Campra, A. (d'Hérin, S.)

L'Europa galante


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 05.10.2018

(Château de Versailles Spectacles CD / AD 2017 / DDD / Best. Nr. CVS 002)

Gesamtspielzeit: 122:49



SO LIEBT EUROPA (AUF FRANZÖSISCH)

So viel Tradition wie nötig, so viel eigene Ideen wie möglich - mit dieser Mischung hat André Campra das französische Opernfeld zwischen dem allmächtigen Hofkomponisten Lully und dem Avantgardisten Rameau ausgesprochen erfolgreich bestellt. Auch wenn sein Vorgänger in den musikalischen Wendungen allgegenwärtig ist: Campra gelang es inhaltlich, formal und musikalisch, dem barocken Musiktheater seiner Zeit, Neues abzugewinnen.
Mit dem "Opern-Ballett" L'Europa galante etablierte er gar eine neue Gattung: Statt mythologisch inspirierte Haupt- und Staatsaktionen mit Göttern, Helden, Magiern und Monstern standen hier "normale" Menschen auf der Bühne, die "Geschichten aus dem richtigen (Liebes)Leben" erzählten. Eine durchgängige Handlung ist aufgegeben, statt dessen werden in den einzelnen Akten vier kurze, in sich abgeschlossene Geschichten erzählt und vom Prolog thematisch zusammengehalten.
Das "verliebte Europa" wird von vier Nationen repräsentiert: dem charmaten, flatterhaften Franzosen, dem treuen Spanier, dem eifersüchtigen Italiener, dem prunkvollen Türken - alle verstrickt in mehr oder weniger dramatische Liebeshändel, die in immer neuen Sets in Szene gesetzt werden: bukolisches Schäferspiel, musikalische Serenade, venezianischer Karnelval, türkischer Serail. Das eigentlich Drama wird jeweils kurz und bündig, wennglich musikalisch druchaus mit Tiefgang abgehandelt. Die "pure" Musik steht im Vordergrund, was den hohen Anteil von Tanzeinlagen, Chören und Airs erklärt. Alles in allem eine kurzweilige, unterhaltsame Mischung, die der in verschiedenen Stilen geschulte Campra ebenso einfallsreich wie elegant realisierte. An Ideen mangelte es ihm nicht: melodiöse, ergreifende Arien (besonders besticht das "Schlummerstück" am Anfang des spanischen Aktes), rhythmischer Elan in den Tänzen, Exotisches wie die große Huldigungszeremonie an den Sultan mit Pseudojanitscharen-Sound und einem erfundenen Türkisch (ein Italolatino-Gemisch).

Elegant und einfallsreich ist auch die Interpretation durch das Ensemble Le Nouveaux Caractères unter der Leitung des Cembalisten Sébastien d'Hérin. Mit einer eher entspannten Musizierhaltung und warmen Tongebung gelingt eine stimmungsvolle und stimmige Interpretation der Partitur. Gewürzt mit dem reichlichen Einsatz von Schlaginstrumenten geben sie jeder Szene eine eigene Farbe.
Unterstützt werden sie dabei von einem versierten Solistenquintett, das die verschiedenen Rollen übernimmt. Herausragend Isabelle Druet mit ihrer dunklen, vielfarbigen Mezzostimme und der expressiven Deklamation - da haben es ihre Kolleginnen Caroline Mutel und Heather Newhouse schon etwas schwer, trotz der schönen Stimmen wirkt insebesondere letztere blasser im Ausdruck. Bei den Herren überzeugt der Bass von Nicolas Courjal durch seine volltönende Präsenz und einen am romantischen Repertoire gereiften, nuancenreichen Tongebung. Der hohe Tenor von Anders C. Dahlin klingt nach wie vor jugendlich und frisch, wenngleich nicht ganz so leuchtstark wie in früheren Aufnahmen. Den theatralischen, eifersüchtigen Italiener nimmt man ihm nicht ganz ab.
Unterstützt werden die Hauptsolisten von einigen Chorsolisten, bei denen vor allem die Herren ihren Part gut machen. Jérémie Delvert hat hörbar viel Spaß an seiner Rolle als Anführer der Sultansgarde. Der Chor als Ganzer macht seine Sache rundweg überzeugend, er singt lebhaft, präzise, verständlich.



Georg Henkel



Trackliste
CD I: Prolog - I. bis II. Akt: 69:55
CD II: III. bis IV. Akt 52:54
Besetzung

Caroline Mutel und Heather Newhouse: Soprane
Isabelle Druet: Mezzosopran
Anders C. Dahlin: Tenor
Nicolas Courjal: Bass

Le Nouveaux Caractères

Sébastien d'Hérin: Leitung


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