Black Alice

Endangered Species


Info
Musikrichtung: Hardrock

VÖ: 28.09.2018 (1983/84)

(Karthago / Soulfood)

Gesamtspielzeit: 52:32

Internet:

http://www.sonsofsteel.rocks


„Who the f*** is Alice?“ Als sich Black Alice 1982 formierten, gab es diese Frage in der vorliegenden Form noch nicht, denn damals existierten vom durch Smokie popularisierten Chinn/Chapman-Song „Living Next Door To Alice“ nur Fassungen, die ohne jene erst in der 1995er Gompie-Version auftauchende Zusatzfrage auskamen. Auch musikalisch nahmen die vier Australier keine Anleihen bei Smokie, sondern agierten durchaus eigenständig – sofern sie selbst Einfluß auf ihren Sound ausgeübt haben: Black Alice waren das, was im Metal jahrzehntelang völlig verpönt war und noch heute weitgehend verpönt ist (Beyond The Black beispielsweise können ein Lied davon singen), in anderen Stilistika dagegen seit langer Zeit gang und gäbe war und ist, nämlich ein Produzentenprojekt, zumindest ab einem gewissen Stadium. Angefangen hatten sie als Coverband mit Songs von AC/DC, Deep Purple etc., die Songs auf dem Debütalbum Endangered Species hingegen wurden laut den Credits im Booklet des vorliegenden Re-Releases ausnahmslos von Gary Keady geschrieben, der zusammen mit Steve James auch Arrangeur und Produzent war. Drei Songs weisen zudem Anthony Rees und einer John Vallins als Co-Autor aus, aber auch diese beiden gehörten nicht zum Bandquartett. Wie der ganze Prozeß damals abgelaufen ist, läßt sich kaum en detail nachvollziehen, auch Brian J. Giffin schreibt in seinem Australien-Metal-Lexikon nichts Näheres. Dafür äußert er sich zum Stil von Endangered Species, das er übrigens nicht auf 1983 wie die Encyclopedia Metallum, sondern auf 1984 datiert und damit auch mit der Copyrightangabe auf dem Backcover d’accord geht: „very typical in style to the more well-known acts of the time, an effective but primitive cross between NWOBHM and early Bay Area Thrash“. Hmmmm ... wo er Thrash, selbst Frühformen von selbigem herausgehört haben will, erschließt sich zumindest dem hier tippenden Rezensenten nicht, aber das mit der NWoBHM stimmt tatsächlich, wobei der archetypische Mittachtziger-Euro-Metal vielleicht sogar noch stärker durchschimmert, wenn man darunter etwa Bands wie Crossfire versteht, die es 1983/84 allerdings noch gar nicht zu größerer Popularität gebracht hatten (1983 war gerade erst das Debütalbum der Belgier, See You In Hell, erschienen), so dass man Keady sicher nicht vorwerfen kann, hier explizit in diese Richtung geschielt zu haben, wobei er laut damaligen Interviewaussagen zumindest Teile seiner musikalischen Prägungen tatsächlich in Europa empfangen hat. Allerdings waren Black Alice mit ihrem Sound relativ früh dran, zieht man in Erwägung, dass wir uns hier in einer Zeit bewegen, wo man noch nicht mit drei Mausklicks die Musik der anderen Erdhalbkugel erschließen konnte, wobei für diese Erörterung irrelevant ist, ob die Einflußlinien ihr Endziel in Perth, wo der Bandproberaum stand, oder in Singapur, wo Endangered Species aufgenommen wurde, zu finden hatten. Für australische Verhältnisse kann man ihnen gemeinsam mit Bengal Tigers, Taipan, Saracen oder dem Taramis-Vorläufer Prowler sowieso eine Art Pioniercharakter zusprechen, zumal beispielsweise „Wings Of Leather“ einen Stil vorwegnimmt, den die Landsleute Pegazus eine reichliche Dekade später mit deutlich größerem internationalem Erfolg pflegten (und mit „Wings Of Steel“ kurioserweise einen Song nahezu gleichen Titels schrieben, der allerdings nicht als bewußte Hommage angelegt gewesen sein dürfte, da beide Nummern kaum etwas miteinander zu tun haben – die Encyclopedia Metallum nennt die Black-Alice-Nummer für den Originalrelease übrigens „Wings Of Leather, Wings Of Steel“, was auch der Refrainzeile entspricht). Acht der zehn Albumsongs gehen relativ kernig und relativ flott zu Werke, ohne dass Black Alice allerdings nach dem Aufstellen neuer Härte- und/oder Geschwindigkeitsrekorde lechzten – „relativ flott“ meint hier „gehobenes Midtempo“, wobei das Quartett hier und da allerdings durchaus auch an der Speedgrenze kratzt, etwa mit einem programmatisch betitelten Track wie „Power Crazy“. Zwei Songs brechen allerdings markant aus diesem Schema aus: „In The Hall Of The Ancient Kings“ könnte mit seinem epischen Touch ein Manowar-Demo sein, ohne freilich deren Klasse (in den Achtzigern, wohlgemerkt!) zu erreichen, und Keady schafft es hier leider nicht, den Spannungsaufbau so zu gestalten, dass sich ein großes energiefreisetzendes Finale ergibt – der Song endet ein wenig unmotiviert und unbefriedigend. „No Warning“ wiederum stellt ein knapp siebenminütiges Epos dar, in dem vor allem Gitarrist Jamie Page ausführlich Gelegenheit bekommt, seine Fertigkeiten zu demonstrieren, was er indes auch sonst einige Male tut, beispielsweise im simplen, aber wirkungsvollen Schlußsolo in „Power Crazy“. Speziell erwähnt werden muß zudem Sänger Rob Hartley, der in der Kreischlage einen Tonfall anschlägt, der beiden klassischen AC/DC-Vokalisten stark ähnelt, in den tieferen Lagen sich von diesen allerdings deutlich unterscheidet, was in diesem Falle freilich weniger zu seinem Vorteil ausfällt, da er hier nicht immer hundertprozentig treffsicher agiert.
Endangered Species liegt nunmehr als Re-Release in der Karthago-Klassiker-Serie vor, limitiert auf 666 numerierte Exemplare – die Zahl haben Black Alice in „Hellhouse“ sozusagen selbst „vorgegeben“. Dieser Song ist der erste von drei Bonustracks des Re-Releases und mit seinem dramatisch verschleppten Mittelteil durchaus zu den songwriterisch stärkeren im Repertoire des Quartetts zu rechnen. Er stammt von der 1984 erschienenen No Warning-EP, was in analoger Weise auch auf „Man Of Metal“ zutrifft, der die Dramatikstruktur genau umkehrt, also eine schleppendere Nummer in eine zügigere überführt, die mit einem atmosphärisch schönen Finalteil besticht, der leider sang- und klanglos ausgeblendet wird. Nicht so leicht zu ergründen ist die Herkunft von „Knightmare“, dem dritten Bonustrack – möglicherweise, so vermutet man zunächst, gehört er irgendwo zum „Sons Of Steel“-Metal-Musical-Projekt, das dann vier Jahre später zum zweiten Black-Alice-Album Sons Of Steel führte, welches gleichfalls wiederveröffentlicht worden ist (Review folgt). Die einleitende und abschließende futuristische Geräuschkulisse könnte ebenso dafür sprechen wie die musikalische Gestaltung aus Gesang, Akustikgitarre, Flöte und Streichern, wobei der Gesang hier phasenweise in eine operatische Richtung abschweift, die man ansonsten auf der Scheibe nirgendwo hört und wo man eher an eine tiefergelegte Version von Messiah Marcolin als an Bon Scott oder Brian Johnson denkt. Die Vermutung, so stellt sich bei weiterer Nachforschung heraus, stimmt aber nicht: „Knightmare“ war ein von Keady geschriebener Kurzfilm, also quasi ein Vorläufer des „Sons Of Steel“-Projektes, und der gleichnamige Song taucht in diesem Film auf. Black Alice hatten sich zu diesem Zeitpunkt allerdings erstmal aufgelöst (Gitarrist Jamie Page fand bei Trilogy eine neue musikalische Heimat, wo auch zwei Saracen-Musiker mitmischten), und so hören wir hier zwar tatsächlich Hartley als Sänger, aber dazu drei andere Instrumentalisten.
Bleibt allerdings noch eine editorische Frage zu klären: Wieso wurde die Songreihenfolge von Endangered Species auf dem Re-Release verändert – und noch dazu in höchst unglücklicher Form? „No Warning“ erschien 1984 zwar auch noch als EP-Titeltrack, aber zumindest in der vollen siebenminütigen Form irritiert der Song als Opener des Re-Releases völlig, weil er die Erwartungen in eine komplett andere Richtung lenkt als die, die man dann in den anderen Songs zu hören bekommt. Auf dem Originalwerk stand das Epos als Closer, und da gehört es zumindest bei einer klassischen Achtziger-Herangehensweise auch hin, während eine der zügigsten Nummern, nämlich „Wings Of Leather, Wings Of Steel“, den Opener bildete – auch das im Achtziger-Sinne eine logische Wahl. Die hinter der Veränderung beim Re-Release stehende Intention kann zumindest der Rezensent nicht ergründen und muß es daher dabei belassen, die neue Version höchst merkwürdig zu finden und eher als eine Verschlimmbesserung anzusehen.



Roland Ludwig



Trackliste
1No Warning6:59
2Rat-Catcher‘s Eyes3:25
3Running Hot Running Wild3:36
4Hell Has No Fury4:49
5Wings Of Leather3:03
6In The Hall Of The Ancient Kings5:18
7Psycho3:44
8Roll The Dice3:37
9Blade Of Slaughter3:48
10Power Crazy3:45
11Hellhouse4:41
12Man Of Metal3:38
13Knightmare2:46
Besetzung

Rob Hartley (Voc)
Jamie Page (Git)
Vince Linardi (B)
Joe Demasi (Dr)



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