Die Thrash-Metaller Macbeth haben zwei Selbstmorde und den Untergang der DDR überlebt
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Gesprächspartner: Ralf Klein (Gitarre)
Zeit: September 2012
Ort: Berlin - Erfurt
Interview: E-Mail
Internet: http://www.macbeth-music.de
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Als eine der wenigen bereits zu DDR-Zeiten aktiven Metal-Bands sind Macbeth Ost-Rock-Fans mit Sicherheit ein Begriff. Als Genre übergreifendes Magazin erreichen wir aber auch viele Leser, für die die Truppe wahrscheinlich ein unbeschriebenes Blatt ist. Daher bat Norbert von Fransecky den Gitarristen Ralf Klein im Interview erst einmal um eine Bestandsaufnahme.
MAS: Wenn ich es mir richtig angelesen habe, gab es in der DDR - vereinfacht gesagt – drei Kategorien von Bands. Die Großen, die Platten veröffentlichen konnten, zum Teil auch im westlichen Ausland; die breite Masse, die eine so genannte Eingruppierung hatte, und offiziell und legal auftreten durfte; und – verstärkt in den letzten Jahren der DDR – Untergrund-Bands, die ohne Eingruppierung illegal auftraten. Wo waren Macbeth in diesem Raster anzusiedeln?
Ralf Klein: Ostrock-Fans sind wir sicher kein Begriff, da wir abseits des DDR-Mainstreams unsere Runden machten. Um offiziell spielen zu können, brauchte man eine Einstufung. Das ist wahrscheinlich das, was Du mit Eingruppierung meinst. Diese Einstufung hatten wir auch. Nur die Art unserer Musik passte natürlich nicht ins Raster der Obrigkeit. (Wer wissen will, wovon Ralf klein hier redet, sollte einen Blick in die Stasi-Akten der Band werfen, die sie auf ihrer Homepage veröffentlicht haben. Geschichts-Unterricht live!!!) Deswegen beäugte man uns von Anfang an mit Argwohn. Als es immer mehr Fans wurden, geriet die Sache zunehmend zum Ärgernis. Diese unangepassten Metal-Fans passten so gar nicht ins sozialistische Weltbild. Also verbot man die Band. Wir waren mit oder ohne Einstufung eine Untergrundband.
MAS: Gab es von Euch zu DDR-Zeiten bereits Veröffentlichungen?
Ralf Klein: Nein! Nur die etablierten Bands durften Platten über das einzige staatliche Label aufnehmen. Von uns gab es nur Demotapes, die aber auch im Radio von mutigen Moderatoren gespielt wurden.
MAS: Sind die nach der Wende neu veröffentlicht worden und heute noch zu erhalten?
Ralf Klein: Vom Label German Democratic Records gibt es eine Kompilation dieser alten Demotapes und Proberaummitschnitte. Die ist allerdings schon lange vergriffen, da es nur eine limitierte Auflage gab.
MAS: Bei aller Repression und Kontrolle innerhalb des DDR-Kulturbetriebs verhalf er vielen Bands dazu relativ abgesichert von ihrer Musik zu leben. Dieses System brach mit der Wende zusammen und viele DDR-Bands stürzten in der Nachwendezeit in ein tiefes Loch, aus dem nur wenige je wieder auftauchten. Wie gestalteten sich für Euch die 90er Jahre?
Ralf Klein: Durch den Selbstmord unseres Sängers war Ende 1989 sowieso Schluss. 1993 versuchten wir ein Comeback, das aber letztlich wieder durch einen weiteren Selbstmord beendet wurde. Die Shows waren dennoch erstaunlicherweise sehr gut besucht. Danach war für 10 Jahre Ruhe und wir wollten eigentlich nie wieder Musik machen. Die 90er gingen komplett an uns vorbei.
MAS: Mittlerweile seid Ihr bei Massacre Records gelandet, einem der größten Independent-Metal-Label. Kannst Du kurz den Weg dorthin beschreiben.
Ralf Klein: Wolf-Rüdiger Mühlmann vom Rock Hard kannte uns schon aus DDR- Zeiten und stellte den Kontakt zu Massacre Records her. Die hätten uns allerdings nicht genommen, wenn sie nicht auch von unserer Musik überzeugt gewesen wären.
MAS: Könnt Ihr heute von der Musik leben?
Ralf Klein: Wie die meisten Kollegen aus der Metal-Ecke: NEIN.
MAS: Was machen die einzelnen Macbeth-Musiker dann hauptberuflich?
Ralf Klein: Wir haben einen Friedhofsgärtner, Ergotherapeuten, Fensterbauer, Fliesenleger und Fachmann für Hebezeugtechnik in der Band. Wer welchen Beruf ausübt, überlasse ich Deiner Phantasie.
MAS: Kommen wir endlich zum aktuellen Album Wiedergänger, einem der ganz seltenen Beispiele eines komplett in Deutsch eingesungenen Heavy Metal/Thrash-Albums. Was sofort auffällt, ist die Perfektion, mit der die Texte zur Musik passen. Eines der ganz großen Probleme, an denen viele Deutsch-Rock- und -Punk-Bands scheitern, ist die Sperrigkeit der deutschen Sprache, die oft dazu führt, dass entsprechende Versuche sehr gezwungen klingen. `Wiedergänger´ klingt aber so organisch und selbstverständlich, als sei die Rockmusik geradezu für die deutsche Sprache erfunden worden.
Wo habt Ihr das gelernt?
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Landser-Romantik gibt es bei Macbeth natürlich nicht. |
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Ralf Klein: Zu DDR-Zeiten war man gezwungen auf Deutsch zu singen. Anfangs haben wir das als Repression empfunden. Später haben wir daraus eine Tugend gemacht. Man versuchte zwischen die Zeilen etwas zu packen und benutzte dafür eine Art Bildsprache oder spielte mit Metaphern. Das wäre so auf Englisch gar nicht möglich. Es gibt allerdings in Deutschland mittlerweile auch andere Musiker, die das sehr gut können, ohne platt oder peinlich zu wirken. Viele phrasieren die Wörter einfach nicht richtig und dann wirkt es wirklich sperrig. Deutsch ist gar nicht so schlecht, wie man immer glaubt. Wir fühlen uns auf jeden Fall sehr wohl damit. Wenn man einen Großteil der englischen Sachen übersetzt, überkommt einem zudem das große Grauen. Wohl dem, der es nicht versteht. Das kann durchaus ein Segen sein!
MAS: Mit dem dreiteiligen „Stalingrad“-Epos, aber auch mit Titeln wie „Kamikaze“ bewegt ihr Euch in die Nähe von Heftchen, die die Landser-Romantik – inklusive ihrer Tragik – hochleben lassen. Damit begebt Ihr Euch in die Gefahr von Rechts (den Ewiggestrigen) und von Links (den Verteidigern der DDR-Wehrkunde) beklatscht zu werden.
Wie wichtig ist es Euch, da eine Distanz aufrecht zu erhalten?
Ralf Klein: Ich denke mal nicht, dass irgendeiner der genannten Songs Landser-Romantik aufkommen lässt. Wir haben auf dem Gotteskrieger Album schon diese Thematik verarbeitet und es kam noch nie Beifall von der falschen Seite. Wer da etwas falsch versteht, dem ist nicht zu helfen.
MAS:
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Das zweite Album Gotteskrieger |
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Überrascht habt Ihr mich mit „Franz H.“. Irgendwo in meinem Archiv schlummert die Vinyl-Single eines deutschen Schlagers aus den 70ern, eine Reklame-Aktion der Sparkasse in Hannover, die große Parallelen zu Eurem Text hat. Kennt Ihr den Titel, oder wie kommt ihr auf dieses Hannover-Thema?
Ralf Klein: Fritz Haarmann erfreut sich in Hannover immer noch großer Bekanntheit. In den 20er Jahren gab es diesen Operettenschlager, der im Volksmund für Haarmann umgedichtet wurde. Den Refrain haben wir übernommen und auch Teile des volkstümlichen Textes mit einfließen lassen. Inspiration war aber der Film Der Totmacher mit Götz George.
MAS: Ihr scheint insgesamt einen recht starken Hang zum Kannibalismus zu haben. Ein Kommentar zu dieser Einschätzung?
Ralf Klein: Wir essen selbst kein Menschenfleisch, oder verstehe ich die Frage jetzt falsch?
Das Thema Kannibalismus in den Songs hat sich mehr zufällig ergeben. Auf Fritz H. bin ich ja schon eingegangen. Die Idee für den Song „Stück für Stück“ war eine Zeitungsmeldung über Schiffbrüchige im Indischen Ozean. Daraus habe ich eine Story für den Song gebaut. Das ist alles!
MAS: Letzte Frage: Ist Euch die Nähe zum Wickie-Refrain beim letzten Titel („Macbeth“) aufgefallen?
Ralf Klein: Meinst Du den kleinen Wickinger? Da sehe ich keine Parallelen, maximal das Hey, hey.
Der Song ist außerdem aus dem Jahre 1985. Da durften wir noch gar kein Westfernsehen schauen.
Norbert von Fransecky
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