Frank Zander - "Ich möchte den deutschen Schlager begraben!"
Info |
Gesprächspartner: Frank Zander
Zeit: 16.11.2004
Ort: Berlin
Interview: Telefon
Stil: Düsterrock / Schlager
Internet: http://www.frank-zander.de
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Mit einem selbstbewussten "Hallo, hier ist der Meister persönlich!" grüßt er, wobei er sich ein Lachen nicht ganz verkneifen kann: Frank Zander feiert dieser Tage seinen zweiten Geburtstag, will mit dem Album Rabenschwarz gleichermaßen an alte Erfolge anknüpfen, wie auch sich selbst musikalisch komplett neu orientieren. Sein altbekannter und sehr eigener, manchmal etwas alberner "rabenschwarzer" Humor bleibt dabei freilich nicht auf der Strecke.
MAS: Wie ernst ist "Rabenschwarz" gemeint?
Frank Zander: Natürlich mit einem zwinkernden Auge, ist doch klar. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht. Viele fragen mich auch, warum ich das getan habe. Ich fühlte mich in letzter Zeit unheimlich bedrängt und durch einen Filter gepresst. Alle möglichen Redakteure von verschiedenen Sendern sagten "Das ist zu lang, was du machst", "mach's ein bisschen leiser", "nimm die Gitarren etwas mehr zurück", "wo ist der Zander?" und "nicht zu viel Zander"... Irgendwann kam dann der Augenblick, an dem ich sagte: "Jetzt können die mich alle mal am Arsch lecken!" (lacht) Ich mache jetzt das, was mir Spaß macht - besonders laut und auch länger. Es gab immer mal wieder in meinem Leben Punkte, an denen ich ganz neue Wege gegangen bin. Und wenn ich solche Wehe gehe bin ich auch immer ziemlich allein. Man weiß dann nie, ob es wirklich etwas wird - diesmal haben mir dabei ein paar wirklich gute Musiker geholfen und es "flutschte" wirklich. Eine ganze CD in anderthalb Monaten, das ist bei mir ziemlich kurz. Als ich fertig war hatte ich ein wirklich gutes Gefühl - und alle um mich herum auch. Mein Sohn war stolz, die Musiker auch... darum ging es mir: Dort wieder anzufangen, wo ich früher mal aufgehört habe.
MAS: Als ich das erste mal von Ihrem neuen Konzept gehört habe musste ich zunächst an Joachim Witt denken, dessen Musik vor ein paar Jahren von einem ähnlich drastischen Wandel durchzogen wurde - wenngleich er in seinen Alben viel mehr mit Pathos arbeitet und sich auch wesentlich ernster nimmt. War Witt Teil der Inspiration zu "Rabenschwarz"?
Frank Zander: Ganz so ernst ist es bei mir nie... ich hatte ja immer einen Hang zum schwarzen Humor, es muss etwas Spaß dabei sein. Bei Joachim Witt ist dann doch viel mehr Ernst dabei, auch in seiner Art zu interpretieren. Bei mir ist ein Augenzwinkern immer dabei.
MAS: Ein Aufkleber auf Ihrem Album verheißt "Das Ende des deutschen Schlagers" - wie darf man diese Aussage verstehen?
Frank Zander: Ich möchte mit Kollegen in Hamburg den deutschen Schlager begraben. Nach langem Dahinsiechen soll er endlich seine Ruhe finden. Das ist natürlich ein Happening, und hier kommt mir die CD sehr entgegen.
MAS: Wie reagierten denn die Urheber der auf Rabenschwarz ver-rockten Songs auf deine Interpretation?
Frank Zander: Ich kenne die natürlich alle und hoffte, dass sich einer richtig aufregt. Damit wir auch für die Bild-Zeitung etwas Futter haben (lacht). Aber leider hat sich nur Christian Anders aufgeregt. Ich hoffte auch auf Udo Jürgens, aber der hat vorher seine jungen Kollegen gefragt und die fanden das natürlich alle geil, deswegen hat er sich da ein bisschen zurückgezogen. Naja - (konspirativ) "Ende des deutschen Schlagers" war natürlich auch provokativ gemeint. Die Schlagergemeinde ist so dürftig, so mickrig. Wenn man die alle sieht in den ersten Reihen, man sieht immer dieselben Gesichter... ich bin ja ab und zu dabei - peripher aber nur, sozusagen als Hecht im Karpfenteich. Es ist einfach traurig. Und da ich ja nun seit 35 Jahren dabei bin dachte ich mir, den Schlager - oder das Wort "deutscher Schlager" - mal zu begraben. Wir werden sehen, was passiert.
MAS: Hören Sie denn Rockmusik in dieser Art von Rammstein und Co. überhaupt privat?
Frank Zander: Ich bin jemand, der Musik nach aktuellen Gefühlen zu sich nimmt. Wenn ich also gerade auf Ibiza auf einem Segelboot bin und mich entspannen möchte höre ich natürlich nicht Rammstein. Dann höre ich eher Chill-Out Musik oder Klassik oder ähnliches. Aber ich höre es sehr gerne sehr laut. Das ist von der Mucker-Zeit übriggeblieben, ich spiele ja selbst auch Gitarre. Das kam mir alles entgegen, der dritte Titel "Nachbar" beispielsweise, der ist ja schon richtig laut. Das ist so die Ureigenschaft eines Muckers: Wenn ich Musik höre, dann knall ich's mir um die Ohren. Meine Frau ist da nicht immer so begeistert, die Nachbarn klopfen auch desöfteren mal. Die ganzen Heavy Metal Sachen wie Rammstein, Ted Nugent oder AC/DC habe ich mir hier natürlich reingezogen in der Zeit des Produzierens und habe mich da auch angelehnt.
MAS: Nun ist Ihre Stimme allerdings sehr prägnant, Frank Zanders Stimme ist etwas, was man kennt, womit man etwas verbindet. Ist es da nicht schwer seine musikalische Vergangenheit abzuschütteln, wenn man etwas ganz neues machen will?
Frank Zander: Wir haben natürlich darüber diskutiert: Nehme ich meinen Namen oder erfinde ich einen neuen? Aber ich habe inzwischen ja schon mit sehr vielen Zeitungen Interviews gehabt, die waren allesamt aus den Bereichen Thrash Metal, Heavy Metal, Gothic und so weiter, und die sagten mir, was ich natürlich auch als angenehm empfand: "Es gibt ganze wenige Interpreten, die das dürfen - nicht etwa Howard Carpendale oder Jürgen Drews, aber ein Zander darf das." Das sagen junge Leute, da bin ich sehr stolz drauf. Die haben viele Sachen ja noch mitbekommen. Ich habe mal als Fred Sonnenschein die Hamster-Sachen gesungen, das hatte schon einen Kick in eine Walt-Disney-Richtung. Das war alles nie ernst gemeint, und jetzt bin ich einfach mal wieder auf den Zug gesprungen, den ich damals verlassen habe. Der Ur-Nick-Nack-Man ist für mich bis heute einer der schwärzesten Songs überhaupt. Ich denke, ich bin heute wieder auf einem richtigen Weg. Ich wusste auch gar nicht mehr, wo's heute langgeht. Eine Weile habe ich mich mit Partysachen herumgeschlagen, bis ich eines Tages eine Mail bekam, die habe ich hier ganz groß hängen: "Mensch Zander, komm' zurück! Lass den Partyscheiß und werd wieder so, wie wir dich lieben!" Diese Mail gab mir eine ganze Menge, sie sagte mir, dass ich mal wieder etwas Frisches machen muss. Ich bin ja mittlerweile in gesetztem Alter, da setzt man sich normalerweise langsam zur Ruh' (lacht). Aber ich habe wieder richtig Spaß, das ist für mich wie eine frische Dusche.
MAS: Zwischendurch kannte man Sie vor allem aus dem Werbefernsehen mit den berüchtigten Geburtstags-CD's. Glauben Sie im Nachhinein, dass Sie Ihrem Image damit geschadet haben?
Frank Zander: Man muss mir auch mal zugestehen, ein bisschen Geld zu verdienen. Bohlen und Konsorten verdienen sich den Arsch voll - 'tschuldigung, aber so ist es doch. Bei mir war's immer ziemlich schwer. "Ich trink auf dein Wohl, Marie" und die ganzen Sachen gaben alle nicht viel GEMA, weil es keine Band richtig nachspielen konnte. Auch der "Ururenkel von Frankenstein" oder "Hier kommt Kurt" - meine Songs waren immer so auf meine Person zugeschnitten, dass die Geldfülle teilweise ausblieb. Wer "Schöne Maid" schreibt, der hat natürlich anschließend zehn Rolls Royce' im Keller stehen. Bei mir fehlte das ein wenig, deshalb kam mir diese Idee mit der Geburtstags CD entgegen. Das möge man mir verzeihen oder wie auch immer, ich brauche zwischendurch auch mal etwas Geld, mein Sohn sagt immer: "Vadda, spiel nicht nur 'rum, wir brauchen auch mal wieder etwas, das Geld bringt." - ganz einfache Formel.
MAS: Welche Kriterien waren für die Auswahl der gecoverten Schlagerstücke relevant?
Frank Zander: Der Text. Das sind ja einfache Liebeslieder, und immer wenn es um Zweierbeziehungen geht oder wenn "Nacht" darin vorkommt dann macht es ja Spaß, das Ding umzudrehen. Wenn es schon Gruselsongs sind von Alice Cooper oder so, den dann auf Deutsch zu singen bringt's ja nicht. Aber wenn man in "So bist du" singt (spricht mit Düsterstimme): "und gehst du, dann geht nur ein Teil von dir", dann hat man das Gefühl, der hat die schon durchgesägt. Diese Doppeldeutigkeit und das Brachiale, das hat mir eigentlich erst Spaß gemacht. Ich bin gerade dabei eine Lieblingsband von mir zu interpretieren. Die Flippers - "Weine nicht, kleine Eva" -, da kann sich ja jeder vorstellen, wie das klingt (lacht). All diese Schmonzetten, die machen ja Spaß umzudrehen.
MAS: Mit "Abwärts - Nick Nack Man Now" hast du auch eine Figur aus deiner musikalischen Vergangenheit nochmal heraufbeschworen. Wolltest du ein Zeichen setzen, dass du nach wie vor zu deinen früheren Liedern stehst?
Frank Zander: Genau. Ich verleugne nichts, ich werde auch die ganzen anderen Sachen von früher nicht verleugnen. Ich sage allenfalls mal "Okay, da habe ich mal daneben gelegen - aber ich hab's gemacht." Ich hasse es, wenn Kollegen ihre Vergangenheit leugnen.
MAS: Es wird auch noch weitere Musikproduktionen in der Machart von Rabenschwarz geben?
Frank Zander: Genau, das kommt mir so entgegen in der heutigen Zeit, weil ich sowieso nicht mehr wusste, wo's langgeht. Das weiß sowieso keiner mehr heute, nach dem ganzen Desaster im Internet. In Berlin wurde die ganze BMG aufgelöst - die, die ewig gefeiert hat mit Dieter Bohlen. Diese BMG gibt es gar nicht mehr. Die sitzen jetzt alle rum. Keiner weiß so richtig, was überhaupt passiert. Ich werde also wie bisher weitermachen, werde auch auf Tournee gehen mit einer Band. Ich hole mir ein paar Gitarristen und dann mache ich meine Beerdigungstournee (lacht). Ich weiß zwar, dass das keinen großen Geldsegen gibt, aber dafür ist mal wieder viel Lust dabei.
Hendrik Stahl
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