Stallion

Rise And Ride
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Stallion, gegründet anno 2013 im Südwesten der Bundesrepublik, brachten nach einem Demo und zwei EPs schon im September 2014 ihr Debütalbum Rise And Ride heraus – eine karnickelartige Produktion, die sich in der Folge etwas verlangsamte. Die erste EP erschien damals als Eigenproduktion, dann kam die Combo zeitnah aber bei High Roller Records unter, und so entstanden die zweite EP und das genannte Debütalbum als reguläre Labelproduktionen. Letzteres ist nun neu aufgelegt worden. Die Musik der zehn Songs dürfte mit dem 2014er Stoff identisch sein, und so bleibt als markanter Unterschied der zusätzliche Pappschuber der Neuedition, der freilich als alleiniger Kaufgrund, wenn man schon das auf diesen Seiten weiland von Kollege Mario rezensierte Original besitzt, nicht ausreichen dürfte, zumal das Coverartwork mit seinem auferstehenden untoten Pferd nicht zu den größten Kunstwerken seit Rubens gehört. Die Farbgebung ist bei der Neuauflage anders als beim Original, am Motiv selbst hat sich aber nichts geändert.
Besitzt man Rise And Ride indes noch nicht und steht man auf klassischen Metal, so macht man mit dem Erwerb der Scheibe definitiv nichts falsch – im Gegenteil: Hier schlägt das Herz von so manchem Hörer vermutlich höher. Das durchaus Spannung erzeugende, wenngleich nicht übermäßig dramatische Intro ist in den eröffnenden Titeltrack integriert, dauert ziemlich genau eine Minute und läßt in der Gitarrenarbeit leichte NWoBHM-Anklänge (Maiden natürlich) durchhören, die dann aber sowohl im Hauptsong selbst als auch in den anderen neun Nummern des Albums weitgehend abwesend bleiben. Der besagte Titeltrack schiebt sich im fast leichtfüßig wirkenden Midtempo nach vorn, ehe „Wild Stallions“ an Position 2 beweist, dass das Quintett sich auch im Speedbereich wohlfühlt, wenngleich im Mittelteil hier eine markante Herunterschaltung stattfindet, die aber zum einen wirkungsvoll mit den Außenteilen kontrastiert und sich zum anderen so gut einpaßt, dass sie nicht mühevoll eingeklebt wirkt. Stallion zählen jedenfalls nicht zur Fraktion, die zehn Ideen in eine Songminute packt und dadurch keine zur Entfaltung kommen läßt – hier regiert noch das Songwriting der alten Schule, das aus einer (in Zahlen: 1) Idee auch genau einen (in Zahlen: 1) Song macht und sich lieber daran ergötzt, die Grundidee nötigenfalls zu variieren, als dem Song zwingend noch eine neue hinzuzufügen, wenngleich das Hinzufügen natürlich auch wieder kein Sakrileg darstellt. Und auch Tempovariabilität ist durchaus kein Fremdwort für die Ländlebewohner, aber halt mit System, wie „Stigmatized“ zeigt, das fast thrashige Hochgeschwindigkeit mit treibenden Midtempi koppelt und dann eben als Überraschung im Mittelteil noch eine neue Idee einführt, die sich aber durchaus entfalten kann und nicht nach ein paar Sekunden schon wieder Geschichte ist. „Streets Of Sin“ bietet im Gegensatz dazu geradlinigen Party-Metal, während „Canadian Steele“ unter Beweis stellt, dass die noch gar nicht so alten Herrschaften auch ihre Lektion in Metalgeschichte gelernt haben: Sie formulieren die Lyrics dieses fröhlich daherspeedenden Songs zwar als Huldigung an die jüngere kanadische Metalgeneration wie Skull Fist oder Cauldron, erwähnen aber, dass diese wiederum bei den Großen gelernt haben, die hier mit „thundergods“ versinnbildlicht werden. Aber wer schon im Titeltrack die Zeile „For those about to ride we salute you“ unterbringt, der hat sowieso verstanden, worum es in der Geschichte der Rockmusik geht, wenngleich man dem Gros der Lyrics einen nur mäßigen Tiefgang attestieren muß.
Dafür kommt das Material live richtig gut, wie sich der Rezensent Anfang 2015 selbst überzeugen konnte, als Stallion auf der Releaseparty von Alpha Tiger im Hellraiser in Leipzig spielten und, da ihr eigenes Album gerade ein reichliches Vierteljahr draußen war, sich natürlich auf Material von ihm konzentrierten. Dass so mancher Refrain mit Gangshouts mitformulierbar ist, hilft dem Gemeinschaftsgefühl logischerweise beträchtlich, und wenn man dann noch einen fähigen Leadsänger wie Pauly besitzt, kann nur noch wenig schiefgehen. Auch in der Konservenversion hört man dem leicht kreischigen und gern in ziemliche Höhen vordringenden Gesang gern zu, zumal es an der Treffsicherheit der Stimme kaum etwas auszusetzen gibt. Auch die Gitarristen verstehen ihr Handwerk prima, und Drummer Aaron zeigt etwa in „Watch Out“, dass er durchaus nicht nur gradewegs nach vorne klöppeln kann, sondern auch originellere Figuren einzubringen in der Lage ist, ohne dass man aber befürchten müßte, dass das Ergebnis etwa nicht mehr im klassischen Metal lagern würde. Überraschungen gibt es in „The Right One“ gleich zwei: Zum einen läßt die Einleitung ein Midtempostück erwarten, bevor Aaron aber dann doch auf Speed schaltet, und zum anderen erzeugt die durchgespeedete Gitarrenmelodie den Eindruck des Hauptthemas eines Instrumentalstücks, aber auch das bewahrheitet sich nicht, da Pauly noch in der ersten Minute dann doch zu singen beginnt. Mit knapp über fünf Minuten längste und auch am komplexesten strukturierte Nummer ist „The Devil Never Sleeps“, die ein wenig gen US-Metal schielt und das Kunststück fertigbringt, in gewisser Weise einen komplexen Aufbau zu besitzen, innerhalb dessen aber trotzdem über längere Zeit geradlinig zu bleiben. Nur der Schluß wirkt seltsam, hat man doch das Gefühl, hier sei durchaus noch nicht alles auserzählt. Aber die Zeit drängt, denn schon klopft das „Wooden Horse“ an die Tür, also nicht das untote Exemplar vom Cover, aber eins, das auch nicht gerade Lebendigkeit ausstrahlt, ganz im Gegensatz zum Song, der Rise And Ride in geradlinig-fröhlich-hymnischem treibendem Midtempo abschließt. Auch hier kommt einem das Ende aber ein wenig abrupt vor. Ist es Zufall, dass die beiden Songs, bei denen man das Gefühl hat, hier seien noch Reserven ungenutzt geblieben, ausgerechnet die beiden letzten der Scheibe sind?
Bleibt abschließend noch eine optische Frage zu klären: Wieso lehnen Stallion als Bewohner der alten Bundesländer ihr Signet mit dem blitzartigen S so sehr an das zwar jedem DDR-Bürger, aber beileibe nicht jedem Bewohner der alten Bundesländer geläufige Trabant-Signet an?

Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Rise And Ride | 4:43 |
2 | Wild Stallions | 4:17 |
3 | Streets Of Sin | 4:35 |
4 | Stigmatized | 3:52 |
5 | Canadian Steele | 3:28 |
6 | Bills To Pay | 4:28 |
7 | Watch Out | 4:25 |
8 | The Right One | 3:48 |
9 | The Devil Never Sleeps | 5:10 |
10 | Wooden Horse | 4:05 |
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Besetzung |
 Pauly (Voc)
Äxxl (Git)
Oli G. (Git)
Niki (B)
Aaron (Dr)

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