Capricorn

Capricorn


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 05.03.2021 (1993)

(Jolly Roger Records)

Gesamtspielzeit: 46:49

Internet:

http://www.jollyrogerrecords.com


Die Mainhattaner Power-Thrasher Grinder brachten in den späten Achtzigern auf No Remorse Records zwei Alben heraus und schlüpften nach der Labelpleite bei Noise Records unter, wo 1991 noch ein drittes Album erschien. Auf einen grünen Zweig kam die Formation damit aber nicht, sondern segelte weiter unter ferner liefen, so dass Bassist/Sänger Adrian und Drummer Stefan beschlossen, noch einmal von vorn anzufangen und eine neue Band namens Capricorn zu gründen. Anfangs als Quartett mit den Gitarristen David und Rehbein, war letzterer bald wieder draußen und ein Powertrio beisammen, das nunmehr bei Shark Records unterkam und zwei Alben veröffentlichte, 1993 das selbstbetitelte Debüt und 1995 Inferno. Auch damit ließ sich die Karriere aber keinen Schritt vorwärtsbringen, so dass der Drummer zu Grave Digger abwanderte, mit denen Capricorn 1994 unterwegs gewesen waren (die Tour hat der Damals-noch-nicht-Rezensent am 12.1.1994 in Leipzig-Stahmeln im längst verblichenen Kulturhaus Drema gesehen, wo Factory Of Art als weiterer Support spielten). 1996 war der Schlagwerker mit seinen neuen Spießgesellen um Chris Boltendahl gleich an einem Klassiker in Gestalt von Tunes Of War beteiligt – Capricorn hingegen verschwanden alsbald auf dem Bandfriedhof, und weder Adrian noch David machten in der Folge noch musikalisch in größerem Stil auf sich aufmerksam. Die beiden Alben waren lange Zeit vergriffen, bis sie nun bei Jolly Roger Records als Re-Releases wieder verfügbar gemacht wurden, ergänzt um je einen Bonustrack und neu gemastert, dazu mit allen Lyrics sowie geringfügig aktualisierten Thankslisten im Booklet, aber keinen Liner Notes oder ähnlichen Zutaten.

Grinder hatten irgendwo zwischen Power und Thrash Metal gesiedelt, und das taten im Grundsatz auch Capricorn, allerdings mit drei markanten Unterschieden. Zum einen positionierten sie ihren Sound deutlich näher am Traditionsmetal als am Thrash, zum zweiten richteten sie die Mixtur nicht ganz so sehr auf zwei Gitarren aus wie früher zu Grinder-Zeiten, die immer mit zwei Gitarristen gearbeitet hatten, sondern machten sich schon Gedanken, wie David das live alleine spielen kann, ohne große Soundlöcher zu reißen, und zum dritten addierten sie eine gewisse Portion dreckigen Rock’n’Roll zum Gesamtkonzept. Dass der Bandname von einem alten Motörhead-Song stammt, spricht diesbezüglich schon mal Bände, auch wenn sich direkte Anwandlungen von Lemmys Combo bei den Hessen kaum finden lassen, weder instrumental noch bei Adrians rauhem, aber durchaus melodiehaltefähigem Gesang, der eine ganz andere Farbe aufweist als der von Herrn Kilmister, wenngleich der Vokalist in den jeweiligen ersten Strophenhälften von „Light Up Your Mind“ dem Motörhead-Unikum tatsächlich nahezukommen versucht. Auch das Riffing ist in der Gesamtbetrachtung schon noch stärker im Metal verwurzelt, die Rock’n’Roll-Beimengungen bleiben in der Unterzahl und würzen das Gesamtgericht, drücken ihm aber nicht ihren Stempel auf. „Burn“ ist so ein klassischer Fall, wo Capricorn, nein, nicht Deep Purple covern, sondern quasi eine rock’n’rollige Riffidee in metallischen Sound übersetzen. „The Harder They Fall“, mit nicht mal drei Minuten der kürzeste Song der Scheibe, eignet sich ebenfalls bestens als Demonstrationsbeispiel für eine solche Kombination, und weil die Hessebube das offenbar mögen, schieben sie mit „Long Way Home“ gleich noch ein weiteres Exempel direkt hinterher. Und auch auf Soli braucht der Hörer nicht zu verzichten, wobei etwaige Versuche, dort keine Rhythmusgitarre drunterzulegen und die Livesituation sozusagen schon in der Studiofassung zu imitieren, wie sie etwa Accept damals ein Jahr später u.a. in „Sodom And Gomorrha“ unternahmen, hier nicht vorkommen, Adrians Baß andererseits aber auch nicht wie eine Rhythmusgitarre abgemischt ist und interessanterweise generell recht weit hinten im Gesamtgewand angesiedelt ist, zumal auch die Snare relativ höhenlastig in klangliche Szene gesetzt ist, was von unten her ein überraschend helles Gesamtklangbild ergibt. Wo man den Baß akustisch im Gesamtsound zu suchen hat, verrät das winzige Solobreak in „Mr. Voorhees“, wobei der Tieftöner in diesem Song allerdings generell etwas auffälliger abgemischt ist als in guten Teilen der restlichen Dreiviertelstunde.
Vom Songwriting her halten Capricorn ihre Arrangements eher kompakt, ohne dabei aber auf reine Stromlinienförmigkeit zu setzen, wobei einige als Bereicherungen gedachte Elemente wie die klitzekleinen Rhythmusabweichungen in „One Shot From Murder“ auch nach mehrfachem Hören noch eher gewöhnungsbedürftig wirken. Witzig ist dagegen die Idee, das einleitende Riff von „Bomb Eden“ so zu arrangieren, dass man an einer bestimmten Stelle erwartet, dass der Hauptteil losbricht – es kommt aber das einleitende Riff nochmal, nur im Quintenzirkel ein wenig weiter oben stehend. Der verschleppte Refrain dieser Nummer wiederum will nicht so richtig zum polternden Speed der umliegenden Teile passen, auch wenn er eine gute Möglichkeit bietet, das Publikum das erste der beiden Titelwörter, hier mit Gangshouts symbolisiert, mitformulieren zu lassen. Mit „Lonely Is The World“ versucht sich das Trio auch an einer Halbballade, die ein bißchen an Grave Diggers fast gleichzeitig erschienenen zweiten Teil von „The Darker Side Of Yesterday“ erinnert, allerdings in ein speediges Doublebassfinale mündet, in dem ein feistes Hauptriff und die den ganzen Song dominierenden Halbakustikpassagen kombiniert werden. Der Rezensent kann sich dunkel erinnern, dass dieser Song auch live gespielt wurde, aber die genaue Ausprägung, wie man das mit nur drei Mann umgesetzt hat, ist ihm nicht mehr erinnerlich. „Showdown Downtown“ schaltet mitten in einem „normalen“ Midtempostampfer plötzlich auch auf Akustikgitarren herunter, während der Rest der Instrumentierung identisch bleibt – allerdings wird diese Idee nicht weiter ausgearbeitet und verpufft somit ein wenig. Ansonsten wechselt das Material von Midtempo bis Speed mit größerem Anteil an erstgenanntem, wobei aber über die Distanz von elf bzw. im Re-Release zwölf Songs immer noch genügend Variabilität sichergestellt werden kann, um den Hörer gut zu unterhalten, wenngleich auch damit die etwas zu geringe Markanz der Refrains nicht voll kompensiert werden kann – da hatten die stilistisch gar nicht so weit entfernt siedelnden Thunderhead im Direktvergleich die Nase vorn. Mit „Exceeding The Limits Of Pain“ schließt ein kerniger Metalklopfer das Originalalbum ab, dessen Titel der Rezensent auf dem Leipzig-Konzert damals als „Exceeding The Minute Of Fame“ verstand und dessen Midtempopassagen ein bißchen an den Titeltrack von Annihilators „Set The World On Fire“ (auch von 1993) erinnern, aber sehr wirkungsvoll in den generell eher speedlastigen Song eingestreut sind.
Der Re-Release von Capricorn enthält mit „Raw Meat“ noch einen Bonustrack, der stilistisch nicht von der Gesamtlinie abweicht und dessen konkrete Herkunft nur exakte Bandkenner ergründen können werden – fest steht lediglich, dass es 2015 auf dem brasilianischen Label Neves Records schon mal einen Re-Release als LP gab, und dort war dieser Song auch bereits dabei. Woher er aber ursprünglich stammt, hat der Rezensent bisher nicht ermitteln können. Das Klanggewand entspricht jedenfalls dem der anderen elf Songs, so dass zu vermuten steht, dass der Song aus der gleichen Aufnahmesession stammt wie das reguläre Albummaterial – das Booklet liefert hierzu keine weiteren Informationen. Der Refrain wirkt hier auch ein wenig zu bemüht, ebenso wie einige andere Zutaten, so dass das vielleicht der Grund war, den Song für die reguläre Pressung nicht zu berücksichtigen. Aber egal wie: Capricorn lohnt eine Wiederentdeckung für alle, die sich in einem imaginären Feld zwischen Grave Digger und Thunderhead wohlfühlen, auch wenn es sich nicht um einen ganz großen Klassiker handelt, sondern „nur“ um solide Wertarbeit. Aber das ist doch auch was Schönes.



Roland Ludwig



Trackliste
1Mob In The 'Hood3:48
2One Shot From Murder3:22
3Burn3:52
4Light Up Your Mind4:07
5Lonely Is The World4:02
6Mr. Voorhees4:40
7Bomb Eden4:19
8Shotdown Downtown4:14
9The Harder They Fall2:59
10Long Way Home4:17
11Exceeding The Limits Of Pain3:28
12Raw Meat3:36
Besetzung

Adrian (Voc, B)
David (Git)
Stefan (Dr)



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