Antioch

Antioch VII: Gates Of Obliteration


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 27.09.2024

(Iron Shield)

Gesamtspielzeit: 43:26

Internet:

http://www.facebook.com/antiochmetal
http://www.ironshieldrecords.de


Nachdem keine der beiden christlichen US-Westküsten-Formationen, die sich in den Mittachtzigern den Namen Antioch gegeben hatten, sonderlich langlebig war und sich auch keine der beiden bisher dauerhaft wiedervereinigt hat, war der Name der historischen Stadt an der Nordostecke des Mittelmeers sozusagen frei für die Neubelegung, und das nutzte neben einer gleichfalls kurzlebigen nordirischen Black-Metal-Combo 2013 eine Band aus dem kanadischen Bundesstaat Ontario, die freilich von der einstigen Existenz der anderen drei wohl keine Ahnung hatte. Sie brachte den Namen indes immer gleich doppelt vor die Augen der geneigten Anhängerschaft, indem sie ihre Werke nämlich durchnumerierte und den Bandnamen nochmal vor die Ordnungszahl stellte, bevor der eigentliche Albumtitel folgte, wenn es denn einen gab. Diese Praxis wurde über ein Jahrzehnt sowohl auf EPs als auch auf Full-Length-Alben angewendet und erst nach Erreichen der Ordnungszahl VI unterbrochen. Die beiden bisherigen EPs hatten als Antioch (praktisch also Antioch I) und Antioch V firmiert, aber nach der 2023er Full-Length-Scheibe Antioch VI: Molten Rainbow erschien die nächste EP 2024 nicht etwa als Antioch VII, sondern bekam lediglich den Titel Halfway To Eternity. Die Ordnungszahl VII hingegen erhielt der später im gleichen Jahr erschienene Full-Length-Silberling Gates Of Obliteration vorangesetzt, der zugleich den ersten akustischen Kontakt des Rezensenten mit diesen Kanadiern darstellt.
Von daher kann hier keine Aussage getroffen werden, ob der eigentümliche metallische Mix, den das Trio hier auffährt, auch schon auf den Vorgängern gepflegt wurde. Der siebeneinhalbminütige Opener „Frozen Highway“ täuscht zunächst Epic Metal an, wandelt sich dann aber schnell in treibenden, aber streng traditionellen Metal, der allerdings von Nick Allaire mit einer sehr rauhen, wenngleich nicht unmelodischen Stimme vokalisiert wird. „Legend Of Tudohm“ wird von entrückten Akustikpassagen gerahmt und scheint zunächst ebenfalls ins Epic-Metal-Feld rücken zu wollen, ehe Drummer Brendan Rhyno dann aber nach oben schaltet und eine Art polternder Speed entsteht, in dem dann auch noch Allaire mittendrin seinen Gesangsstil ändert: Anfangs noch dem Gesang im Opener ähnelnd und nur einen kleinen Tick abgedrehter, hebt er mitten im Song plötzlich zu kreischen an wie eine Kreuzung aus Udo Dirkschneider und einem hysterischen Göteborg-Death-Kreischer. „Tired Of Fire“ beginnt dann auch instrumental ein bißchen an Accept angelehnt, und zudem werden hier hymnische Chöre hinzugefügt, wenngleich Antioch trotz dieser Anleihen weiterhin eindeutig ihr eigenes Ding machen. Das gilt auch für das bereits zuvor als Single ausgekoppelte „Onward With Obliteration“, das außerhalb von zwei größeren Breaks herzhaft Speed vorlegt, als dritte Stimmlage noch einen reinen Göteborg-Death-Kreischer hinzugibt, der sich mit den beiden anderen abwechselt, und im Gesamtbild an diejenigen Göteborg-Deather erinnert, die außer Gesang und Musiziertempo mit Death Metal nichts mehr am Hut hatten – wer sich etwa noch an Brimstone erinnert, findet hier einen passenden Anhaltspunkt. Mit „All Gods, All Masters“ wagen sich Antioch gar an eine Art Ballade heran, wobei sie nach Minute 2 das Tempo nach oben schrauben, die Gitarrenarbeit aber weiter recht transparent, halbakustikdurchsetzt und angedüstert halten – Allaire holt hier alle Melodik, die er der rauhen Stimme entlocken kann, heraus, aber das Ganze klingt immer noch, als würden Venom eine Ballade spielen, also ein bißchen gewöhnungsbedürftig. Dachte man, damit nun aber alle Gesangsstile auf der CD kennengelernt zu haben, belehrt einen „Understand“ eines Besseren, denn hier kreischt Allaire plötzlich wie ein Sohn von Rob Halford und King Diamond, was dem Feind hoher Stimmen endgültig den Nerv rauben dürfte, zumal die Stimme ein uns andere Mal den Eindruck macht, kurz vorm Überschlagen zu stehen. Keine Ahnung, wie der Vokalist das live meistert – aber Antioch haben aktuell sowieso keine live spielfähige Besetzung: Dem Trio aus Allaire und den Rhyno-Brüdern an Drums respektive Gitarre fehlt ein Bassist, und dem Booklet ist auch nicht zu entnehmen, wer auf der CD Baß spielt. Statt dessen ist unter „Additional Instruments“ interessanterweise Allaire auch als Drummer genannt, während Jordan Rhyno auch die wenigen Synthie-Klänge als Transmissionen aus seiner Gitarre holt.
Hat irgendjemand vermutet, nun schon alle Stimmfarben Allaires zu kennen? „Point Of Entry“ belehrt ihn eines Besseren, wobei auch die Instrumentalisten diesmal den Stil wechseln und eine nur dreieinhalbminütige Partyrocknummer im besten Haarspraystil raushauen, zu der Allaire im Intro mit einer überraschend dunklen Stimme nahezu clean singt und im Hauptteil seiner rauhen Stimme auch noch etwas Kreide beigegeben hat. Mehr als doppelt so lang ist der Albumcloser „In The Throes Of Arcane Lust“, dessen sehnsüchtiges Intro Erinnerungen an Iron Maiden weckt, bevor wir einen Hybriden aus Epic und Doom Metal serviert bekommen – nach Minute zweieinhalb beginnt der Drummer aber auch hier Tempo zu machen, der Vokalist packt mal wieder verschiedene seiner Stimmstile aus, und der Song kombiniert schließlich treibendes Midtempo mit einem Doomfinale, wobei hier durchaus noch mehr Variabilität möglich gewesen wäre, da die Grundidee trotz der beträchtlichen Spielzeit noch nicht ganz auserzählt wirkt. Das schmälert den positiven Eindruck aber nicht – man darf nur die „Arcane Lust“-Gangshouts nicht zu primitiv finden.
Summa summarum haben wir hier eine interessante Traditionsmetalscheibe vor uns, die dem Hörer allerdings abverlangt, mit der beschriebenen vor allem vokalen Vielfalt zurechtzukommen – andererseits beschwert sich ja die halbe Metalwelt immer über zuviel Uniformität, und hier bekäme man nun den Gegenbeweis, ohne dass die CD deswegen gleich wie ein Sampler klingen würde.



Roland Ludwig



Trackliste
1Frozen Highway7:31
2Legend Of Tudohm4:39
3Tired Of Fire4:55
4Onward With Obliteration4:27
5All Gods, All Masters4:53
6Understand6:11
7Point Of Entry3:12
8In The Throes Of Arcane Lust7:37
Besetzung

Nick Allaire (Voc, Dr)
Jordan Rhyno (Git, Synths)
N.N. (B)
Brendan Rhyno (Dr)


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>