Grobschnitt
Ballermann
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Mit seinem Teaser hat Kollege Norbert von Fransecky in der letzten Ausgabe bereits die Hardfacts zur Wiederveröffentlichungswelle der deutschen Rockinstitution und Legende Grobschnitt geliefert.
Das gibt mir zunächst Raum, kurz mein persönliches Verhältnis zur Band darzustellen. Denn ich muss zugeben, bis auf die eher wenig represäntativen Singles der 80er Jahre „Wir wollen leben" (War im WDR immerhin ein ziemlicher Radio-Hit - Jahressieger in der Schlagerralley 1982 vor Stücken wie BAPs „Kristallnach", Sagas „Wind him up" und Totos „Africa"; Red.) und „Schweine im Weltall" ist die Band in meiner eigenen musikalischen Entwicklungsphase (also meiner Jugend) kaum aufgetreten. Zwar hörte ein Freund diese krachende Rockmusik und man hörte auch von den ausschweifenden Liveschows (von denen auch einige im Bielefelder PC69 stattfanden), aber all das bewog mich nicht, tiefer einzusteigen.
Gepackt hat die Band mich dann leider erst nach ihrer Auflösung, als ich Ende der 90er die von Eroc zusammengestellte und remastererte Doppel-CD Die Grobschnitt Story Teil 1 in Hamburg auf einem Grabbeltisch fand und erwarb. Da es die Originalalben kaum noch zu kaufen gab, sog ich danach fast das komplette Re-Release-Paket mit den weiteren Storys und vor allem den The History of Solar Music-Alben auf und besuchte dann tatsächlich sogar die famose Liveshow der neuen Version Grobschnitts 2010 im Dortmunder Westfalenstadion (bzw. Signal Iduna Park).
Und nun kommt man auch endlich wieder in den Genuss, die Originalalben auf Vinyl zu erhalten. Dass dem zweiten Werk Ballermann von 1974 keine zusätzliche LP mit Bonusmaterial beiliegt, ist locker zu verschmerzen. Schließlich beinhaltet Ballermann neben den Sahnestücken „Sahara“, „Nickelodeon“ und „Magic Train“ die einzige Studioversion ihres Erbgutes „Solar Music“.
Doch beginnen wir der Reihe nach mit dem ersten, in schwarzes Vinyl gegossenen Album des Doppeldeckers. Dieses wird mit einer typischen Eroc-Parodie eröffnet, der absichtlich in sehr schlechtem Englisch gesprochenen Einleitung „Hello my dear Friends“, welche perfekt in das ebenso verrückte Intro von „Sahara“ übergeht. Das für Grobschnitt-Verhältnisse recht kurze Stück ist ein schwerer Rocker, angehaucht mit kleinen weltmusikalischen und psychedelischen Elementen, auf denen Neuzugang Mist schon mal sein Können an den Tasten, wenn auch weit im Hintergrund, andeutet. Der verrückte Gesang von Eroc rundet den verrückten Einstieg ab.
„Nickelodeon“ erreicht mit neun Minuten dann die zu der Zeit übliche Länge von Grobschnitt-Songs. Und hier zieht die Band dann alle Register ihres Könnens. Die Krautrockwurzeln sind natürlich noch da, doch geht dieses Stück sehr stark in Richtung von Bands wie vor allem Yes und natürlich auch Genesis, was dann ja später auch von der Band auf Rockpommels Land noch perfektioniert werden sollte. Die perfekten Übergänge von den rockigen Gitarren zu den mehr schwebenden Sounds sind auch hier schon grandios und zeigen den großen Einfluss den Mist auf dieses Album genommen hat.
„Drummer's Dream“ ist dann ungleich poppiger. Fließende Gitarren, schwebende Keyboards und sehr harmonischer Gesang prägen dieses Stück, welches auch bei kaum einem Livekonzert der Band gefehlt hat.
Die zweite Seite beginnt mit einem schweren Schlagzeugrhythmus, der bald von einem vollklingendem Mix aus Gitarren, Keyboards und Bass ergänzt wird. Auch hier gibt man sich etwas ruhiger, perlende Gitarren und hoch angelegter Gesang bilden eine trotz der schweren Bass- und Keyboardklänge schöne Rockballade. So leitet der „Morning Song“ sehr angenehm in das abschließende „Magic Train“, welches ein fast 14 Minuten langes Progrock-Stück bester Güte ist. Ein langes, perlendes Pianothema leitet das Stück begleitet von schwebenden Keyboards ein, bevor ein pochender Schlagzeugbeat das Stück nach vorne zu treiben beginnt. Über diesen musikalischen Boden breitet Wildschwein seinen kräftigen Gesang aus und die Band liefert einen fantastischen Ritt durch Prog und Psychedelik ab.
Zu Album Nummer zwei muss ich nicht mehr viel sagen. „Solar Music“ in einer 33 Minuten langen Studioversion. Die Band spielte und entwickelte dieses Stück zu dieser Zeit schon einige Jahre live, und das tat sie bis zu ihrer Auflösung 1989 auch weiterhin. Dabei entstanden bekanntermaßen Versionen zwischen 30 und 60 Minuten. Die besten gibt es inzwischen in der oben genannten History of Solar Music-Reihe. Vor kurzem kam dann noch die opulente Dokumentation ihres legendären Rockpalastauftrittes auf DVD und auf Vinyl, CD und DVD mit ausführlichen Buch in einer Box hinzu. An fast keinen der mir bekannten Livemittschnitte reicht diese einzige Studioversion auf Ballermann heran. Aber das bedeutet nicht, dass diese überflüssig wäre. Nein, sie zeigt, wie versiert Grobschnitt ihre eigene DNA auch im Studio einspielen konnte und hält den Ursprung dessen fest, was daraus werden sollte: ein Meilenstein (nicht nur) deutscher Rockmusik.
Der Serie entsprechend erscheint auch dieses zentrale Grobschitt-Werk auf hochwertigen 180-Gramm-Vinyl, sorgfältig von Eroc remastert. Der Sound der Scheiben ist unglaublich gut, transparent und warm und gibt den Scheiben den gewichtigen Klang, den sie schon immer verdient hatten. Natürlich erscheint auch hier LP 1 in Schwarz und LP 2 in Weiß. Beigelegt sind zwei Hochglanz-Faltblätter im 12-Inch-Format mit Infos, Fotos und Linernotes in Deutsch und Englisch sowie ein Downloadcoupon. Also, ein rundum glücklich Paket.
Somit erfährt ein absoluter Klassiker deutscher Rockmusik hier eine würdige Wiedergeburt und findet neben alten Fans hoffentlich auch den einen oder anderen jüngeren Fan, der wie ich schon oft von den legendären Grobschnitt gehört hat, sich aber bisher der Materie noch nie so recht genähert hat.
Wolfgang Kabsch
Trackliste |
Seite 1
Hello my dear friends 1:31
Sahara 4:19
Nickelodeon 9:15
Drummer´s Dream 6:12
Seite 2
Morning Song 5:43
Magic Train 13:31
Seite 3
Solar Music part 1 17:38
Seite 4
Solar Music part 2 15:58 |
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Besetzung |
Stefann Danielek (Wildschwein): Gesang, Gitarre
Joachim H. Ehrig (Eroc): Schlagzeug, Perkussion, Elektronik, Gesang auf „Sahara)
Gerd O. Kühn (Lupo): Gitarren
Bernhard Uhlemann (Bär): Bass
Volker Kahrs (Mist): Keyboards
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