|
|
|
Der libanesisch-kanadische Radwan Moumneh veröffentlicht mit seinem Projekt Jerusalem In My Heart sein fünftes Album seit 2013. Der Titel Qalaq ist arabisch und heißt übersetzt soviel wie Tiefe Trauer. Die komplette B-Seite des Vinylalbums besteht aus Stücken mit diesem Titel, durchnummeriert von 1 - 9 und der Künstler will damit, aber auch dem restlichen Album, seine Trauer über das bekunden, was die Regierung in den letzten Jahren aus dem Libanon gemacht hat.
Musikalisch bewegt sich das Ganze in einem folkloristischen Rahmen, bezogen auf den Libanon und den nahen Osten – besonders erkennbar im Gesang, aber auch in der Melodieführung und dem einem oder anderem Sound.
Aber: wir reden hier von einem (nahezu) kompletten Elektrofolk-Album. Es werden dunkle, eigentlich eher spartanische elektronische Atmosphären aus Sounds gebildet und nicht immer bin ich mir sicher, ob diese wirklich eine Melodie erzeugen, oder ob diese doch nur aus dem Gesang entsteht. Es gibt auch etliche Industrial-Sounds, viele Geräusche und Samples die deutlich auf das Land, aus dem der Künstler stammt hinweisen.
Man kann diesen grandiosen Mix aus Melodien, Klängen, Stimmen und Gesang nicht wirklich umschreiben, die erste Seite kommt jedoch btrotz aller Unterschiede wie aus einem Guss daher und begeistert den experimentierfreudigen Elektronikliebhaber mit Hang zum Dunklen.
Die bereits erwähnten Stücke der zweiten Seite wurden alle mit unterschiedlichen Sänger*innen aufgenommen. Das erste Stück ist sehr perkussiv und doch eher leise aufgebaut. Der Gesang von Alanis Obomsawin & Diana Combo veredelt dieses Kleinod. Nummer zwei ist libanesischer Folk der klingt, als wäre er von Thom Yorke oder Radiohead durch die Elektronik gedreht worden. Sehr spannend. Nummer drei bietet dann wieder dunkle, ambiente elektronische Klänge mit ebensolchem, weiblichen Gesang, der sehr eindringlich ist. Mit dem vierten Teil wird es dann folkrockig. Dunkle Elektronik kreist, folkloristische Saiteninstrumente erklingen und kreisen bedrohlich um den Hörer.
Es geht mit ambienten, kreisenden Klängen weiter, die dann von folkloristischen, schrägen Einschüben geleitet werden. Ein Bass gibt dem Ganzen Struktur und das Stück schraubt sich langsam in hymnische Gefilde vor. Hier kommt zum ersten Mal so etwas leicht Versöhnliches auf, aber die Zerrissenheit und Stimmung des Gesamtwerks schimmert immer durch. Teil 6 hebt dann wieder dunkle ambiente Sounds in den Raum, durchzogen von wunderbaren, wenn auch traurigen weiblichen Gesang. Hier kommt ein wenig Erinnerung an This Mortal Coil auf. Auch der vorletzte Teil setzt auf diese dunklen Ambientklänge, hier durchzogen von Streichersiounds und einem dunklem Piano. Das letzte Stück bietet dann einen Ausstieg mit vielen Stimmen und Geräuschen, die zu einem unheimlichen Ende führen.
Was die beiden Herren hier abliefern, ist ein beeindruckender Mix aus Elektronik, Folklore und jeder Menge Gefühl und ganz nebenbei vermitteln Sie einen traurigen, aber eindrucksvollen Einblick auf die scheinbar trostlose Welt im Libanon.
Wolfgang Kabsch
Trackliste |
1 | Abyad Barraq (w/Greg Fox) | 4:46 |
2 | Sa'at (w/Alexei Perry Cox) | 4:37 |
3 | Istashraqtaq (w/Beirut) | 3:10 |
4 | Tanto (w/Lucrecia Dalt) | 3:21 |
5 | 'Ana Lisan Wahad (w/Farida Amadou & Pierre-Guy Blanchard) | 5:02 |
6 | Qalaq 1 (w/Alanis Obomsawin & Diana Combo) | 2:04 |
7 | Qalaq 2 (w/Roger Tellier-Craig) | 2:29 |
8 | Qalaq 3 (w/Moor Mother) | 1:39 |
9 | Qalaq 4 (w/Rabih Beaini) | 3:03 |
10 | Qalaq 5 (w/Oiseaux-Tempête) | 4:35 |
11 | Qalaq 6 (w/VÍZ [Réka Csiszér]) | 2:23 |
12 | Qalaq 7 (w/Tim Hecker) | 2:32 |
13 | Qalaq 9 (w/Mayss, Mazen Kerbaj, Sharif Sehnaoui & Raed Yassin) | 2:01 |
|
|
|
|
|
Besetzung |
Erin Weisgerber
Radwan Moumneh
|
|
|
|