Bonbon Flamme

Calaveras Y Boom Boom Chupitos


Info
Musikrichtung: Free Form / Avantgarde

VÖ: 31.01.2025

(BMC)

Gesamtspielzeit: 44:59

Internet:

https://valentinceccaldi.com/
https://bmcrecords.hu/en


Eine "Flamme der Süssigkeit", die als Bandname herhält? Nun, gleich vorab, das, was ich mir unter Süssigkeit vorstelle, wird auf dem zweiten Werk der Band, Calaveras Y Boom Boom Chupitos, eher nicht geboten. In diesem spanischen Albumtitel stecken jedenfalls die Wörter Schädel und Schüsse, "Boom Boom" passt ja insofern. Und - scharf geschossen erscheint mir das, was mir förmlich entgegenspringt, durchaus. Basierend auf den Kompositionen von Valentin Ceccaldi, dem Cellisten, entwickeln die vier Musiker etwas absolut Ungewöhnliches und Gewöhnungsbedürftiges.

Dabei stammen nicht alle Songs von ihm, denn das sehr kurze, von Synthies geprägte "Noline" ist eine Komposition von Étienne Ziemniak, "The Ragtime Dance" stammt im Original von Scott Joplin, dem Pianisten und für die Tracks 7 und 8 ist Fulco Ottervanger verantwortlich.
Eigentlich ist es sehr schwierig, diese Musik zu kategorisieren, denn so vielfältig ist sie hinsichtlich der Eindrücke. Zunächst schreitet "Calavera Uno" gemächlich dahin, bestimmt vom Cello und den ausfüllenden knappen Melodiefolgen von Piano und E-Gitarre, im Hintergrund agiert der Schlagzeuger behutsam. Diese Stimmung führt mich grundsätzlich hin zur Rockmusik, ein Hauch Pink Floyd durchzieht das Ganze auf jeden Fall, aus meiner Sicht. "Calavera Dos" ist dann bereits in anderer Richtung unterwegs, Fulco Ottervanger's "Voice" säuselt einige Melodien, dahinter pumpt es elektronisch und etwas klingelt dahinter, bis es dann plötzlich, bei etwa 1:20, losbricht mit wuchtigem Schlagzeug-und Gitarreneinsatz. Spontan muss ich hier an Captain Beefheart's Magic Band denken, doch ab 2:30 löst sich das Ganze auf und es bricht das Chaos aus, Free Jazz auf Elektronisch?

Es dürfte nicht Wenige geben, die bereits schon jetzt "das Handtuch werfen" würden, weil es doch sehr anstrengend ist, nun, bevor zum Schluss wieder Ruhe einkehrt. Doch was nun wohl noch folgen??? "Chupito Uno" mit einem etwas an lateinamerikanischen Rhythmus erinnernden Sound, dazu eine stark verzerrte Gitarre und das ständige Geblubber eines Synthesizers, nein, leicht man es uns diese Band wahrhaft nicht! Schon jetzt offenbart sich etwas, das in seiner Gesamtheit eine abenteuerliche Mixtur darstellt, aus Ruhe und Energie, aus ungebändiger Kraft, aus Schönheit und Anarchie, ein wilder Dschungel von Klängen, von Freiheit mit eruptivem Wahnsinn inklusive.

Neben genannten Beispielen mögen so manch andere, sowohl aus dem Rockbereich, vielleicht hier und da ein wenig King Crimson, This Heat, dann Anklänge in Richtung der oft frei gestaltenden Gitarristen Sonny Sharrock und Arto Lindsay oder die Bands Krakatau und Capillary Action, auch ein wenig James Chance and the Contortions, als auch Ausflüge in die Avantgarde klassischen Zuschnitts, vergleichend passen. Und wenn man sich dann eines Klassikers wie "The Ragtime Dance" von Scott Joplin bedient, dann kommt in dieser irren holpernden Fassung so etwas wie Humor nicht zu kurz.

Noch einmal Rock mit "Chupito Dos" und zum Schluss mit 6:50 wieder ein Song mit ein wenig mehr Platz zur Entwicklung. Und erneut startet es mit einem Cello/Gitarren-Duett ganz besinnlich, Schicht für Schicht fügt sich dann hinzu, um sich dann wieder nach und nach abzubauen und letztlich Raum zu schaffen für den besinnlichsten Titel des Albums, mit einem Hauch New Age inklusive. Mithin, eine äußerst abenteuerliche Reise durch die Musikgeschichte mit recht unbequemen Ausflügen in Stimmungen, die verunsichern und Unruhe erwecken, man benötigt eine Menge "Mut", um sich dieser avantgardistischen Herausforderung zu stellen.



Wolfgang Giese



Trackliste
1 Calavera Uno (4:01)
2 Calavera Dos (4:41)
3 Chupito Uno (5:54)
4 Snowing Pirogue (6:25)
5 Noline (1:01)
6 The Ragtime Dance (7:27)
7 Una Nube Sobre Ruedas(2:25)
8 Cachorro Cuadrado (3:50)
9 Chupito Dos (2:21)
10 Tres Calaveras (6:50)
Besetzung

Valentin Ceccaldi (cello, synthesizer - #5)
Luís Lopes (guitar, synthesizer - #5)
Fulco Ottervanger (upright piano, synthesizers, voice)
Étienne Ziemniak (drums, electronic, synthesizer - #5)



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