Musik an sich


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Ohio meets Italien meets bayerische Idylle - Zippo und Simeon Soul Charger live in Hamlar




Info
Künstler: Simeon Soul Charger

Zeit: 22.11.2013

Ort: Rockmusik Hamlar - Asbach-Bäumenheim

Besucher: ca. 100

Internet:
http://www.rockmusik-hamlar.de
http://www.zippomusic.it
http://www.simeonsoulcharger.com

Es gibt sie tatsächlich noch: Orte an denen die Zeit still zu stehen scheint. Das gute, alte Rockmusik Hamlar im gleichnamigen Ortsteil der beschaulichen Gemeinde Asbach-Bäumenheim, ca. 40 km nördlich von Augsburg, ist ein solcher. Hier stemmt man sich auch 35 Jahre nach der Ersteröffnung noch vehement gegen jeglichen Trendeinfluss. Das sieht man schon, wenn man die „heiligen Hallen“ betritt und einen die Antlitze von Koryphäen wie Frank Zappa, Jimi Hendrix, Jim Morrison oder auch Ronnie James Dio begrüßen. Hier liebt man alles was zeitlos ist. Und zeitlos, das ist die Musik der noch jungen Band Simeon Soul Charger auch - oder wahlweise wie aus der Zeit gefallen. So schließt sich denn auch der Kreis mit dem urig-gemütlichen Auftrittsort wieder. Das ins tiefste Bayern emigrierte Quartett gab an diesem frischen Novemberabend bereits sein drittes Gastspiel hier und die Live-Qualität der Gruppe hat sich inzwischen herum gesprochen. Denn der Rockclub war sogar recht gut gefüllt und die Stimmung dementsprechend ausgelassen.


Doch alleine war man nicht gekommen. Denn mit im Gepäck hatte man nicht nur ein paar neue Songs, sondern das italienische Power-Paket ZIPPO, mit denen man anschließend durch ihr Heimatland tourt. Den Namen dürfte im Vorfeld wohl niemand so richtig auf dem Schirm gehabt haben. Aber die Band hatte keine großen Probleme, die neugierigen Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen. Wobei der Einstieg ziemlich ruppig auffiel. Statt melodiösem Psychedelic-Rock gab es deftige Stoner-Sounds auf die Ohrwaschl'n. Bei Zippo traf das Staubige von Kyuss auf den Groove von Tool, garniert mit transzendentalen Einlagen und serviert mit jeder Menge Power und Leidenschaft. Das blies einen erst mal ziemlich in die Sofas (welche hier tatsächlich in großer Stückzahl im Saal stehen!), was allerdings nicht nur an der deftigen Lautstärke, sondern vor allem an der kräftigen Performance des Vierers lag. Dabei bot man gleichzeitig Stoff zum ausgelassenen Mitbangen wie zum gemütlichen Mitgrooven. Die Musiker agierten absolut tight und gut eingespielt. Sänger Dave erwies sich zwar technisch nicht als hervorragender, dafür umso mitreißender Sänger, der das Gesamtbild aufpeppte. Ehe man sich versah, war die Stunde Spielzeit auch schon vorbei, die man mit recht abwechslungsreichen Songs füllte. Das nennt man wohl Kurzweil. Wenn das mal nicht ein Kompliment für ein komplett unbekannte Band ist. Bitte in Zukunft mehr davon!



Eine große Umbaupause brauchten SIMEON SOUL CHARGER im Anschluss nicht wirklich. Und so ging es fast Schlag auf Schlag weiter mit der Band, die sich schon fast zu Lokalhelden gemausert hat. Das Raunen war jedenfalls groß als die Amis mit „Vedanta (The Nothing)“ ganz unprätentiös loslegten, als ein Großteil der Fans dachte, man sah noch mitten im Soundcheck. Aber kein Problem, denn sobald das Quartett zu seinen Instrumenten greift, liegt Magie in der Luft. Dabei ist es immer wieder erstaunlich, wie man aus einfachen Zutaten derart mitreißende Musik zaubert. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder das leidenschaftliche Gitarrenspiel von Rick Philipps (der sich zurecht feiern ließ), während der äußerst charismatische Aaron Brooks den Vermittler zwischen Publikum und Band spielt. Wobei, er kann auch anderes, als „nur“ einschmeichelnde Melodielinien zu singen, wie er beim alten Blues-Kracher „I put a spell on you“ zeigte. Ohne Gitarre um den schlanken Körper gab er den vokalen Hexer. Seine Hintermannschaft spielte sich dazu in einen regelrechten Rausch. Puh, eine viel intensivere Fassung des Songs hat man bisher selten gehört. Dagegen war das anschließende „Rockets“ eine regelrechte Kuschelnummer - dafür eine ziemlich intensive, gar hymnische.

Etwas verhaltender wurde es dagegen bei einem noch namenlosen, neuen Lied, das zumindest neugierig auf das gerade in Arbeit befindliche dritte Album machte. Die Mitte des Konzerts flachte dadurch ein klein wenig ab. Doch spätestens beim groovigen „The Piper's Prize“ und erst recht bei der grandiosen Spaßnummer „Someone shoot the fuckin' TV“ waren alle wieder da. Diese mauserte sich zwischenzeitlich zu einem regelrechten Publikumsliebling, bei der die packend volle Tanzfläche lauthals mitsang. Etwas das man bei Konzerten in dieser Örtlichkeit auch nicht alle Tage erlebt (solange es sich nicht um die eigens verfasst Kneipenhymne „Hamlar, Hamlar“ handelt...).

Da alles irgendwann ein Ende haben muss, war irgendwann auch die Zeit für Simeon Soul Charger gekommen. Mit der epischen Psych-Nummer „The Swallowing Mouth“ - die mal wieder gepflegtes Horror-Karneval-Feeling verbreitete - sollte ein dicker Schlusspunkt hinter das Konzert gesetzt werden. Wer bisher nicht gemerkt hatte, was die Band für einen positiven Wahnsinn verbreiten kann, der wusste es spätestens jetzt. Doch als der Titel nach über einer Viertelstunde über die Ziellinie rauschte, wollte keiner die Wahlbayern wirklich gehen lassen, so dass man noch einen kurzen Auszug aus Harmony Square sowie ein Cover von Jethro Tulls „Aqualung“ spielte. Dass letzteres in diesem Classic-Rock-Schuppen mit offenen Armen entgegen genommen wurde, verstand sich von selbst. Dabei hätten Simeon Soul Charger dies bei der Menge an eigenem klasse Material gar nicht nötig gehabt.

Aber egal: Der Auftritt war (erwartungsgemäß) grandios und man konnte mit Fug und Recht überzeugt sein, gerade eine der besten Livebands gesehen zu haben, die derzeit in Deutschland residiert! Im Anschluss mischten sich die acht durchgehend sympathischen Musiker der beiden Bands ausgelassen unters Publikum und alle zusammen feierten den Abschluss eines tollen Konzertabends, bei dem alles stimmte: Musik, Veranstaltungsort und Stimmung. Danke Simeon Soul Charger, danke Zippo und Hamlar-Tom mit seinem Team!





Mario Karl



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