Shostakovich, D. (Melnikov)
24 Präludien und Fugen, op. 87
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Info |
Musikrichtung:
Klassische Moderne Klavier
VÖ: 21.05.2010
Harmonia Mundi / Harmonia Mundi 3 CD (inkl. Bonus-DVD) / DDD 2009 / Best. Nr. HMC 902019.20
Gesamtspielzeit: 151:15
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AURATISCH
Ich kenne zwar keine der Einspielungen von Tatjana Nikolajewa, für die Dmitry Shostakovich seine 24 Präludien und Fugen, op. 87 1950 in nur drei Monaten komponiert hat und die darum als die erste und lange Zeit auch einzige Sachwalterin dieses Klavierzyklus aufgetreten ist. Die Konzentration und differenzierte klangliche Auslotung allerdings, die die Neueinspielung durch Alexander Melnikov auszeichnet, sollte diesem immer noch eher randständigen Oeuvre freilich endlich die verdiente Aufmerksamkeit sichern.
Diese Musik eignet sich nicht zur Demonstration einer pianistischen Bravour, die sich allein an äußerlicher Virtuosität misst. Ein konstruktivistisches Glasperlenspiel ist sie aber auch nicht. Melnikovs nach innen gerichteter, sensibler Musizierstil vermeidet alle Klischees, die diesen Zyklus einfach als Neo-Bach formalisieren oder ästhetisieren könnten. Der Künstler begreift diese 24 Paare mit Recht als einen Zyklus ganz individueller Miniaturen, in denen Shostakovich den großen Meistern der Klavierliteratur – Bach, Beethoven, Chopin, Schubert, Schumann, Brahms und Liszt - seine Reverenz erweist. Dies aber nicht einfach in Form von Studien oder Stilimitaten, sondern in Gestalt von ganz persönlichen, tief empfundenen Charakterstücken, die mal launig, mal satirisch, mal vergrübelt oder verzweifelt, dann aber wieder ausgelassen oder grotesk wirken und in denen sich gleichsam die Anmutung der Musik jener älteren Meister niedergeschlagen hat. Sie ist gleichsam durch die Ohren des Komponisten hindurchgegangen und zu seiner eigenen Musik geworden. Doch es gibt nicht nur solche retrospektiven Momente. In manchem weist die Musik auch schon auf den Polystilismus z. B. von Alfred Schnittke voraus oder die Klavieretüden von György Ligeti, es finden sich auch Ansätze jener „Neuen Einfachheit“, in denen z. B. Arvo Pärt seit den 1970er Jahren komponiert (das Präludium Nr. 7 könnte glatt von ihm sein!). Der Zyklus ist ein vergewissernder Rückblick und prophetischer Ausblick in einer Zeit, in der ein wahnsinniger Diktator jederzeit bestimmen konnte, dass 2+2=5 ist. Die ruhige Schönheit, die sich trotz aller Spannungen, Verletzungen und Fatalismen wie ein roter Faden durch das Album zieht – sie vor allem anderen dürfte Hörer, die sich der Musik ganz ohne stilistische und ideologische Scheuklappen widmen, in ihren Bann schlagen und berühren.
Georg Henkel
Trackliste |
Bonus-DVD-Seite (CD 3) 23:14 |
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Besetzung |
Alexander Melnikov: Klavier
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