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Info
Zeit: 06.06.2024
Ort: Leipzig, Hellraiser
Fotograf: Hans-Joachim Lingelbach
Internet:
http://www.factory-of-art.band
Anno 2019 hatten Factory Of Art nach mehr als einem Jahrzehnt Pause ihre Auferstehung bekanntgegeben – so ganz weg gewesen waren sie ja praktisch nie, da einige (Ex-)Mitglieder zwischenzeitlich eine Coverband namens Factory Under Cover betrieben und mit dieser gelegentlich auch ein paar Factory-Of-Art-Songs in die Setlisten geschmuggelt hatten. Beim ersten Gig der „neuen“ Factory Of Art im September 2019 konnte sich der Rezensent überzeugen, dass die Musiker nichts, aber auch gar nichts verlernt haben. Eine Fulltime-Band ist angesichts der anderweitigen Verpflichtungen der Mitwirkenden natürlich nicht draus geworden, und die pandemische Lage hat die Entwicklung auch nicht gerade befördert – aber nun, knapp fünf Jahre nach dem Reunion-Gig, liegt die erste Scheibe der neuen Formation vor, programmatisch Back To Life betitelt, so dass auch die Releaseparty unter die launige Abwandlung „Back To Live“ gestellt werden kann. Selbige findet an einem Donnerstagabend im Hellraiser in Leipzig statt – ein für solch ein Ereignis eher ungewöhnlicher Wochentag, aber das hat seinen Grund, wie später noch kundgetan wird. Der große Saal des Hellraiser ist für den Wochentag und den Umstand, dass – Heimspiel hin, Heimspiel her – Progmetal in Leipzig nach wie vor eine Nischenexistenz führt, anständig gefüllt, und unter den Anwesenden finden sich mit den beiden Gitarristen Flecke und Joe F. Winter sowie Drummer Torsten Wolf und Keyboarder Hücke auch einige Mitglieder der Urzeit in den Frühneunzigern, von denen diesmal allerdings keiner als Gast auf die Bühne steigt, was 2019 noch geschehen war.
An bühnenaktiven Gästen mangelt es trotzdem nicht – auf der neuen Scheibe singen nämlich etliche zusätzliche Vokalisten, und die sind auch allesamt in Leipzig dabei. Factory Of Art machen es sich von der Setlist her einfach – sie spielen Back To Life komplett durch und kurzerhand auch von vorn bis hinten, belassen die zehn Songs also in der Albumreihenfolge. Schon der Opener „Abysses“ macht klar, dass die Leipziger ihren grundsätzlichen Kurs des songdienlichen, nur phasenweise frickeligen Progmetals weiter verfolgen.
Ron |
Der Rezensent hat sich das Material bewußt vor dem Gig noch nicht angehört, um erstmal unbeeinflußt den Liveeindruck wirken zu lassen, und er hat das auch mit einer Ausnahme („Blessing In Disguise“, zu dem es auch ein Video gibt) bis zum Schreiben des Reviews noch nicht getan. Die neue Besetzung unterscheidet sich von der alten markant dadurch, dass es jetzt zwei Leadsänger gibt (Ur-Sänger Gunter spielt zwar mittlerweile hauptamtlich Keyboards, ist aber natürlich auch umfangreich in die Leadvocals eingebunden), aber mit Thoralf nur noch einen Gitarristen, und so zwei, drei Stellen im neuen Livematerial gibt es schon, wo man sich vorstellen könnte, dass da in der Studioversion ein markant anderer Eindruck entsteht, wenn es da noch eine Rhythmusgitarre unter den Leads gibt, beispielsweise im angedüsterten „Walking To The Place I Love“. Das beeinträchtigt die Livetauglichkeit des Materials aber natürlich nicht – und für die in „normalen“ Gigsituationen fehlenden Zusatzsänger wird die Band, in der mit Ausnahme von Drummer Ralle alle ein Gesangsmikrofon vor der Nase haben, sicher auch eine Lösung finden. Hier beim Releasegig aber sind sie erstmal alle da, beginnend in „Burning Wings“ mit Patrick Franken, einem Blogger und ehemaligen Death-Metal-Brüllwürfel, der auch hier herzhaftes Gebrüll beisteuert. Letzteres tut in „Blessing In Disguise“ ein Mann, der kurzfristig ungeplant dazugestoßen ist, nämlich Asis Nasseri von Haggard – geplant hingegen sind hier die anderen fünf Gäste, nämlich Amarcord, üblicherweise als A-Cappella-Formation unterwegs und beispielsweise auch als Chefdenker hinter dem alljährlichen A-Cappella-Festival Leipzig bekannt (und dieser Donnerstag war der einzige Termin, der in ihren Kalender paßte – daher die Wahl). In „Blessing In Disguise“ zeichnen sie für die historischen Chorgesänge im Intro sowie einige weitere Beiträge verantwortlich, auch im folgenden „Silent Room“ sind sie mit von der Partie. Abmischungstechnisch stellt ihr Mitwirken natürlich eine Herausforderung dar, aber der Soundmann bekommt ein gutes Ergebnis heraus – die einzigen etwas größeren Probleme sind einige Rückkopplungen aus dem Gastmikro in „The Truth“, das abermals von Patrick bebrüllt wird, und die etwas zu weit im Abseits stehenden Keyboards in der zweiten Hälfte des regulären Sets.
Stefanie |
In ebenjener Hälfte finden wir „Decadence“ mit Stefanie Brill als Gastsängerin – die sonst aktuell eher im poppigen Bereich aktive Blondine macht stimmlich eine gute Figur, und auch wenn man ihren Bühnenbewegungen die mittlerweile fehlende Routine in einer metallischen Umgebung, noch dazu in einer ungewohnten, ein klein wenig anmerkt (die Zeiten, als sie mit Scarlet Rose im Hardrockbereich agierte, sind lange her), wünschte man sich durchaus, sie würde auch heute eine Metalcombo im episch-melodischen Bereich fronten. Das stimmliche Zeug dazu hätte sie jedenfalls. Durch enorme Vielseitigkeit am Mikrofon fällt wie üblich Petri auf, aber das, was Gunter zuwegebringt, ist fast noch beeindruckender: Viele Vokalisten, die in jugendlichem Übermut in extremen Höhen agiert hatten, müssen Jahrzehnte später ihre Gesangslinien deutlich tiefer legen – Gunter bringt die Höhen noch fast so wie früher. Der Mann hüpft hinter seinen Keyboards außerdem wie ein Flummi auf und ab und absolviert mit Armkreisen und ähnlichen Bewegungsmustern gleich noch ein vollständiges Gymnastikprogramm. Im das Album wie den Hauptset abschließenden „Back To The Life“ (ja, drei Buchstaben mehr als der Albumtitel) verläßt er seine Tasten und agiert vorn als Zweitsänger neben Petri, im Finale beide groß und bedeutsam auf den Monitorboxen stehend, damit aber auch genau über den beiden Nebelsäulen, was eigenartige Bilder ergibt.
Das kann natürlich noch nicht alles gewesen sein, und so packen Factory Of Art noch drei ältere Nummern aus, zum ersten „Silent Crying“ von der Point Of No Return-EP, abermals mit Stefanie als Gastsängerin, während die beiden anderen Nummern das Stammquintett allein bestreitet: „Story Of Pain“ und „Wings Of Destiny“ setzen das i-Tüpfelchen auf einen gelungenen, freilich mit nur anderthalb Stunden Bruttospielzeit (die Nettospielzeit ist durch die ausladenden Ansagen ein gutes Stück geringer) relativ kurzen Gig – der Rezensent hatte sich seelisch und moralisch schon auf „Never Dying Hero“ und „Twilight Zone“ eingestellt, aber die wird es dann halt sicher mal irgendwann bei einem Einzelgig wieder geben. Im Hellraiser dagegen löst sich die Veranstaltung in ein fröhliches „Familientreffen“ auf.
Setlist Factory Of Art:
Abysses
Burning Wings
Blessing In Disguise
Silent Room
Walking To The Place I Love
Face Behind The Mask
Decadence
The Truth
Behind The Lights
Back To The Life
Silent Crying
Story Of Pain
Wings Of Destiny
Roland Ludwig
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