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Artikel

Richie Unterberger seziert The Velvet Underground

Info

Autor: Richie Unterberger

Titel: White Light / White Heat – The Velvet Underground Day-by-Day (engl.)

Verlag: Jawbone / Edition Olms

ISBN: 978-1-906002-2-0

Preis: € 29,90

367 Seiten

Internet:
http://www.richieunterberger.com

Es hat mich wortwörtlich Monate gekostet, mich durch dieses Buch durchzuwühlen. Es ist mit demselben Konzept erstellt worden, wie das Byrds Day-by-Day, das an dieser Stelle bereits vor längerer Zeit besprochen wurde. Das abschließende Urteil „Für den etwas distanzierteren interessierten Leser macht die Tagebuch-artige Darstellung die Lektüre anstrengend. Von einem flüssigen und fesselnden Lesetext kann hier wahrlich nicht die Rede sein.“ trifft auf Richie Unterbergers Buch sogar im gesteigerten Maße zu.

Mit nahezu wissenschaftlicher Akribie geht er jeder Bemerkung über die Band nach. Da werden Konzerte genannt, weil sie in einer Lokalzeitung erwähnt wurden, nicht ohne die Fragwürdigkeit dieser Information zu erwähnen, weil sonst nirgendwo etwas von diesem Auftritt erwähnt wird. Gelegentlich werden Ereignisse berichtet und sofort wieder in Frage gestellt, weil eines der Velvet Underground-Mitglieder in einem Interview eine Bemerkung gemacht hat, die diese Ereignis unmöglich machen würde.

Besonders kritisch ist Unterberger gegenüber den Darstellungen, die Nico zur Band und zu ihrer Rolle in ihr macht. Dabei wird geradezu plastisch erlebbar, wie sich Legendenbildungen im Showbusiness entwickeln. Dem „wissenschaftlichen“ Ansatz dieses Buches halten sie nicht stand.

Am Ende des Buches nimmt die Ausführlichkeit ab (und die Lesbarkeit zu). Die Zeit nach dem Ausstieg von Lou Reed (1971-19073) wird in geringerer Dichte dargestellt. Das letzte Kapitel (1973-2007), das postume Veröffentlichungen und halbe Reunions berichtet, schaltet noch einmal einen Gang zurück. Die Darstellung bis 1971 kann dagegen an Ausführlichkeit kaum übertroffen werden. Jeder Auftritt, jeder Aufenthalt im Studio, jede Interviewbemerkung wird in einer echten Tag für Tag-Betrachtung beschrieben und analysiert.

Schön ist, dass Unterberger dabei die wichtigen Akteure der Band auch dann nicht aus dem Auge verliert, nachdem sie die Band verlassen haben. Und das gilt nicht nur für die Karrieren von John Cale, Lou Reed und Nico nach ihrem Ausstieg aus der Band. (Merkwürdiger Weise wird der grandiose Auftritt von John Cale beim WDR-Rockpalast nicht erwähnt – ein Zeichen amerikanischer Provinzialität, oder Indiz dafür, dass White Light / White Heat doch nicht so vollständig ist, wie es den Eindruck zu erwecken versucht?)

Trotz aller Detailfülle schält sich ein Eindruck der Bandgeschichte heraus. Man sieht The Velvet Underground im Umfeld von Andy Warhols Factory, den schleppenden Prozess, in dem sie sich davon emanzipierten nur ein Produkt seiner Multi-Media-Inszenierung zu sein, die schillernde Rolle, die Nico in und neben der Band spielt, die Auseinandersetzungen zwischen John Cale und Lou Reed, die bald zu Cales Ausstieg führten und vor allem wird Unterberger nicht müde zu erwähnen, dass die Band zu Lebzeiten nie in der Lage war, den Ruhm zu ernten, den sie heute hat.

Wer sich intensiv mit The Velvet Underground beschäftigen will, kommt an diesem Band kaum vorbei. Aber – wie gesagt – Unterhaltungslektüre sieht anders aus.

Norbert von Fransecky


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