Musik an sich


Artikel
Zwischen Abitur und Amiga – Die Wurzeln von MUSIKANSICH.DE




Info
Gesprächspartner: Hendrik Stahl

Zeit: 26.10.2009

Ort: Berlin - Drensteinfurt

Interview: E-Mail

Stil: Alles


Zum 100. Ausgabenjubiläum wollen wir ein wenig auf die Geschichte der MAS zurückblicken. Norbert von Fransecky hat daher dem Gründer von musikansich.de ein paar Fragen zugemailt.

Irgendwann im Sommer 2001 bekam ich von einem gewissen Hendrik „Numen“ Stahl eine e-mail mit der Frage, ob ich bei musikansich.de mitmachen wolle. Damit begann meine Geschichte mit der MAS.
Zu behaupten, dass ich Hendrik kannte, wäre massiv übertrieben. Einige Monate zuvor hatte ich einen Fragebogen zugemailt bekommen, in dem ich diverse Fragen zu Rhapsody, Rage und Six Feet under beantworten sollte. Nachfragen ergaben, dass Hendrik für sein Abitur eine Facharbeit zum Thema „Die Ästhetik des Heavy Metal“ schreiben wollte. Um die Ansichten der Basis mit einarbeiten zu können, hatte er sich die e-mail-Adressen aus den Leserbriefen-Seiten einiger Metal-Magazine abgeschrieben und die Absender mit seinem Fragebogen angeschrieben.
Meine Unterlagen sagen mir, dass ich für die September-Ausgabe 2001 die ersten Sachen für die MAS abgeliefert habe. Damals war ich mir nicht einmal klar darüber, dass es sich bei der MAS um ein ganz neues Projekt handelte. Daraus ergibt sich die erste Frage:

MAS:
War das die erste Ausgabe, oder wann ging es los?

Hendrik Stahl:
Nach zweimonatiger Vorarbeit ist die erste Ausgabe im Juni 2001 erschienen.

MAS:
Wie muss ich mir die Vorgeschichte vorstellen? Hast du Dich allein hingesetzt und die Page konzipiert und entworfen, oder gab es da einen Kern von Gründern?

Hendrik Stahl:
Die ursprüngliche Gründung des Projekts fand gemeinsam mit einem Bekannten statt. Der ist jedoch noch vor der ersten Ausgabe abgesprungen.

Da ich von HTML und PHP wenig Ahnung hatte und habe und mich auch nicht damit befassen wollte, waren für die technische Umsetzung überwiegend andere Mitarbeiter zuständig. Zu Beginn war da zum Beispiel Frank Mainz, der sehr viel vom Programmieren verstand. Für Grafiken und Design hatten wir wiederum andere Mitarbeiter. In den letzten Jahren war es vor allem Linus Stubert, der die Seite optisch und technisch voran gebracht und der MAS damit auch einen großen Sprung nach vorne beschert hat. Alles in allem war die Verteilung der technischen Aufgaben auf verschiedene Köpfe nicht immer glücklich – wie man an den ersten Ausgaben leicht sehen kann.
Tatsächlich hinkte die MAS in technischer Hinsicht dem aktuellen Standard immer mindestens zwei bis drei Jahre hinterher – und ich wage zu behaupten, dass sich daran bis heute nicht allzu viel geändert hat.

MAS:
Warum hast Du die Seite gestartet?

Hendrik Stahl:
Ab ca. 1999 habe ich begonnen, mich zunehmend für Musik zu interessieren – nicht mehr ausschließlich für Klassik, wie in den Jahren zuvor. Vielmehr wuchs in mir die Erkenntnis, dass jede Musikrichtung ihre hervorragenden Vertreter hervorbringt. So kam es, dass ich irgendwann im Spätsommer 2000 ratlos vor einem Stapel verschiedener Musikmagazine saß und mich fragte, warum es eigentlich kein Magazin gibt, dass einen Überblick über ausnahmslos jede Art von Musik gibt. Am nächsten dran war da noch der Musikexpress, der allerdings quantitativ nur wenig zu bieten hatte.

Die Idee, ein eigenes Magazin zu gründen, entstand erst einige Monate später. Bis dahin war ich zwar bereits journalistisch tätig, vornehmlich allerdings bei Computer- und Amiga-Magazinen. Der schleichende Untergang des Amigas nebst entsprechender Magazine und eine gescheiterte Beziehung mögen wohl der Auslöser dafür gewesen sein, dass ich mich im April 2001 dazu berufen fühlte, ein Musikmagazin zu gründen.

Entstanden sind die ersten Ausgaben übrigens zum größten Teil an einem Amiga.

MAS:
Hattest Du eine helfende Basis als Musiker, Journalist oder hast Du Dir alle Kontakte erst mit und durch die MAS erarbeitet?

Hendrik Stahl:
Persönlich hatte ich mit dem „Musikbusiness“ bis dato überhaupt keine Berührungspunkte. Einige der frühen Mitarbeiter brachten bereits Kontakte mit, so dass sich darauf aufbauen ließ. Vor allem aber galt es, die Firmen anzuschreiben und sich als Magazin vorzustellen. Kein ganz leichtes Unterfangen, schließlich schossen die Internetmagazine damals wie Pilze aus dem Boden und hatten einen schlechten Ruf.

Die erste Bemusterung kam damals von Sony Classical, ein sehr aufregender Moment. Nach und nach hatten die Mitarbeiter einen soliden Stamm an Kontakten entwickelt, bei einigen, insbesondere größeren Plattenfirmen war es aber bis zum Schluss schwierig.

MAS:
Wie hast Du die Mitarbeiter gefunden? Wir sind schließlich über ganz Deutschland verteilt und haben uns zum großen Teil noch nie persönlich gesehen?

Hendrik Stahl:
Aufrufe in Foren, Mailinglisten, Chats… Der wahrscheinlich größte Teil an Mitarbeitern hat sich durch ein Rundschreiben an mehrere Hundert eMail Adressen gefunden, die ich aus der Umfrage anlässlich meiner Facharbeit in meinem Adressbuch hinterlegt hatte. Dummer Weise ging es bei dieser Facharbeit ausschließlich um Heavy Metal – weshalb auch die MAS über Jahre hinweg eine erhebliche Metal-Schlagseite hatte.

So konnte es passieren, dass mir in einem Monat drei verschiedene Reviews zu ein- und demselben Blind-Guardian-Album zugeschickt wurden, sich aber niemand bereit erklären wollte, das Debüt von Anett Louisan zu rezensieren.

MAS:
Wenn du auf 100 Ausgaben MAS zurückblickst, kannst Du die Geschichte der Page in bestimmte Abschnitte einteilen?

Hendrik Stahl:
Die chaotische Anfangszeit dauerte etwa ein Jahr. Damals standen rund 100 Mitarbeiter im Impressum, von denen sich aber tatsächlich nur ca. ein Fünftel regelmäßig beteiligt hat. Irgendwann haben wir uns mal die Mühe gemacht auszusortieren. Natürlich war die „Personalfluktuation“ anfänglich sehr hoch, insbesondere was Grafiken und Webdesign betraf. Daran änderte sich erst etwas, als Linus Stubert dem Team beitrat und dem Magazin in einer Hauruck-Aktion ein neues Gesicht verpasste. Das mag 2003 gewesen sein – ganz sicher kann ich das nicht mehr sagen.

In den folgenden Jahren hat er vor allem im Hintergrund viel an der Technik gearbeitet, etwa die Erstellung der monatlichen Ausgaben weitgehend automatisiert. Andernfalls wäre das Wachstum des Magazins durch den enormen Aufwand für manuelle Arbeiten wahrscheinlich früh gebremst worden.

Große Umbrüche waren auch immer die Providerwechsel. Bereits 2002 haben wir uns vom ersten Anbieter verabschiedet, der anfänglich nicht einmal FTP angeboten hatte. Das bedeutete für uns also, jede Datei einzeln per Webinterface hoch zu laden. Ende 2002 wurde dann der Amiga schleichend durch einen PC ersetzt, so dass von da an die neuen Ausgaben zunächst unter Linux, später unter Windows XP erstellt wurden.

Die Glanzzeit der MAS war 2005 bis Anfang 2006. Zumindest nach meinem Empfinden, teilweise auch durch Besucherzahlen nachvollziehbar. Wir waren sehr produktiv und gut organisiert. Dass dieser Zustand sich von meiner Seite nicht halten ließ, hing vor allem mit Veränderungen in meinem Privatleben zusammen, die dazu führten, dass die MAS wieder eine etwas geringere Rolle für mich spielte.

MAS:
Was machst Du beruflich, bzw. was hast Du während Deiner MAS-Jahre beruflich gemacht?

Hendrik Stahl:
Während der Gründungszeit war ich gerade in der gymnasialen Oberstufe. Nach dem Abitur 2002 folgte der Zivildienst und anschließend in demselben Betrieb eine Ausbildung zum Altenpfleger, die das ursprünglich angestrebte Studium der Musikwissenschaft ersetzte und damit auch meinen Wunsch, hauptberuflicher Musikjournalist zu werden. Heute arbeite ich in einem Pflegeheim in Münster.

MAS:
Nenn doch bitte mal – wenn du es noch weißt – die erste CD, die Du besprochen hast, den ersten Konzertbericht und das erste Interview, das du gemacht hast.

Hendrik Stahl:
Das erste Album, das uns zugeschickt und schließlich auch von mir besprochen wurde, stammte von einer Berliner Indie-Band namens elviRa. Glaube nicht, dass es die heute noch gibt.

Erster Konzertbericht: Orange Blue in Hamm – Kennt die noch jemand? „She’s got that Light around her Eyes…“ Eigentlich nicht meine Musik, war aber ganz in Ordnung.

Das erste Interview führte ich vermutlich mit dem Prog Metal Sänger Hubi Meisel, zumindest kann ich gerade beim Durchklicken durch die frühen Ausgaben kein früheres entdecken.

MAS:
Was waren die Highlights Deiner Arbeit für MAS?

Hendrik Stahl:
Da fallen mir in erster Linie die Interviews ein. Gefreut hatte ich mich sehr auf das Gespräch mit Brad Roberts von den Crash Test Dummies, die heute kaum noch jemand kennt, die für mich aber über viele Jahre eine wichtige Band waren. Leider ist das Interview weitgehend misslungen und wurde daher auch nicht veröffentlicht. Besser lief das Gespräch mit Timo Kotipelto von (damals Ex-)Stratovarius. Außerdem fallen mir noch die Interviews mit Frank Zander und Peter Wagner von Rage ein.

MAS:
Vor einem guten Jahr bist Du von Bord gegangen? Warum?

Hendrik Stahl:
Seit Anfang 2007 habe ich einen Sohn, bin also familiär stark eingebunden. Zudem arbeite ich seitdem sehr viel in meinem Beruf. Daher lief die MAS immer mehr nebenher, und ich hatte zunehmend das Gefühl, mich dem Projekt nicht in dem Umfang widmen zu können, wie es angemessen gewesen wäre. 2008 kam hinzu, dass ich beschlossen hatte, mich beruflich zu verändern. Um mich möglichst unbelastet meiner neuen Stelle widmen zu können, habe ich im August nach über sieben Jahren einen Schlussstrich unter meine MAS Arbeit gezogen.

MAS:
Wie schwer ist es Dir gefallen, Dein Baby laufen zu lassen?

Hendrik Stahl:
Überraschender Weise habe ich es überhaupt nicht vermisst. Was sicherlich auch daran liegt, dass ich die MAS in guten Händen weiß, und dass ich durch die Redaktions-Mailingliste verfolgen kann, dass alles stabil weiterläuft.

MAS:
Hast Du Dich ganz von der Musikjournalistischen Arbeit verabschiedet, oder machst Du an andrer Stelle noch weiter.

Hendrik Stahl:
Durchaus möglich, dass ich hin und wieder einen Artikel für die MAS schreibe auf freier Basis – im Übrigen bin ich journalistisch zur Zeit nicht aktiv. Was das Schreiben betrifft, habe ich in den letzten Monaten eine Vorliebe für das Verfassen von Kurzgeschichten entwickelt. Davon wird aber vorerst nichts veröffentlicht.

MAS:
Können die Leser (und die Redaktion) von MAS in der Zukunft noch auf gelegentliche Beiträge von Dir hoffen?

Hendrik Stahl:
Im Moment liegt hier noch das neue Album von Moneybrother, das eine Promofirma offenbar versehentlich an mich geschickt hat. Werde die Tage mal etwas dazu schreiben.


Norbert von Fransecky



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