Artikel
Info
Zeit: 30.12.2022
Ort: Leipzig, Bandhaus
Internet:
http://www.bandcommunity-leipzig.org
http://www.facebook.com/raging.hell.rivers
http://www.facebook.com/CrashHammer.metal
Aktuell hat der Rezensent zwar eher zufällig, aber doch auffällig oft eine Thrash-Metal-Scheibe im Player (von Coroner oder Tourniquet etwa, und beim Schreiben dieses Reviews läuft „Tales Of Terror“ von Hallows Eve im Hintergrund), und so kommt ihm auch die dreifache Thrash-Ladung beim Jahresabschlußgig im Leipziger Bandhauskeller sehr gelegen, organisiert wie schon die analoge Veranstaltung anno 2019 von BitchHammer, die diesmal allerdings nicht als Opener, sondern als Headliner spielen.
Die Openerrolle fällt Bloodfreezer zu, einem Quartett aus augenscheinlich nicht mehr ganz blutjungen Musikern, das sich vor nicht allzulanger Zeit zusammengefunden hat. Bereits der Opener „War Comes From“ versammelt praktisch alle Stilistika, aus denen sich die generell im Thrash anzusiedelnde Musik der Leipziger zusammensetzt: Midtempo-Strophen, Doomparts, ein speediges Gitarrenheldensolo vom aus Publikumssicht rechten Gitarristen und ein zweites Solo, diesmal vom anderen Gitarristen, das allerdings in einen Doompart eingeflochten ist und eher geräuschorientiert daherkommt. In der Folge beginnt der Doom in Tateinheit mit eher schleppendem Midtempo allerdings zu dominieren, so dass wir also eine Art Doom-Thrash geboten bekommen und man sich nicht selten bei dem Gedanken ertappt, die Combo könnte im reinen Doom-Fahrwasser vielleicht noch reizvoller sein. „Hate Train“ an zweiter Position etwa, ansageseitig „eine Hommage an die Deutsche Bahn“, gebärdet sich lange als Doom mit doppelläufigen Gitarren, der erst nach dem zweiten Refrain etwas unvermittelt in schnelles Ufta-Ufta mündet, während die Einbettung treibenderer Parts in ein doomigeres Gefüge in „Darkened Wings“ besser gelingt. Der impressionistische Schlußakkord erinnert etwas an Nitrolyts zweiten Teil der „Symphonie Des Liquides Organiques“, also „Hommage Á Debussy“, und leitet in „Violation Of Gods“ über, lange balladesk, aber dann wieder ansatzlos in Speed umschlagend. Ab diesem Song tritt ein Grundproblem zutage: Man sieht den aus Publikumssicht rechten Gitarristen zwar noch ausgiebige Soli spielen, nur hört man sie bis zum Setende nicht mehr. Das ist besonders in „Scary Tale“ schade, das nach einigen Sekunden bluesigem Intro erst Midtempo-Thrash bietet, dann aber fast in Epic-Doom-Gefilde wechselt, also ein Genre, in dem scharfe Gitarrenleads natürlich den Beglückungsfaktor heben würden. Der Song mündet dann übrigens in blackigem Geprügel, während der Setcloser „Full Bottled Bluestime“ erneut doomlastig bleibt und nach der zweiten Strophe plötzlich wieder im Speed landet. Der auch Baß spielende und optisch waldschratartige Sänger hat zuvor mit „Rutscht ins gute neue Jahr“ gewollt oder ungewollt Sprachwitz erzeugt, sein Gesang bleibt die ganze Zeit über im rauhen Bereich, und auch das allgemeine Klanggewand kann nach etwas Anlaufzeit überzeugen, sieht man eben davon ab, dass den reichlichen halben Set lang die halben Leads im Nirwana landen. Trotzdem herrscht im gut gefüllten Bandhauskeller prima Stimmung, und einige Enthusiasten fordern eine Zugabe, die auch gewährt wird, angesagt vom linken Gitarristen in breitestem Sächsisch und von ihm auch gesungen bzw. eher gegrölt – so richtig Spaß macht diese Version von „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ irgendwie nicht. Dennoch: Interessanter Bandnachwuchs, der im Auge zu behalten ist.
Setlist Bloodfreezer:
War Comes From
Hate Train
Darkened Wings
Violation Of Gods
Untrue Media
Scary Tale
Full Bottled Bluestime
--
Dirty Deeds Done Dirt Cheap
Auch Crash Hammer agieren als Quartett, allerdings singt hier einer der beiden Gitarristen, während sein Instrumentenkompagnon und der Drummer gelegentlich Gangshouts beisteuern, an denen der (gemäß einer Unterhaltung nach dem Auftritt offenbar nur eingesprungene) Bassist nicht beteiligt ist. Schon das lange instrumentale Intro macht das Problem deutlich, dass die Combo ein wenig zu oft auf klassische Viererwiederholungen setzt und dadurch phasenweise etwas zu ausrechenbar wird, auch wenn man vorher noch nie einen Song von ihnen gehört hat. Interessanterweise verliert sich dieser Eindruck im Verlauf des Gigs mehr und mehr – ab dem zweiten Song „Reignbow Of Terror“ aber verliert sich noch etwas, nämlich die Ansagen, die akustisch immer weiter in den Hintergrund rücken, und seltsamerweise auch das Gros der Leadgitarren, während der Sound ansonsten schön klar und durchhörbar bleibt. Wie bestimmte doppelläufige Passagen gemeint sind, muß sich der Interessent also bei passender Gelegenheit in einer der beiden vorliegenden Demoaufnahmen, die Demo-Lution und Demo-Crazzy heißen, anhören. Crash Hammer mögen ihren Thrash jedenfalls offensichtlich in ganz klassischer, aber strukturierter Manier, bisweilen sogar mit leicht punkigem Flair, und interessanterweise setzen sie streckenweise auch auf deutsche Texte, was einerseits im Areal rechts neben dem Rezensenten zum Urteil führt, „Kuttenbrand“ klinge wie Vicki Vomit auf Thrash, während das recht lange und vielschichtige „Mephisto“ andererseits ein wenig in die Nähe der DDR-Thrasher Biest gelangt. Da Crash Hammer auch um die Bedeutung einprägsamer Passagen wissen, statten sie etwa „Nuclear Toxic Chemical Alien Attack“ mit markanten Mitshoutmöglichkeiten mehrerer der titelgebenden Worte aus, überstrapazieren dieses Stilmittel aber im den regulären Set abschließenden „Let’s Get Wasted“, wo man gar die mittelfrühen Suicidal Tendencies durchzuhören glaubt, etwas zu sehr. Trotzdem herrscht auch hier gute Stimmung im Auditorium, so dass eine Zugabe nicht ausbleibt, abermals ein Cover, nämlich eine noch punkigere Version von Venoms eh schon recht punkangehauchtem „Black Metal“, wobei auch der Sänger immer rauher vokalisiert, während er im Hauptset von der Stimmfärbung her bisweilen ein wenig an den jungen, noch unkontrolliert agierenden James Hetfield erinnerte, aber in seltenen Fällen auch in dunkleren Klargesang umschaltete. Nur eine Eigentümlichkeit bleibt: Wieso hält er die Ansagen (soweit man sie denn versteht) in Berliner Dialekt, wenn der Proberaum doch in Dresden steht?
Solche strukturellen Unklarheiten gibt es bei BitchHammer nicht, und im Prinzip könnte man gute Teile des Reviews von 2019 zweitverwerten – Offenders Of The Faith ist immer noch das aktuellste Album des Trios, und neues Material angetestet wird noch nicht. Trotzdem findet, wer die Setlisten miteinander vergleicht, doch den einen oder anderen Unterschied, und einer der markantesten steht gleich mit „Pentagram Vibes“ an Position 3, angesagt vom Bassisten und Sänger als „Pentagram Rave“ und im Intro tatsächlich mal theoretisch in diesem Stil tanzbar, bevor sich das übliche urtümliche Black-Thrash-Gepolter breitmacht, allerdings mit einigen rhythmisch eigenartigen Zwischenspielen und nach hinten heraus gar in für das Trio völlig unübliche komplexere Gefilde abdriftend, nachdem die beiden Setopener „Welcome Chaos“ und „Raging Hell Rivers“ im besagten typischen Gepolter angesiedelt waren und die Soundfraktion vor keine leichte Aufgabe stellen, welchselbige aber besser gelöst werden kann als drei Jahre zuvor, obwohl der Baß abermals durch fast sludgekompatible Verzerrung auffällt, während die Gitarre soundlich eher im Classic Metal wurzelt. Auch „Satanica“ fällt stilistisch aus dem Rahmen, indem das Riff eher an Göteborg-Death erinnert, was beim gut gelaunten Publikum als Reaktion auf eine Ansage zu „Me-lo-die!“-Sprechchören führt. Der Bassist übernimmt, da im Gegensatz zu 2019 diesmal komplett fit, auch nahezu den kompletten Leadgesang, schafft es aber trotzdem noch, wie ein Wilder über seine Bühnenseite zu springen und dabei keinen Einsatz zu verpassen. „Pestilator“ ist mit seinem epischen Ende ein logischer Setcloser, aber Zugabeforderungen bleiben auch hier natürlich nicht aus, wobei die erste, „Luciferian War Metal“, vom Gitarristen mit seiner etwas tieferen Shoutlage leadvokalisiert wird und er hier zudem auch als Solist gefragt ist – der Song ist der einzige im Set mit einer klassischen Leadgitarrenpassage, nachdem das Finale von „Pestilator“ eine solche bereits angedeutet hatte. Mit „Northern Skies“ folgt noch eine weitere im Riffing schwedisch angehauchte, bisweilen epische Nummer, ehe „Throne Of Blasphemy“ wieder mit dem typischen Gepolter (inclusive groovigem Mittelteil) den Schlußpunkt unter das musikalisch wieder ein kleines Stück gen Normalität gerückte Jahr 2022 setzt.
Setlist BitchHammer:
Welcome Chaos
Raging Hell Rivers
Pentagram Vibes
Crush Rome, Rebuild Sodom
Satanica
To Hell With The Cross
Into The Filth
Satanic Violence
Pestilator
--
Luciferian War Metal
Northern Skies
Throne Of Blasphemy
Roland Ludwig
Zurück zur Artikelübersicht |