DŸSE – Meditativer Krach, vielleicht auch eine Form von Lebensstil
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Krachbands gibt es ja viele auf der Welt. Und DŸSE sind eine davon. Aber trotzdem sind DŸSE (ausgesprochen: Düse) nicht unbedingt eine normale Gruppe. Hier treffen die Attitüde des Punk auf die Freigeistigkeit der Avantgarde. Musikalische Regeln? Uninteressant. Eingängige Songs mit Groove? Ja, warum nicht, wenn es sich ergibt! Hier musizieren Jari Rebelein am Schlagzeug und André Dietrich an Gitarre und Mikro ganz hemmungslos miteinander und zimmern ungeniert wilde, bissige, aber trotzdem spaßige Songs zusammen. Bereits vor zwei Jahren debütierte die 2003 in Holland gegründete Band mit ihrem selbst betitelten Album. Jetzt folgte das feine Zweitwerk Lieder sind Brüder der Revolution. Verrückt aber nicht unnahbar klingt es. Versehen mit starken Grooves, wilden Breaks, knackigen Riffs und hemmungslosen Vocals. Hier lässt es sich zum revolutionären Geist des Duos mit viel Schmackes rumzappeln. Für Musikfreunde die es auch ein wenig schräger mögen ist dieses Duo eine große Empfehlung. André Dietrich gab MAS nur allzu gerne Auskunft über das neueste DŸSE-Machwerk. Hier das kurzweilige Gespräch.
Die Entstehungsgeschichte von Dÿse klingt schon fast ein bisschen romantisch verklärt. Zwei ostdeutsche Jungs lernen sich in Amsterdam per Zufall kennen, quatschen ein bisschen und gründen zusammen eine Band um den Underground zu erobern. Wie viel ist da jetzt wirklich ehrlich dran?
Gibt’s daran Zweifel?!
Da sich die Geschichte am Dysecatmotel ereignet hat ist die Frage nach dem Bandnamen ja schon fast erledigt, oder steckt da vielleicht noch mehr dahinter? Die Punkte über dem Y lassen glatt vermuten ihr seit nebenbei auch Freunde des Heavy Metal-Umlauts.
(lacht) Nee. Wir sind zwei Leute, sonst wären wahrscheinlich drei drüber. Zudem ist das übrigens ein kyrillischer Buchstabe und wird meistens im griechischsprachigen Raum verwendet.
Dÿse klingen ja nicht gerade wie eine gewöhnliche Band. Wie würdest Du eure Musik einem Alien beschreiben?
Meditativer Krach, ein Gemisch aus Gefühl und lebensbejahenden Energien, ein Zustand der alle Erdenbewohner steuert und nur sehr schwer zu erlernen ist. Am besten man spitzt die Ohren und Sinne, lässt sich einfach auf die Musik von Dÿse ein, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was man eventuell vorher von anderen darüber gehört gelesen oder anderweitig gecheckt hat.
So wird doch eigentlich Geschmack gebildet, oder?
Muss man eigentlich ein bisschen positiv verrückt sein um solche Musik zu machen oder sie zu hören?
Ganz klares Nein! Man sollte nur offen und selbstbewusst genug sein. Dies ist jedoch auch ein Lebensstil. Vielleicht ist Dÿse ja auch eine Form von Lebensstil, ähnlich dem Punk in seinen Wurzeln. Immerhin ist ja unsere Musik in unseren Augen eine Fortführung aus jetzigen und vergangenen Zeiten. Meist in Anlehnung der Neunziger welche nie zum Ende gekommen sind, sogar
abgewürgt wurden.
Wenn man über Dÿse liest werden ständig eure geilen Liveshows gelobt. Was macht diese so besonders and warum kommt das auf Platte nicht immer so gut rüber?
Ich glaube man sollte grundsätzlich Liveshows und Aufnahmen auseinander halten. Wenn du beispielsweise ein Konzert von Micheal Jackson besuchen könntest - schade dass er gestorben ist - würdest du wirklich einen Vergleich zu seinen Platten ziehen? Liveshows sind immer etwas Besonderes. Sie formen uns und fließen in unsere Arbeit ein, auch in unsere Studioarbeit. Jedoch wollen wir uns keinerlei Grenzen setzen. Zum Gelesenen über unsere Liveshows: Ich denke schon, dass es für einen Liebhaber von Dÿse etwas Besonderes ist ein Konzert voller Energie, Humor und Spielqualität zu erleben. Aber wer hat dieses Bedürfnis nicht? Wir haben es auf jeden Fall!
Eure neue CD habt ihr zusammen mit „Indiepapst“ Guido Lucas in Troisdorf aufgenommen. Du warst auch schon mit Deiner anderen Band Volt bei ihm. War das der ausschlaggebende Punkt hierfür?
Guido Lucas kenne ich schon länger durch die Zusammenarbeit mit Volt. Er ist ein Produzent der es versteht auf Härte mit Feingefühl zum Song und zum Sound zu reagieren und diesen Umstand auf die Band zu transportieren, wenn man sich als Musiker darauf einlässt. Die Arbeit am neuen Album hat großen Spaß gemacht und ich denke das hört man. Kurzum würde ich die Qualität des Albums auch auf die Erfahrungen des Produzenten lenken. Gute Arbeit Guido!
Was ist er denn für ein Typ - ein liebenswerter Freak der nur für die Musik lebt?
Alles in allem ist Guido Lucas ein gieriges Monster welches Noten und Sound erbarmungslos verschlingt und einen lauten Furz auf dem Tonband hinterlässt ohne dabei rot zu werden.
Von eurer Seite gesehen, was ist der Hauptunterschied zwischen eurem Debüt und Lieder ..., was wolltet ihr erreichen?
Der Sound, die Herangehensweise Songs zu schreiben, neue Wege zu bewandern, sich auf neue Herausforderungen einzulassen und sich zu entwickeln. Fast alles auf dem ersten Album ist ein Repertoire aus mehreren Jahren Dÿse. Lieder sind Brüder der Revolution könnte da schon eher ein Konzeptalbum sein das als Ganzes funktioniert.
Wenn ich mir eure Stücke so anhöre, gewinnt man immer wieder mal den Eindruck ihr hättet euch einfach im Proberaum getroffen und ganz spontan ein paar Nummern eingetrümmert - roh und ungeschönt. Gibt es so etwas wie klassisches Songwriting bei euch überhaupt?
Ja, das gibt es. Jedoch arbeiten wir alle eingetrümmerten Ideen aus, die wir für gut befinden. Spontaneität ist dabei am wichtigsten. Wenn ein Stück Dÿsemusik entsteht, welches spontan entsteht und bockt, bleibt es auch meist so. Wir verfeinern dann eigentlich nur die Idee in der Spielweise oder auch Tempi. Klassisches Songwriting, was ist das eigentlich?
Eure Text sind ein buntes Gemisch aus Deutsch und Englisch. Wie entscheidet sich, welche Passage jetzt in welcher Sprache eingesungen wird? Vieles was man als Sprache in euren Songs findet, klingt eher skizzenhaft. Wie wichtig sind für euch Texte überhaupt?
Auch wieder abhängig von der Spontaneität würde ich sagen. Jedoch finde ich die Rhythmik einer Sprache sehr interessant. Da spielt es keine Rolle in welcher das geschieht. Wir wollen uns einfach keine Grenzen setzen. Unsere Texte würde ich auf keinen Fall als skizzenhaft beschreiben. Jeder steht im Zusammenhang für sich und ergibt Sinn. Für uns bedarf es halt manchmal gelegentlich nur ein paar Worten, um eine Geschichte Meinung oder Begebenheit, eine Tatsache, auszusprechen, Ohne Geschwafel.
Auf der neuen CD habt ihr das Zwei-Mann-Prizip etwas unterbrochen. Könntet ihr euch auch in Zukunft vorstellen mit mehr Leuten zusammen zu arbeiten oder sind das nur kleine experimentelle Farbtupfer im Dÿse-Sound?
Die Zusammenarbeit mit anderen Elementen, außer Schlagzeug Gitarre und Gesang, hat es schon immer gegeben. Auf dem ersten Album sowie den vorangegangen Singles arbeiteten wir bereits mit Trompeten, Orgel und Human-Beatbox. Viele dieser Elemente sind für uns songdienlich und wir wollen diese nicht missen. Sie bringen meistens auch einen besonderen Touch in unsere Musik. Man kommt auf neue Ideen und lässt die Grenzen ausdehnen. Aber grundsätzlich besteht das Zweierkombo-Prinzip, da wir alle Songs in diesem Prinzip schreiben und entstehen lassen.
Gibt es so etwas wie einen Dÿse-Sound überhaupt oder ist die Lust am hemmungslosen Experimentieren und die Zerstückelung klassischer Songformeln Programm?
Ein Programm oder eine Formel existiert nicht. Wir machen das was uns gefällt und haben das Bedürfnis Songs aus unserem Blickwinkel rüberzubringen. Keine Grenzen!
Am Anfang von Dÿse stand eine 7“-Trilogie. Das neue Album erscheint ebenso auf Schallplatte. Habt ihr eine besondere Beziehung zu Vinyl?
Vinyl macht einfach Spaß. Die CD als Speichermedium stirbt in den neuen Generationen mehr und mehr aus. Vinyl bietet zudem mittlerweile einen glasklaren Sound. Somit ist für uns Vinyl einfach beständiger und nostalgischer.
Welche Beziehung habt ihr zu eurem Labelchef Andreas, der ja auch euer Coverartwork gestaltet hat – Geschäftspartner oder auch Freund?
Die Beziehung zu Andreas und Exile on Mainstream Records ist von Zeit zu Zeit gewachsen. Er ist für uns derzeit und in nächster Zukunft unser Verbündeter, Freund und Helfer. Die Idee zum Coverartwork ist jedoch auf unseren Mist gewachsen, um das mal klarzustellen. Andreas half uns, diese Idee mit seinem technischem Know How umzusetzen und sichtbar zu machen. Vielen Dank noch mal an dieser Stelle an EOM Records!
Was steckt denn hinter diesem schwarz-weißen Strichcodecover?
Alles wird codiert. Wir halten den Spiegel vor. Die Wurzeln von Dÿse liegen darin Leuten den Spiegel vorzuhalten. So nun auch im Cover des Albums. Zudem ist der Strichcode lesbar und bedeutet schwarz rot.
Eine Frage hätte ich noch zum Schluss. Zwar habt ihr diesen blubbernden Song auf dem Album, aber ich kann es mir trotzdem nicht vorstellen: Wie duftet denn so eine schwabbelige Krake nun?
Besuch mal einen. Die gibt’s ja überall. In Banken, auf dem Fischmarkt oder auch in der Politik. Meistens stinkt’s.
Mario Karl
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