Kampf dem Blues: Freedom Call und Night Laser in Leipzig
Klassischer Metal, in Leipzig im frühen 21. Jahrhundert lange Zeit mausetot, hat in den letzten Jahren hier schrittweise wieder deutlich mehr Freunde gefunden – dass Freedom Call auf ihrer 25-Jahre-Jubiläumstour im großen Saal des Hellraiser spielen können, dazu reicht es dann aber doch nicht. Ergo findet das Konzert im kleinen Saal statt, wo es freilich wiederum recht eng zugeht und die Temperatur in beträchtliche Höhen steigt, noch bevor der Supportact den Anwesenden überhaupt einzuheizen begonnen hat. Selbiger Supportact heißt Night Laser, hat noch nie in Leipzig gespielt, gehört innerhalb Deutschlands trotz bereits vier Alben statusseitig nicht zur Hardrock-Bundesliga – und wird abgefeiert, als hätte er soeben die Meisterschaft geholt. Die Hamburger machen mit ihrem an der Grenze zwischen Melodic Rock und Melodic Metal mit gewissem Glamrock-Einschlag angesiedelten Sound allerdings auch so manches richtig und spicken ihren Set mit Highlights, beginnend gleich mit dem flotten „Laserhead“, dem Titeltrack ihres zweiten Albums. „Bittersweet Dreams“ ist langsamer, „Street King“ mixt die Tempi, und „Trouble (In The Neighborhood)“ wirkt mit seinen gerappten Strophen etwas überambitioniert, bleibt aber der einzige Ausfall der Dreiviertelstunde. Das leicht progressive „Bread And Circus“ holt die Kastanien nämlich gleich wieder aus dem Feuer, „Chaos Crew“ hält das Niveau oben, die Hüpforgie „Way To The Thrill“ beweist, dass die Hamburger auch modernere Einflüsse zielgerichtet verarbeiten können, „Don’t Call Me Hero“ fällt durch seine Talkbox-Gitarre auf, und „Laser Train“ vereint den ganzen Saal im Mitsingen. Aktivposten auf der Bühne ist Sänger Benno, der auch gesanglich überzeugt, selbst in großen Höhen jeden Ton trifft und jede Menge Energie transportiert. Wer das neue, justament an diesem Tag erscheinende Album Call Me What You Want strukturell schon kennt, wird eine interessante Feststellung machen, was den Einbau der neuen Songs angeht: Vier sind es, und außer „Bittersweet Dreams“ stehen alle hintereinander am Ende des regulären Sets. Die Band ist aktuell zwar zum Quintett gewachsen, spielt aber, wenn einer der beiden neuen Gitarristen keine Zeit hat, auch Gigs wie früher im Quartett, und der in Leipzig ist so einer, wobei Felipe irgendwie aussieht wie ein Mix aus Slash und den verwandelten Mitgliedern der Rhythmusgruppe aus dem hinteren Teil des Randale-Videos zu „Der Hardrockhase Harald“, spielerisch allerdings auch im Alleingang problemlos überzeugt. Dass die Hamburger so ein bißchen positiv verrückt sind, zeigt folgender Fakt: Der neue Drummer Ingemar ist Profi-Schlagzeuger und kann die aktuelle Tour aufgrund anderweitiger Verpflichtungen nicht mitfahren, so dass sein Vorgänger Jonas einspringt. Einen Abend hat Ingemar aber doch Zeit, und das ist genau der in Leipzig – er reist also extra für diesen Gig an und spielt ihn auch komplett (und hat folgerichtig zuvor auch den kompletten Set einproben müssen). Das Zusammenspiel funktioniert jedenfalls, soweit es der Außenstehende beurteilen kann, tadellos. Die Beurteilungsbasis ist zudem außergewöhnlich: Der kleine Saal des Hellraiser ist sehr schwierig zu beschallen, aber bei Night Laser gibt es so gut wie kein „Grundgeräusch“, sondern einen extrem klaren Sound, wie ihn der Rezensent dort noch nie gehört hat. Das alles trägt zur exzellenten Stimmung bei – die Band (der Supportact wohlgemerkt!) wird mit Sprechchören abgefeiert, zeigt sich hochgradig gerührt und wird letztlich ohne eine Zugabe nicht von der Bühne gelassen, als die die Nordlichter dem Auditorium noch „Fighting The Blues“ kredenzen. Eventuellen Blues bei den Anwesenden haben sie jedenfalls erfolgreich bekämpft.
Setlist Night Laser: Laserhead Bittersweet Dreams Street King Trouble (In The Neighborhood) Bread And Circus Chaos Crew Way To The Thrill Don’t Call Me Hero Laser Train -- Fighting The Blues Freedom Calls Debütalbum Stairway To Fairyland erschien anno 1999, und folgerichtig nannten Chris Bay und seine Mitstreiter den neuen, elften Studiosilberling Silver Romance, da man damit sozusagen Silberhochzeit feiere. Dass selbiger einen relativ großen Raum im Set einnehmen würde, stand also zu erwarten – dass es allerdings gleich fünf Songs sind, überrascht ebenso wie der Komplettverzicht auf Material vom Vorgänger M.E.T.A.L., und auch vom Debütalbum hat es kein Song in den Set geschafft, so dass die ältesten Songs vom 2001er Crystal Empire-Album stammen, neben der Bandhymne „Freedom Call“ noch das sehr willkommene, da strukturell außergewöhnliche „The Quest“ mit seinem geschickten Wechsel aus Akustik- und feisten Midtempopassagen. Mit „A Perfect Day“ eröffnet keiner der von den Franken gewohnten fröhlichen Melodic-Speedies den Abend, sondern eine etwas groovigere Nummer, gefolgt vom flotteren „Hammer Of The Gods“, dem wieder langsameren „Tears Of Babylon“, dem neuen, aber trotzdem schon mit einem Mitsingspiel ausgestatteten „Supernova“ und dem Titeltrack des aktuellen Albums, der als erster den ohne Wenn und Aber lospreschenden melodischen Speed Metal transportiert, für den so mancher Anhänger das Quartett speziell liebt. „Union Of The Strong“ bedient diese Klientel dann gleich nochmal, ehe das erwähnte „The Quest“ die Altanhänger mit der Zunge schnalzen läßt. Bis dahin ist klargeworden, dass es Freedom Call trotz abermaliger Umbesetzung geschafft haben, spielerisch weiterhin als eine Einheit daherzukommen – das verwundert auch nicht, denn der Neue am Drumkit ist mit Ramy Aly ein alter Bekannter, der schon früher mehrfach bei der Band getrommelt hatte. Der Sound ist nicht mehr ganz so klar wie bei Night Laser, etwas lauter und vor allem nicht ganz grundgeräuschfrei, was etwa die Einbindung der Samples zur nicht leichten Aufgabe für den Soundmann macht – und eine Seltsamkeit bleibt über die gesamte erste Sethälfte erhalten: Bays Leadmikrofon ist so leise abgemischt, dass sein Gesang von den Backingvokalisten übertönt wird. Erst in „The Quest“ ändert sich diese Balance ein wenig zu seinen Gunsten, in „Infinity“ ist er aber wieder weg, und das, obwohl der Sänger hier nicht Gitarre spielt, Lars Rettkowitz also als einziger Gitarrist abzumischen ist. Die allgemeine gute Laune auf wie vor der Bühne beeinträchtigt das freilich nicht – eventuelle bluesige Stimmungen im Auditorium werden auch hier erfolgreich bekämpft. In „Out Of Space“, wie „Infinity“ ein Neuling, hüpft im Refrain fast der ganze Saal mit, aber obwohl in „Mr. Evil“ eine äußerst interessante Beckenarbeit zu konstatieren ist, rächt sich der besungene Herr Böse, indem er das Mitsingspiel schiefgehen läßt, weil das Auditorium kollektiv einen Ton zu früh einsetzt. Da rettet „Freedom Call“ die Lage, diese gigantische Feiernummer, die ihre Wirkung auch hier nicht verfehlt (spielt Bay das markante Arpeggio im Solo neuerdings leicht anders?). Die prima Stimmung, die im Saal herrscht, scheint auch im Tourpackage zu herrschen – das war schon von Night Laser betont worden, und das unterstreicht Bay in seiner Ansage zu „Power & Glory“, das er den Hamburgern widmet. Welcher Frontmann eines Headliners fordert sein Publikum schon explizit dazu auf, das Merch des Supportacts zu kaufen? Schon ab „Freedom Call“ ist sein Mikrofon auch wieder lauter, und das bleibt auch bis zum Ende so. Das kommt zunächst mit „Warriors“, einem der beiden unverzichtbaren Setlistbeiträge vom Drittling Eternity – aber Zugaben müssen natürlich auch hier sein, und es spricht für das Selbstbewußtsein der Franken (auch wenn Bassist Francesco in Florenz ansässig ist und Gitarrist Lars in Bernburg in Sachsen-Anhalt, sei hier im Text mal die historische räumliche Anbindung gewählt), dass sie mit „High Above“ hier noch einen weiteren Neuling unterbringen, ehe mit „Metal Is For Everyone“ und dem anderen unverzichtbaren Eternity-Beitrag, „Land Of Light“, ein Gig zu Ende geht, der mal wieder auf hohem Niveau bewiesen hat, wie lebensbejahend und grundpositiv Heavy Metal sein kann.
Setlist Freedom Call: A Perfect Day Hammer Of The Gods Tears Of Babylon Supernova Silver Romance Union Of The Strong The Quest Infinity Out Of Space Mr. Evil Freedom Call Power & Glory Warriors -- High Above Metal Is For Everyone Land Of Light Roland Ludwig |
|
|
|