Das Leben John Lennons im Spiegel seiner Lieder
Der Titel des Buches stapelt eher tief. Rein formal stimmt er. Abgesehen von einem einleitenden zehnseitigen Kapitel und kurzen Einführungen zu den einzelnen Alben arbeitet Paul du Noyer Album für Album, Titel für Titel das Solo-Werk John Lennons ab. Dabei werden sämtliche Texte im englischen Original abgedruckt. Ein Schluss-Kapitel befasst sich im Wesentlichen mit der Resteverwertung von Lennon-Werken nach dem postum erschienen Album Milk and Honey. Aber es gelingt dem Autor dabei ein sehr lebendiges Bild von Lennon zu zeichnen. So deutlich habe ich die Verwurzelung des Liverpoolers in eben dieser Stadt und die Prägung durch seine Familie noch nie gezeigt bekommen. (Und ich habe schon einiges über die Beatles gelesen.) Und auch das Leben zwischen (seinen) Frauen, seinen Ansprüchen und Realitäten, seiner Außendarstellung und dem dann doch recht gebrochenen Selbstbewusstsein kommt in der Interpretation der Texte sehr deutlich zum Ausdruck. Gelegentlich fragt man sich, woher du Noyer sein Wissen über die Hintergründe der Songs hat. Ein Literatur- oder Quellen-Verzeichnis gibt es nicht. Lediglich einmal erwähnt er Interviews, die er mit Yoko Ono geführt hat, als er die Begleittexte zu der Signature-Serie schrieb, mit der 2010 alle Originalalben von John Lennon neu veröffentlicht wurden (Seite 168). Oft scheint es, er habe John und Yoko nicht nur auf dem Schoß, sondern hinter der Stirn gesessen. So sicher kommen seine Erklärungen zu den Songs. Die Texte von John Lennon waren – Das wird während der Lektüre immer deutlicher. – in der Regel sehr simpel. Daher ist der Verzicht auf eine Übersetzung in dem deutschsprachigen Band auch akzeptabel. Oft ist es pro Song nur ein Gedanke, der variiert und vor allem wiederholt wird. Das dürfte jedem auffallen, der sich „Give Peace a Chance“ einmal in der vollen Länge seiner über fünf Minuten anhört. Vergleicht man das mit den ausgefeilten Texten und kleinen Geschichten z.B. von Sgt. Peppers, dann liegen Welten dazwischen. John Lennon versucht das so gut wie nie. „Imagine“ ist da eine der ganz seltenen Ausnahmen. Aber möglicherweise lag das ja ganz in der Absicht des Polit-Menschen Lennon. „John wollte das Bewusstsein der Menschen verändern. „Die Regierung kann das mit Propaganda erreichen“, meint er. „Coca-Cola kann es mit Propaganda machen; „Geschäftsleute machen es mit Propaganda. Warum nicht wir?““ (Seite 33) Paul du Noyer ist kein Hagiograph, auch wenn z.B. die abschließende Bilanz im letzten Kapitel Züge einer Heiligsprechung trägt. Aber es kommt doch immer wieder vor, dass er zugesteht, dass der Ex-Beatle doch auch einiges an eher unspektakulärem Material veröffentlicht hat. Besonders kritisch steht er den Alben Mind Games und vor allem Some Time in New York City gegenüber. So kommentiert er letzteres: „Die Rezensionen der LP waren fast alle negativ.“ (Seit 77) „“Angela“ … gehört nicht zu den gelungensten Beispielen für die Zusammenarbeit des Paares. Es könnte sogar eines der schlimmsten sein, und das auf einem Album, das durchaus ernst zu nehmende Konkurrenten für diesen Titel aufzuweisen hat.“ (Seite 90) In lichten Momenten war das dem Star, mit dem oft übergroß demonstrierten Selbstbewusst- und Sendungssein, wohl auch selber klar. „So bezeichnete er „Love“ zusammen mit „Imagine“ als zwei der Kompositionen, die ebenso gut waren wie das, was er mit den Beatles gemacht hatte.“ (Seite 42) Was vice versa ja wohl heißt, dass das Meiste diese (extrem hohe) Latte nicht reißen konnte. John Lennon. Seine Songs komplett von 1969 – 1980 kommt im großen Format (22 x 29 cm) mit teilweise ganzseitigen, teilweise farbigen Bildern, die in den Text eingespiegelt sind. Etwas bedauere ist, dass auf den Startseiten zu den einzelnen Alben die Cover nicht abgebildet sind. Platz dafür wäre genug vorhanden gewesen. Du Noyer gibt seinem Buch eine zweiseitige Zeittafel mit, ein Register und eine ausführliche Diskografie (6 Seiten), die Singles, Alben, Compilations und Box-Sets enthält; zum großen Teil mit Angaben aller enthaltenen Stücke. Norbert von Fransecky |
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