Minimal Music: Pyrior, Osaka Rising und Olympus Mons im Kulturbahnhof Jena
Sieben Musiker stehen an diesem Abend auf der Bühne des Jenaer Kulturbahnhofs, und keiner von ihnen ist bei mehr als einer der Combos aktiv – das bedeutet also bei einem Drei-Band-Package eine überwiegend sehr minimalistische Herangehensweise, sollte man meinen. Diese Theorie wird sich, so stellt man nach dem Gig fest, nur partiell bewahrheitet haben. Vollumfänglich zu trifft sie auf die Opener Olympus Mons, die als auf der Clubhomepage nicht angekündigte dritte Band hinzugestoßen sind, obwohl sie Pyrior eigentlich schon die ganze Woche über auf ihrer Tour begleitet haben. Es handelt sich nicht etwa um die reunierten finnischen Power Metaller (die schrieben sich zudem Olympos Mons, hätten stilistisch nicht so ganz ins Package gepaßt und außerdem die Minimalistenquote gesprengt), sondern um ein Duo aus einem ganz normal aussehenden Drummer und einem etwas wilder wirkenden, aber trotzdem irgendwie knuffigen bärtigen und basecapbemützten Sänger/Gitarristen. Diese beiden nun reduzieren den Hardrock aufs Allernötigste: Die Riffs werden ewig lange wiederholt, manche Songs kommen gar mit einem einzigen aus, der sehr rauhe Gesang verzichtet, soweit man das hören kann (er ist im sonst recht klaren Soundgewand etwas zu weit nach hinten gemischt), mehr oder weniger komplett auf Melodien, und der Drummer spielt zwar etliche Fills und versucht etwas mehr zu tun als einfach nur den Rhythmus zu halten, aber irgendwie wirkt das Ganze wie eine Bandprobe, zu der die Hälfte der Musiker, nämlich der Bassist und der Leadgitarrist, verhindert sind. Solange zumindest noch eine gewisse Riffvielfalt herrscht, also in den ersten beiden Songs, kann noch ein gewisses Interesse wachgehalten werden, aber die Minimalisierung nimmt dann immer stärkere Formen an, und irgendwie scheint niemand so richtig böse zu sein, dass nach fünf Songs schon wieder Schluß ist – zu mehr als Höflichkeitsapplaus reicht es denn auch nicht. Mit Osaka Rising betritt dann abermals ein Duo die Bühne und tritt den Beweis an, dass a) eine solche Besetzung keineswegs automatisch minimalistisch wirken muß und b) man für klassischen Siebziger-Rock nicht zwingend einen Gitarristen braucht: Bandmitglieder sind auch hier ein Drummer und ein Sänger, wobei letzterer allerdings eine Hammondorgel als Instrument erwählt hat. Mit diesem Kasten nun kann man erstens einen interessanten Baßsound erzeugen und zweitens natürlich auch viel authentisches Seventies-Georgel hervorzaubern, und wenn man hier und da noch ein paar Passagen einloopt, entsteht ein erstaunlich volles Klangbild, das so weit von Minimalismus entfernt liegt wie Donald Trump von Mahatma Gandhi. Allein aufgrund der Herangehensweise kommen einem bisweilen Emerson, Lake & Palmer oder auch The Nice in den Sinn – und auch die Stern-Combo Meißen hatte zu ihren Prog-Hochzeiten ja ohne einen Gitarristen gearbeitet, freilich in anderweitig sehr voluminöser Besetzung. Vorbilder Osaka Risings hingegen sind ganz offensichtlich eher Deep Purple, und die bewußte Hommage „Praise The Lord“ liegt von der Orgelarbeit so nahe an den Großtaten des seligen Jon Lord, wie man sich diesen nur nähern kann, ohne als Kopie zu enden. Der Opener „I Want It All“ stellt hingegen kein Queen-Cover dar, bringt aber als Motto trotzdem prima auf den Punkt, dass sich das Duo keineswegs als reduziert versteht. Der Hammonder führt außerdem eine richtig gute Stimme ins Gefecht, klar und trotzdem powervoll – er würde in jeder Melodic-Rock- oder Melodic-Metal- oder auch Melodic-Prog-Truppe mit Kußhand verpflichtet, zumal er ja auch als Tastendrücker ein phantasievoller Könner ist und zudem bedarfsweise seinen Kasten auch hin und her verfrachten kann, wenn auch nicht so destruktiv wie der selige Keith Emerson seinerzeit. Einmal verläßt er zudem den Platz hinter den Tasten, nachdem er den weiteren Grundsound eingeloopt hat, und springt wild auf einer Keytar solierend über die Bühne. Das gefällt dem Publikum, das reichlich Applaus spendet und sich ohne zwei Zugaben nicht zufriedengibt. Die zweite stellt dann das dar, worauf man irgendwie schon die ganze Zeit gewartet hat: ein Medley aus diversen Klassikern, gerahmt von „Space Truckin‘“ und innendrin u.a. mit „Born To Be Wild“, „Black Night“ und „Long Live Rock’n’Roll“ garniert. Feine Sache, das – auch wenn man sich dauernd latent von den beiden wünscht, dass sie vielleicht als Nebenprojekt ihr Können auch noch einer „vollen“ Band zur Verfügung stellen. Pyrior sind, nein, kein Duo, wie der Mathematiker anhand der bisherigen Zahlenangaben in diesem Review leicht ermitteln kann, aber dass ein Trio auf einem Rockgig die alleinige Spitzenposition in puncto Personalstärke einnimmt, dürfte Seltenheitswert haben. Die Berliner sind auf Tour, um ihren neuen Silberling Portal vorzustellen, und da sie bereits anno 2015 als Support von Monomyth im Jenaer Kulturbahnhof überzeugen konnten (der Interessent lese den Konzertbericht auf www.crossover-agm.de nach), ist es nicht verwunderlich, dass diese gemütliche Location zu den auserwählten Orten für diese Kurztour zählt. Das Trio arbeitet nach wie vor fast ohne Gesang, nur in „Onestone“ tritt Bassist Toa Ster ans Mikrofon und artikuliert sich mit leicht angerauhten, aber die angestrebte Melodik nie verschleiernden Lauten, während Drummer Dan Low, der ansonsten für das Gros der Ansagen verantwortlich zeichnet, hier mit herben Shouts den Refrain unterstützt. Auch der Dritte im Bunde, Gitarrist Max Appeal, verwendet offenkundig ein Pseudonym – verstecken muß sich das Trio mit seinem Sound allerdings beileibe nicht. Wer nach unten gen Setlist linst, erkennt eine gewisse Vorliebe für Astronomie, und von dort bis zum Spacerock ist’s ja nicht weit – der Fokus der Songs liegt aber trotzdem im Stonerrock, auch wenn die wüstenbedröhnte Erdenschwere bei Pyrior deutlich weniger stark ausgeprägt ist als bei diversen Kollegen und der Gitarrist zudem weniger Riffkrach macht als jene, sondern sich nicht selten auf die Halbakustische zurückzieht. Dank eines exzellenten klaren Sounds kann man die Ideenentwicklung jederzeit prima nachvollziehen, auch die bedeutende Rolle des Basses in der vorliegenden Konstellation kommt angemessen zur Geltung. Und während „Winter Is Coming“ tatsächlich einige düster-hoffnungslose Passagen enthält (freilich immer noch im Welten lebensbejahender bleibt als Into Darkness der legendären Doom-Amis Winter), so lassen andere Nummern wie „Sunrise“ (kein Uriah-Heep-Cover) doch öfter die Sonne aufgehen, zumindest im übertragenen Sinne. Das Publikum ist’s zufrieden, und obwohl der größte Applausenthusiasmus auf Osaka Rising entfallen ist, fallen die Reaktionen doch intensiv genug aus, um auch Pyrior noch zu einem ineinander verwobenen Zugabendoppelschlag „oller Kamellen“, wie Dan meint, zu überreden, und die Stimmung hätte vielleicht sogar noch für eine weitere Nummer gereicht, aber einer der Cosmic-Dawn-Verantwortlichen erklettert die Bühne und verkündigt einen ellenlangen und sich argumentativ im Kreise drehenden Werbeblock für das Don-Airey-Konzert an gleicher Stelle am 23.3., den erst der Soundmensch beendet, indem er auf das betreffende Mikrofon unvermittelt einen Echoeffekt legt. So endet der interessante Gig so kurios, wie er begann. Setlist Pyrior: 01 In To 02 Untitled 03 Onestone 04 Portal 05 Pulsar 06 Winter Is Coming 07 Sphere 08 Nostromo + Lunar Eclipse II (snipped) 09 Sunrise 10 Zebes --- Janitor + Venom Roland Ludwig |
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