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Reviews

Bullet

Live


Info

Musikrichtung: Metal

VÖ: 05.07.2019

(Steamhammer / SPV)

Gesamtspielzeit: 76:17

Internet:

http://www.spv.de
http://www.bulletrock.com



Den Schweden Bullet eilt der Ruf einer sehr starken Liveband voraus, und auch der Rezensent konnte sich anno 2010 bereits einmal von den Qualitäten des Fünfers überzeugen, wenn es darum geht, mit eingängiger harter Mucke einen Club innerhalb relativ kurzer Zeit in eine schwitzende und brodelnde Masse zu verwandeln. Damit diese Qualitäten dem Zweifler auch bereits vorab demonstriert werden können, legt die Truppe ein Live-Doppelalbum vor – ein riskantes Unterfangen, denn urwüchsige Livepower auf Konserve zu pressen, daran sind schon ganz andere Formationen gescheitert. Wie schlagen sich nun Bullet in dieser Disziplin?
Zunächst fallen zwei Äußerlichkeiten auf. Live kommt als Doppel-CD im Digipack daher, die beiden Silberlinge bringen es summiert aber nur auf eine Spielzeit von etwas über 76 Minuten – wenn man nicht so extrem oldschoolig drauf ist, den Redbook-Standard von 74 Minuten sklavisch einhalten zu wollen, hätte es hier eine Einzel-CD also auch getan. Zum anderen ist Live überraschend leise abgemischt – der Rezensent muß an seiner Anlage eine ganze Stufe lauter aufdrehen, um einen normalen Geräuschpegel zu erzeugen, wobei das Intro „Uprising“ gar noch leiser aus den Boxen kommt. Wer noch eine Stufe lauter aufdreht, bekommt dann aber beim ersten richtigen Livesong „Storm Of Blades“ eins auf die Ohren – ein möglicherweise so angestrebter Effekt. Ansonsten fällt soundseitig auf, dass Hell Hofers Vocals ziemlich in den Vordergrund gemischt sind und über die Gitarren dominieren – aber das war 2010 in Leipzig auch schon so und könnte somit ebenfalls Absicht sein. Was uns der Vokalist mitteilen möchte, versteht man freilich auch so nur schwer, da der Kreischgesang noch eine Nummer heftiger als bei Udo Dirkschneider daherkommt – also muß man die Lyrics aus anderen Quellen einüben und mitformulieren, denn auch im eher spartanischen, lediglich aus zwei großen Livebildern, einer Collage und einer Seite Danksagungen bestehenden Booklet finden sie sich nicht. Auch bei den Ansagen muß man genau hinhören, denn auch diese hält der Schwede überwiegend im kreischenden Gestus. Hier und da erkennt man, dass er Worte in der jeweiligen Landessprache einflicht, allerdings reicht es nur in den wenigsten Fällen, um die konkrete Setlistherkunft nachzuvollziehen: Live ist ein gut homogenisierter Zusammenschnitt verschiedener Aufnahmen aus den „Storm Of Blades“- und „Dust To Gold“-Touren anno 2017 und 2018, und wer weiß, wo Neil Witchard zu verorten ist, kann zumindest einen der Mitschnittsorte benennen, denn dieser Mann sagt die Band an, ehe wie erwähnt das Intro „Uprising“ kommt.
Der alles entscheidende Faktor ist nun aber, ob Bullet es schaffen, ihre Liveenergie auch auf Konserve darzubringen. Die Antwort ist ein klares Jein und läßt sich nur bedingt rational begründen. Grundsätzlich macht der Stoff der Schweden erstmal jede Menge Hörspaß, wobei die Mixtur aus AC/DC und Accept in der Livesituation einen Deut näher an letztgenannten liegt, was seine Begründung u.a. darin findet, dass sich Hampus Klang und Alexander Lyrbo gern mal zu doppelläufigen Leads finden, die es in dieser Form bei AC/DC bekanntermaßen nicht gibt, die aber von Accept oft und gern gepflegt wurden – und durch die an diesen Stellen fehlende Rhythmusgitarre heben sich die betreffenden Stellen von der klanglichen Umgebung stärker ab als in den jeweiligen Studioversionen. Aber auch sonst sind die Parallelen zu den Solingern so überdeutlich, dass man etwa „Hammer Down“ problemlos als verschollene Accept-Komposition der Mittachtziger mit einem etwas heisereren Udo Dirkschneider am Gesang ausgeben könnte – entsprechende Backingvokaleinwürfe natürlich inclusive. Und das bleibt beileibe nicht der einzige der unter Mitzählung des Intros achtzehn Songs, bei dem man dieses Gefühl nicht loswird, ohne dass man freilich geneigt wäre, die Schweden als Klone einzustufen. Da sind dann Nummern wie der flotte Boogie „Rambling Man“ vor, die Wolf Hoffmann so sicher nicht geschrieben hätte. Dass Bullet natürlich alle gängigen Elemente einer klassischen Metalshow auffahren, versteht sich von selbst: Am Ende von „Turn It Up Loud“ gibt’s einen Gitarren-Solospot, in „The Rebels Return“ noch einen, „Bang Your Head“ wird mit einem ausgedehnten Mitsingspiel ausgestattet, und „Hammer Down“ bekommt ein paar Amboßgeräusche als Effekte spendiert. Lediglich Freunde des Drumsolos werden nicht bedient – die Andeutung eines solchen in „Highway Love“ dient nur der Einleitung der Bandmitgliedervorstellung. Das Tempo bleibt überwiegend im variablen mittleren Bereich, aber auch speedige Elemente sind der Band nicht fremd, wie das programmatisch betitelte „Speed And Attack“ unter Beweis stellt. Auf Balladen zu hoffen braucht man natürlich nicht, aber das ist bei dieser Band ja sowieso selbstverständlich. Trotzdem gibt es richtig gefühlvolle Momente, etwa das großartige ausgedehnte doppelläufige Solo in „Rolling Home“, in dem auch Bassist Gustav Hector mal kurz akustisch nach vorn treten darf und das im Direktvergleich eher an diverse US-Südstaatengrößen als an Accept erinnert, wobei die Southern Rocker ja fast alle drei Gitarristen hatten und dann doch noch eine Rhythmusgitarre druntergelegen hätte – aber das Feeling ist hier dann doch eher amerikanisch als europäisch geprägt. Von der Setlist her haben es Bullet natürlich mittlerweile ähnlich schwer wie alle länger aktiven Bands, einen kompletten Überblick über ihr Schaffen zu geben, ohne dabei die Promotion ihres aktuellen Materials zu vergessen, und wer hier beispielsweise auf Liveumsetzungen von Stoff des Bite The Bullet-Zweitlings hofft, der bekommt lange Zeit nur „Dusk Til Dawn“ geliefert, ehe der Schlußgong dann doch noch aus „The Rebels Return“ und dem Titeltrack besagter Scheibe besteht. Vor dem genannten Hintergrund, dass Live aus den Touren zu zwei Alben zusammengeschnitten wude, erscheint die knappe Spielzeit aber besonders merkwürdig, denn Bullet werden wohl kaum derart kurze Gigs gespielt haben, dass nicht mehr Material vorhanden gewesen wäre. Sicher, wenn’s das Teil auch als Doppel-LP gibt, muß man sich spielzeittechnisch zurückhalten, aber selbst dann hätten noch ein paar mehr Songs draufgepaßt, ohne die Kapazitäten zu sprengen.
Trotz aller Qualitäten läßt einen Live somit irgendwie nicht voll befriedigt zurück – deshalb das oben ausgesprochene „Jein“. Klar, das Publikum hat hörbar Spaß, singt fleißig mit und ist auch ohne penetrante In-den-Vordergrund-Mischung ein Faktor für positive Unterhaltung, aber der letzte Funke will irgendwie nicht überspringen, obwohl die Vorteile nicht wegzudiskutieren sind: Man hört das Material in selbst wählbarer Lautstärke bei klaren Soundverhältnissen, man kann wahlweise friedlich dasitzen oder durchs Wohnzimmer pogen, und die Getränke kosten selbst dann, wenn man die Schließzeit des Supermarkts verpaßt hat und sich daher an der Tankstelle bevorraten mußte, deutlich weniger als das, was man in der Livesituation bezahlen müßte. Trotzdem fehlt irgendwie der finale Kick, was Zweifler aber trotzdem nicht vom Reinhören abhalten sollte – vielleicht genügt ihnen ja das Gebotene durchaus, um sich die Combo auch mal live reinzuziehen. Hofers letzte Ansage kündigt Bite The Bullet als „a dirty song by a dirty band“ an – vielleicht kommt Live einen Tick zu clean daher, um diesem Anspruch gerecht zu werden, wobei andererseits gegen eine sauberere Band auch nichts einzuwenden ist. Und Accept-Anhänger sollten hier unbedingt mal reinhören – sie könnten die eine oder andere Überraschung erleben.



Roland Ludwig

Trackliste

CD 1
1. Uprising (01:39)
2. Storm Of Blades (03:28)
3. Riding High (03:04)
4. Turn It Up Loud (04:46)
5. Dusk Til Dawn (03:51)
6. Dust To Gold (05:19)
7. Rambling Man (02:50)
8. Bang Your Head (05:47)
9. Hammer Down (04:38)

CD 2
1. Speed And Attack (03:09)
2. Ain’t Enough (02:40)
3. Rolling Home (07:17)
4. Heading For The Top (03:18)
5. Stay Wild (03:16)
6. Fuel The Fire (03:25)
7. Highway Love (06:35)
8. The Rebels Return (06:09)
9. Bite The Bullet (04:52)

Besetzung

Hell Hofer (Voc)
Hampus Klang (Git)
Alexander Lyrbo (Git)
Gustav Hector (B)
Gustav Hjortsjö (Dr)
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