Depeche Mode
Playing the Angel
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Playing the angel ist ein kleines Wunder. Nach vier Jahren erschien im Oktober das neue Depeche Mode Album. Mittlerweile kennt man es schon, die Aufnahmen kamen mal wieder fast nicht zu Stande. Dieses Mal wollte Dave seine eigenen Songs schreiben. Trotzdem haben es Depeche Mode letztendlich doch geschafft. Da sie in der Vergangenheit Musik für die Ewigkeit geschaffen haben, ist das neue Hörerlebnis heikel.
Heikel, weil das mittlerweile elfte Album die ganz großen Erwartungen vieler nicht erfüllt und weil es trotzdem ein gelungenes Album ist, bei dem Depeche Mode zwar wie Depeche Mode klingen, die Einflechtung eines neuen musikalischen Einflusses aber dieses Mal wieder besser gelungen ist. Wir erinnern uns: Beim letzten Album Exciter wollten sich Depeche Mode musikalisch erneuern und arbeiteten mit dem Produzenten von Björk zusammen, wobei das Ergebnis nicht ganz überzeugend war. Die Alben von Depeche Mode sind Soundgetüftel und Experimente. Der neue musikalische Einfluss bewegt sich bei Playing the angel von Industrial bis elektronischer Avangarde. Elemente aus dem Ambient, Drum & Bass und Dub sind deutlich hörbar und so fiept, piept, knistert, hallt und wummert es in jedem Song. Wir wissen von Portishead und Massive Attack, dass depressive Musik und Drum & Bass sehr gut zusammen passen. Und so klingen Depeche Mode zum Beispiel bei „Macro“ und bei „Damaged People“ tatsächlich organischer und sphärischer, gleichzeitig aber kühl, melancholisch und fragil wie immer.
Die Musik um das Trio Dave Gahan, Andy Fletcher und Martin Gore funktioniert durch Wiederholung. Erst mehrere Durchgänge im CD-Player eröffnen dem Hörer die einzelnen Facetten und Stimmungen der Songs, und dann ist man auch schon süchtig danach. Textlich geht es um das Leben von seiner düsteren Seite. Eine Premiere gibt es in Form der drei Songs „Suffer well“, „I want it all“ und „Nothing´s impossible“, da es die ersten Songs auf einem DM-Album sind, die der Sänger Dave Gahan geschrieben hat. Der Rest stammt wie immer von Martin Gore.
Das schnelle “A pain that I´m used to” ist ein typischer Depeche Mode Song, der als zweite Single ausgekoppelt wird. Er beginnt mit sirenenähnlichen Gitarren-Samples, die manch einer von Exciter kennt. Ein rockiges Stück, bei dem es diesmal nicht um eine „Question of time“ oder „Question of lust“, sondern um eine „Question of control“ geht. “John the revelator” ist vom Gospel inspiriert und übt mit der Metapher aus der Johannesoffenbarung Kritik am aktuell herrschenden Terror zwischen den zwei großen Weltreligionen, die einen übergeordneten Gott verehren. Das sehr beatintensive Stück ist mit Choreffekten angereichert. Im ebenfalls beatigen “Suffer well” geht es wieder um das Beziehungsleid, es beginnt mit Bass und Beat, darauf folgt die Gitarre, begleitet von hymnischen Klangsphären, um in Kratzern und Geräuschen zu enden. In “The Sinner in me” wechseln sich Industrialflächen mit langsamem Gesang ab, der Song wird abgebaut und endet als Beatgewitter in einem Knistern, Rauschen und Fiepen. Die erste Single „Precious“ wirkt mit ihrer enormen Geschlossenheit dagegen luftig und locker, fast poppig. Es ist aber ein trauriger Song über die Scheidung von Martin Gore. Musikalisch wird an die 80er Jahre erinnert. Ein kleines Klaviersample sorgt für die romantisch verspielte Atmosphäre, dabei bricht die Gitarre vor Ende des Songs deutlich durch. Mein Lieblingstrack „Macro“ ist eine sehr sensible Ballade mit leidvollem Gesang und einem sehr beeindruckenden sphärischen Refrain. Unterbrochen wird diese Atmosphäre durch krachende Gewittersamples. Mein zweiter Favorit „I want it all“, ist märchenhaft verspielt. Der Song geht unter die Haut, weil hier auf große Stimmung gesetzt wird. Mein drittes Lieblingstück ist “Damaged People” mit asiatisch klingenden Elementen im Intro. Dieser für Depeche Mode sehr typische Herzschmerz-Song ist wieder wunderbar sensibel, mit großartigem Gesang, viel Gefühl sowie einer großen Zahl an organischen Klangspielereien. Aus dem souligen “The darkest star” stammt der Titel des Albums. “Nothing´s impossible” ist ein depressiver klaustrophobisch verspielter Song, in dem es kräftig wummert und hallt. Hier wird wieder das Beziehungsleid zum Thema, aber der Song kann nicht richtig begeistern. “Lilian” ist der einzige wirkliche Makel des Albums.
Depeche Mode setzen mit Playing the angel ihre vom Erfolg gekrönte Karriere fort und liefern ein reifes und gelungenes Album ab, ohne sich dabei wie in einer Endlosschleife zu wiederholen. Dabei ist es ihnen gelungen zeitgemäß und interessant zu klingen, sich dabei aber ihre Eigenständigkeit zu bewahren. Playing the angel ist ein Album, dass sich durch seine Tiefgründigkeit und Sensibilität von der banalen und schnelllebigen Popmusik distanziert.
Donata Wisniowski
Trackliste |
1 | A pain that I´m used to | 4:11 |
2 | John the revelator | 3:42 |
3 | Suffer well | 3:49 |
4 | The Sinner in me | 4:56 |
5 | Precious | 4:10 |
6 | Macro | 4:03 |
7 | I want it all | 6:09 |
8 | Nothing´s impossible | 4:21 |
9 | Introspectre | 1:42 |
10 | Damaged People | 3:29 |
11 | Lilian | 4:49 |
12 | The darkest star | 6:55 |
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Besetzung |
Dave Gahan: Gesang, Texte Andrew Fletcher: Keyboard, Synthies Martin Gore: Gitarre, Keyboard, Gesang, Texte
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