Thin Lizzy oder nicht? Die Hölle bricht bei den Black Star Riders los.
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Jeder, der ab und zu ein Rockmagazin liest weiß, dass sich hinter den Black Star Riders im Prinzip die legitimen Erben der Legende Thin Lizzy verbergen. Bis auf Schlagzeuger Jimmy De Grasso waren alle beteiligten Musiker bereits Mitglieder des Thin Lizzy-Line-Ups, das zuletzt als Support-Band für Judas Priest durch Deutschland getourt ist. Von der legendären 70er-Jahre-Besetzung ist nur noch Gitarrist Scott Gorham mit an Bord, der über all die Jahre die Flagge der Blechliesel unverwüstlich hochgehalten hat. Umso erstaunter war ich, als ich das Album All Hell Breaks Loose das erste Mal gehört hatte. Die Twin-Gitarren sägen wie eh und je, Sänger Ricky Warwick singt wie der selige Phil Lynott - kurz: Die Scheibe trieft nur so vor dezenten „Hinweisen“ an die legendäre irische Band. Nach wie vor läuft das Teil auch heute noch sehr häufig bei mir im heimischen CD-Player. Von daher war ich natürlich gespannt, wie die Band, die ich zuletzt im Vorprogramm von Judas Priest in der Nürnberger Arena noch als Thin Lizzy gesehen hatte, sich nun unter neuem Namen live präsentieren würde. Der Hirsch ist wieder sehr gut besucht und Rocker aus nah und fern sind angereist, um den Schwarzen Reitern zu lauschen.
Die russische Vorband REDS’COOL spielt von Beginn an einen lässigen Mix aus Gotthard, Whitesnake und alten Pretty Maids. Die Band präsentiert sich äußerst routiniert, aber trotzdem überaus spielfreudig. Die Songs kommen beim Nürnberger Publikum sehr gut an und zum Schluss bekommen die sympathischen Rocker mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Der Sänger klingt wie eine Mischung aus frühem David Coverdale und Steve Lee, allerdings singt er in einer etwas tieferen Tonlage. Man merkt zu keiner Sekunde, dass es sich bei den Jungs um Russen handelt. Man könnte meinen, eine klassische 80er Jahre Hardrock-Band auf der Bühne zu haben. Fazit: Äußerst gelungener Auftritt einer Truppe, bei der es wirklich Spaß macht, dabei zu sein. Und das ist nun wirklich nicht bei jeder Vorband der Fall.
Die Spannung steigt, das BLACK STAR RIDERS-Banner wird hochgezogen und um 21 Uhr beginnt das Konzert. Wie losgelassene hungrige Hunde stürmt die Combo die Nürnberger Bühne und Rampensau Ricky Warwick, der zu Beginn noch mit Sonnenbrille, Bandana und E-Gitarre bewaffnet ist, hat das Nürnberger Publikum vom ersten Song an absolut im Griff. „All Hell Breaks Loose“ funktioniert perfekt als Opener. Die Band agiert, als ob sie um ihr Leben spielen müsste. Eine perfekte Maschinerie, die alles zermalmt, was nicht rechtzeitig auf die Seite springen kann. Ich bin nach Song eins absolut von den Socken - so etwas hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt. Scott Gorham ist mit einem Feuereifer bei der Sache, dass es eine wahre Freude ist. So enthusiastisch wie heute hab ich den alten Recken noch nie spielen sehen. Im Laufe des Abends zeigt sich auch, dass er im Gegensatz zu Zeiten der John Sykes-Besetzung von Thin Lizzy viel mehr Solos spielt und mit viel mehr Spaß agiert. Zusammen mit dem sympathischen Damon Johnson bildet er ein Twin-Gitarren-Duo, das Vergleiche mit der legendären Besetzung mit Brian Robertson nicht scheuen muss. Überhaupt hat man den Eindruck, dass sämtliche Musiker in der Band sich zu 100 % mit den Black Star Riders und dem neuen Material identifizieren und stolz darauf sind, die Songs live dem Publikum präsentieren zu können.
Zum Verschnaufen ist keine Zeit und sofort wird „Are You Ready“ in einer knallharten Version hinterher geschoben. Im Stil einer Punkband mit kaum Pause zwischen den Songs ballern die Jungs einen Song nach dem anderen raus. Dabei zeigt sich, dass die Black Star Riders-Songs sich ohne Qualitätsverlust zwischen die alten Lizzy-Kracher mischen und man bekommt das Gefühl, als wären es Songs von einer Band. Die Thin Lizzy-Songs, die gespielt werden, zeichnen sich durch Tempo und Aggressivität („Massacre“, „Emerald“) aus und werden mit der gleichen Begeisterung rausgehauen, wie das neue Material. Die einzigen ruhigeren Ausnahmen bilden das legendäre „Whiskey In The Jar“, das für wahre Begeisterungsstürme sorgt und das selten gespielte Sahnestück „Southbound“.
Was auch auffällt: Ausnahmslos jeder Song wird von sämtlichen beteiligten Musikern förmlich zelebriert, wie man es selten sieht. Jeder hat Bock auf die Nummern und die Musiker spornen sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Bassist Marco Mendoza ist für mich die absolute Ausnahmeerscheinung. Er spielt präzise Bass, post wie ein Weltmeister und kommt dabei immer absolut cool rüber. Er kaut synchron zum Tempo der Songs Kaugummi und sein Hemd, dass nach alter Pete Way-Manier in einem Polka-Dots-Muster gehalten ist, verstärkt diesen Effekt. Schlagzeuger Jimmy De Grasso tobt sich auf seinen Waschkesseln aus, als würde er nach Schlägen bezahlt und das Wasser läuft ihm dabei in Strömen herunter. Keine Spraydose der Welt hätte an diesem Abend seine Frisur auf irgendeine Art und Weise noch retten können! Über allem thront die Wahnsinnsstimme von Sänger und Gitarrist Ricky Warwick. Er ist auf dieser Tour noch besser als bei der vergangenen und ist überhaupt einer der besten Rock-Frontmänner, die ich bisher gesehen habe. Wie er die Fans animiert, ist fast nicht zu fassen. Und wenn er bei dem legendären „Cowboy Song“ auch noch die Mundharmonika auspackt, weiß man, dass man hier absolut nichts mehr drauf setzen kann.
Die Stimmung auf der Bühne und im Publikum ist locker, heiter, die Fans im Publikum sind komplett hin und weg und restlos begeistert. So kommt es wie es bei solchen Konzerten meistens passiert: Das legendäre „Rosalie“ bildet den Schlusspunkt eines wahnwitzigen, furiosen, phänomenalen (3 Eigenschaftswörter reichen) Konzerts und beendet leider nach 90 Minuten, die einem wie eine Viertelstunde vor kommen, den Hammer-Gig. Das Publikum applaudiert, wie ich es selten erlebt habe und die Black Star Riders sind sichtlich begeistert und gerührt. Das Licht geht an und überall wo man hin sieht, begegnen einem strahlende und begeisterte Gesichter. Ich bin total von den Socken, schwitze wie ein Minenarbeiter und kann immer noch nicht fassen, was ich gerade erlebt habe. Hat mich ein Zug überfahren? Nein, es war die Wiedergeburt einer Band mit Namen Thin Lizzy, die nun anders heißt. Der Unterschied ist, dass die Musiker total hinter dem stehen, was sie abliefern. Und das merkt man zu jeder Sekunde.
Fazit: Diese Band muss man unbedingt gesehen haben!
Setlist:
All Hell Breaks Loose
Are You Ready
Bloodshot
Bad Reputation
Before the War
Jailbreak
Hoodoo Voodoo
Massacre
Kingdom of the Lost
Hey Judas
Southbound
Kissin' the Ground
Valley of the Stones
Emerald
Bound for Glory
Cowboy Song
The Boys Are Back in Town
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Whiskey in the Jar
Rosalie
Stefan Graßl
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