Dyse
Lieder sind Brüder der Revolution
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Jawohl, das ist es also, das zweite volle Album des Powerduos Jari Rebelein und André Dietrich, kurz Dÿse. Das selbst betitelte CD-Debüt erschien vor zwei Jahren beim exquisiten Brandenburger Exile on Mainstream Records-Label und stieß bei meinem Kollegen damals nicht gerade auf allzu viel Gegenliebe. Das kann ich allerdings gut verstehen. Denn die Band ist etwas eher Spezielles und gewiss nichts für jedermann. Dafür ist ihr Noise Rock einfach zu schräg. Aber das ist genau das, was Fans an Dÿse lieben. Denn nur mit Gitarre und Schlagzeug bewaffnet legen die beiden so ziemlich jede Bühne in Schutt und Asche. Auf CD wirkt das Ganze im Gegenteil nur bedingt. Mit Lieder sind Brüder der Revolution konnten sie ihre Livepower in einer Studioumgebung allerdings ziemlich gut für die Nachwelt konservieren. Kein Wunder, begab man sich auch in die qualifizierten Hände von Guido Lucas (dem „deutschen Steve Albini“), in die BluBox zu Troisdorf. Und heraus kam dabei ein Hinterteil tretendes und verrücktes Album, welches über weite Strecken verdammt Spaß macht und fett und transparent aus den Lautsprechern träufelt.
Der Sound von Dÿse wird bestimmt von dynamischen Schlagzeugrhythmen, einer Gitarre die nicht nur kernige und nicht selten schiefe Riffs spielt, sondern auch mal wie ein Bass tuckert, hardcoreartigem Gebrüll (mal Deutsch, mal Englisch), sowie schon fast typischem Stop & Go-Arrangements und unkonventionellem Songwriting. Wobei letzteres hin und wieder den Anschein erweckt, als wäre es gar nicht wirklich vorhanden und die einzelnen Songs eher zufällig innerhalb einer launigen Jamsession entstanden. Aber nach und nach entwickeln diese spröden Stücke ein regelrechtes Eigenleben und man glaubt den Sinn hinter dem Ganzen entdeckt zu haben. Vom Erstling bis zu Leider sind Brüder der Revolution hat das Duo zweifelsohne Fortschritte gemacht und seine Songs wirkungsvoller in Szene gesetzt. Denn Nummern wie „Zebramann“, „Festung“ oder „Treppe“ machen ordentlich Feuer und lassen die Groovesau so richtig im Kreis rotieren. Hier lassen auch die Melvins, Shellac oder Nomeansno grüßen.
Manchmal durchbrechen Dÿse ihr Zwei-Mann-Konzept aber auch kurz und bauen Trompeten, Keyboards oder andere Spielereien mit ein. „Trick“ wirkt dabei fast psychedelisch und einlullend mit seinen Bläsertönen, während „Dysenfischdyse“ mit seinem schrägen Doo Dup-Gesang Lockerheit vorgaukelt, bevor Dÿse kurz darauf wieder mit dem Vorschlaghammer auf den Hörer einprügeln. Bei „Supermachineeyeon“ bekommen Dÿse lyrische Unterstützung vom Punkpoeten Jens Rachut (Dackelblut, Angeschissen), was nicht uninteressant ist. Dass Genialität und Verrücktheit generell nah beieinander liegen und die beiden Herren ordentlich einen an der Waffel haben, beweisen sie im weiteren Verlauf des Albums noch deutlicher mit der computerhaften A Capella-Nummer „Music“, dem elektronischen Freakparadies „Krakenduft“ sowie dem ausgedehnten „Baubaubau“, bei dem sich Vogelgezwitscher mit Trompetenklängen abwechseln. Diese lange ereignislos dahin treibende Nummer kann man je nach Standpunkt entweder avantgardistisch oder einfach sinnlos finden.
Bevor einen da das Schnarchen endgültig übermannt, folgt als Schlusspunkt ein lautes Buh in Form eines Zappel-Arschtritts namens „Hans Georg“, der ein schräges, aber lässiges Album für den besonderen Geschmack beendet, welches über weite Strecken vor Dynamik strotzt. Zwar scheint den beiden der unwiderstehliche Groove gegen Ende ein wenig abhanden gekommen zu sein, aber trotzdem können Dÿse mit Lieder sind Brüder der Revolution ein klares Ausrufezeichen setzen. Empfohlen seit noch ein Konzertbesuch. Genug Gelegenheiten hierzu werden in der Regel ja geboten (s. Konzertkalender).
Mario Karl
Trackliste |
1 | Zebramann | 5:18 |
2 |
Festung | 5:10 |
3 |
Treppe | 5:37 |
4 |
Trick | 3:52 |
5 |
Dysenfischdyse | 3:46 |
6 |
Music | 1:10 |
7 |
Shop Sui | 3:14 |
8 |
Supermachineeyeon | 6:49 |
9 |
Krakenduft | 1:57 |
10 |
Baubaubau | 9:58 |
11 |
Hans Georg | 2:44 |
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Besetzung |
Jari Rebelein (Schlagzeug & Background-Gesang, Programming auf „Krakenduft“)
André Dietrich (Gesang & Gitarre, Harmonika auf „Krakenduft“)
Gäste:
Jens Rachut (Gesang auf „Supermachineyeon“)
Michael Kuhlmann (Trompete)
Rike Müller (Geige)
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