Debussy, C. (Roth, F.-X.)

Jeux u. a. Orchesterwerke


Info
Musikrichtung: Impressionismus - Orchester

VÖ: 15.11.2018

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD + Bonus-DVD / DDD / 2018 / Best. Nr. HMM 905291)

Gesamtspielzeit: 51:06



FRISCHE DÜFTE ...

Die Debussy-Edition von Harmonia Mundi hat ihr Finale erreicht. Neben Aufnahmen des 1. Bandes der Preludes durch Javier Perianes ist auch eine weitere neue Aufnahme mit Orchesterwerken erschienen.

Wenn man Musik von Debussy aufführe, erfülle danach immer ein angenehm frischer "Duft" den Raum, sagte einst György Ligeti, der den Komponisten besonders schätzte. Das bewahrheitet sich auch nach dem Abspielen dieser Aufnahme mit den frisch und delikat aufspielenden Les Siècles. Unter der Leitung von François-Xavier Roth musiziert das Orchester auf französischen Instrumenten des frühen 20. Jahrhundert (oder deren Nachbauten), um dem Klang eines originalen Debussy-Orchesters so nahe wie möglich zu kommen. Der feinere, auch rundere Klang der darmbesaiteten Streicher und der schlankere, leuchtende und klar konturierte Klang der Bläser sorgt für ein duftig-elegantes, in vielfältigen Schattierungen schillerndes Farbenspiel.

Vor allem die innovative Ballettmusik zu Jeux tönt in dieser Kombination sinnlich und irreal zugleich - sehr stimmig für eine Geschichte, die mehr ein Traumspiel ist: In der Abenddämmerung überlassen sich ein Mann und zwei Frauen auf der Suche nach einem verlorenen Tennisball in einem kindlich-erotischen Verwirrspiel. Hier ist jede Geste, jede Bewegung zugleich Farbe, Stimmung, Atmosphäre, Licht und Schatten - Musik von großer Freiheit und Offenheit, schwer greifbar in ihren über 60(!) Tempowechseln und ständigen motivischen Metapmorphosen - gerade dadurch wirkt diese Musik immer wieder ausgesprochen modern. Die Uraufführung 1913 geriet auch ob der Komplexität der Musik zu einem kleinen Skandal. Roth und Les Siècles überzeugen mit ihrer Sensibilität im Detail, ihrem Gespür für Timing und Valeurs und wahren zugleich den großen Bogen - zum Vergnügen und zur Verzauberung der heutigen Hörer. Obwohl es schon eine Reihe guter Einspielungen von "Jeux" gibt - z. B. aus jüngerer Zeit die sehr plastische und farbbrillante Version von Michael Tilson Thomas und der San Francisco Symphony - kann die neue Produktion sich problemlos neben ihnen behaupten.

Auf der neuen Platte ist außerdem noch Debussy notorischer Faun mit von der Partie: Prélude à l'après-midi d'un faune ist das erste Orchesterwerk des reifen Komponisten, der seinen Stil gefunden hat. Auch hier überzeugt die schwerelos-präzise Wiedergabe der geschmeidig dahinfließenden Musik, deren oft beschworene "schwüle Erotik" hier dezent herabgedimmt erscheint.
Auch das mit lässiger Verve dargebotene orchestrale Tryptychon Nocturnes zeichnet sich durch diese Qualitäten aus. Diese Musik ist in ihrer Struktur noch ewas übersichtlicher gegliedert als die fließenden Klang-Raum-Zeit-Texturen der anderen Werke, gleichwohl von höchst malerischer Wirkung - im wahrsten Sinne. Ob man nun den Wolkenbildern der Nuages hinterherlauscht, sich im berauschend-fröhlichen Treiben der Fétes verliert oder vom Gesang der Sirènes verführt wird: Es ist der Verdienst von Dirigent und Orchester, wenn die Musik stets "auf den Punkt" ist und dabei doch höchst beweglich bleibt. Debussy, sonst ein Meister mittlerer und leiser Lautstärken, gönnt sich vor allem im mittleren Satz kraftvoll-strahlende Töne. Im letzten Satz kommen noch die Damenstimmen des Ensembles Les Cris de Paris hinzu und ergänzen das instrumentale Tableaux um eine nicht minder stilsicher realisisierte vokale Dimension.

Als Bonus gibt es das Ganze auch als Konzertschmitt aus der Alhambra in Granada auf DVD zum angucken - inklusive einer Zugabe, dem selten gespielten Marche écosaisse, sur un thème populaire.



Georg Henkel



Trackliste
01 Prélude à l'après-midi d'un faune
02 Jeux
03-05 Nocturnes
Besetzung

Les Siècles

Les Cris de Paris

François-Xavier Roth, Leitung


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