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Reviews

Rhett Forrester

Even The Score


Info

Musikrichtung: Hard Rock

VÖ: 16.06.2023 (1988)

(High Roller)

Gesamtspielzeit: 46:46

Internet:

http://www.hrrecords.de

Sonderlich große Erfolge konnte Rhett Forrester mit seinem Solodebüt Gone With The Wind nicht einheimsen: Der Plan, die zunächst nur in Frankreich erschienene Scheibe in den USA via Warner zu veröffentlichen, scheiterte, und so blieb die Verbreitung lange Zeit überschaubar. 1985 machte der Sänger u.a. beim Thrasher-Projekt mit, dem aber auch kein Erfolg beschieden war – der Projektname war denkbar unglücklich gewählt, da in diesem Jahr (wir erinnern uns: Kill ‘Em All und Show No Mercy waren 1983 erschienen) hierunter jeder Thrash erwartet hatte, aber gar kein solcher zu hören war, und so lief auch diese Scheibe auf einem toten Gleis. Der alte Riot-Drummer Sandy Slavin organisierte ein paar Riot-Gigs mit Forrester am Mikrofon, aber Mark Reale und der Vokalist fanden aus geschäftlichen Gründen letztlich kein zweites Mal dauerhaft zueinander, was musikgeschichtlich bedeutsam war, da andernfalls die Meisterwerke Thundersteel und The Privilege Of Power (mit Tony Moore am Mikrofon) wohl nie entstanden wären, zumindest nicht in dieser Form. Die Encyclopedia Metallum behauptet, dass Forresters Soloband, eigentlich Scarface genannt, bisweilen auch komplette Riot-Covergigs unter dem Namen Rhett Forrester’s Riot gespielt habe, aber dieser Weg führte, wie wir wissen, letztlich ins Nichts. Statt dessen gründeten der bereits bei Gone With The Wind involviert gewesene Gitarrist Paul Kayen und Forrester eine Band namens Badlands und begaben sich ins Studio, um deren Debüt namens Even The Score aufzunehmen. Unglücklicherweise hatten der ehemals bei Ozzy Osbourne tätige Gitarrist Jake E. Lee und der Sänger Ray Gillen parallel die gleiche Idee, wie sie ihre neue Band taufen wollten, und so erschien Even The Score letztlich als zweites Soloalbum Rhett Forresters.
Der Titel ist Programm: „I’m coming back to even the score“, verkündet der Vokalist im Titeltrack – die Bilanz auszugleichen gelang ihm aber auch mit diesem Album trotz seiner unbestreitbaren Qualitäten nicht. Klassischer Hardrock war 1988 in den USA in gewisser Weise schon out of fashion – die Härtesten waren längst vom Thrash zum Death Metal gewechselt, die „Poser“ scheffelten mit artverwandten, aber eben nur artverwandten Sounds Millionen, und der gerade durchstartende Sleaze lenkte die Aufmerksamkeit vieler ein weiteres Mal ab. Dabei fällt schon auf, dass sich Forrester und Kayen ein kleines Stück weiter in Richtung Melodic Rock bewegt haben – aber ihre Wurzeln im klassischen Hardrock können sie nicht verleugnen und wollen das auch gar nicht. Mit einem geschickten Marketing hätte man das Material natürlich durchaus pushen können, aber dafür hätte es eines finanzkräftigen Labels bedurft, und ein solches stand abermals nicht parat. Trotzdem gelang es, sogar ein Video zu produzieren, und dafür suchte man sich ausgerechnet „Assume The Position“ aus, einen Song, der schon auf Gone With The Wind gestanden hatte und hier eine geringfügig geschliffenere, aber die Tugenden der Erstfassung trotzdem erhaltende Neueinspielung erfuhr. Kuriosum am Rande: Diese Version hier wird als ausschließlich von Kayen geschrieben deklariert, die vier Jahre ältere war als Alleinkomposition Forresters gekennzeichnet gewesen. Mit „Ready For Love“ ist noch ein zweiter nicht neuer Song dabei, eine Coverversion einer Nummer von Mott The Hoople (vom Album All The Young Dudes), aus der Forrester und Kayen eine hübsche AOR-Halbballade machen. Schon im Opener „You Will Be Mine“ haben sie dieses Territorium gestreift und einige markante Keyboards hinzugefügt, während der danach folgende Titeltrack eher die klassische Hardrockschiene fährt. Mit „I Must Be Crazy“ geben Forrester und Kayen zum Finale der einstigen A-Seite mal etwas mehr Gas, ohne den gehobenen Midtempobereich aber zu verlassen – trotzdem macht der Song enorm viel Hörspaß, zumal Kayen über Teile der Songbasis noch eine verzweifelt heulende Leadgitarre legt, die den Geisteszustand des lyrischen Ichs perfekt in Töne setzt.
Die B-Seite enthält ausschließlich neues Material der beiden Songschmiede, was bedeutet, dass „Burning Heart“ kein Survivor-Cover darstellt – es bedient sich statt dessen aber kurioserweise in der Bridge beim eigenen „Assume The Position“. Die Keyboardfanfaren im Refrain sind so weit in den Hintergrund gemischt, dass man genau hinhören muß, um sie zu erkennen, und der Song selbst verliert seine Knackigkeit nicht. Im Schlußteil wirft der Drummer sogar mal noch die Doppelfußmaschine an – wer es ist, verrät weder der vorliegende Re-Release von High Roller Records, der die Mitwirkenden völlig verschweigt und auch auf den Fotos immer nur entweder Forrester allein oder zusammen mit einem Gitarristen, der offensichtlich Kayen ist, zeigt, noch das Original, wo die gleichen Fotos zu sehen sind, aber man eben auch mit der Personalinformation geizt. Das allwissende Internet behauptet, Co-Produzent Chris Pati habe Baß und Keyboards beigesteuert und zugleich einen Drumcomputer programmiert, so dass der soeben erwähnte Drummer also einer wäre, der sich von Elektrizität ernährt. „Payin‘ The Price“ beginnt mit wabernden Keyboards, mündet aber letztlich doch im klassischen Hardrock, wenngleich mit ungewöhnlicher Rhythmik garniert, jedenfalls fürs Entstehungsjahr 1988 – solche groovigen Drums wurden erst einige Jahre später populärer. Spätestens hier fällt auf, dass Forrester viel öfter als auf dem Vorgänger hohe Schreie einbaut, in diesem Song sogar kurz vor die Falsettgrenze geht. Die Ballade „See You In My Dreams“, mit fünfeinhalb Minuten längster Song der Scheibe, ist gleichfalls ein Eigenwerk, also kein Steelheart-Cover, was auch rein chronologisch gar nicht möglich gewesen wäre. Anklänge an das ein Jahr zuvor erschienene „Is This Love“ (Whitesnake) in den Strophen lassen sich trotzdem nicht verhehlen, und der Refrain erinnert den Rezensenten an noch einen anderen Song, der ihm aber bisher nicht eingefallen ist. „Leading Me On“ kombiniert Elektrik- und Akustikelemente, wirft abermals kurze Keyboardakkorde ein und lagert so wieder nahe am Melodic Rock. „Last Fair Deal Gone Down“ bietet nochmal eher unauffälligen Hardrock mit ganz leichten Melodic-, aber auch ganz leichten Southern-Einflüssen, in dessen Refrain Forrester interessanterweise „going“ statt „gone“ singt. Außerdem greift er hier zur Mundharmonika, was er auf seinen bisherigen Scheiben auch immer irgendwo untergebracht hatte – hier muß man sich zwar bis zum letzten Song und in diesem bis zum Solo gedulden, aber dann bekommt man die Erwartungshaltung doch noch erfüllt.
Letztlich konnte Forrester auch mit Even The Score trotz dessen beschriebenen Qualitäten nicht reüssieren. Es blieb sein letztes reguläres Solowerk – erst posthum erschienen weitere CDs und versammelten einige verstreute Arbeiten. Der Sänger selbst starb 1994 auf tragische Weise, als Diebe sein Auto stehlen wollten, er sich zur Wehr setzte und daraufhin erschossen wurde. Freunde klassischen Hardrocks, die sich eine melodischere Version von Twisted Sister vorstellen können, machen mit seinen beiden Solowerken jedenfalls nichts falsch, und dank des 2023er Re-Releases von High Roller Records kann man sich auch das nicht leicht zu findende Even The Score nunmehr wieder problemlos in die Sammlung stellen. Bonustracks gibt es abermals keine, Liner Notes diesmal auch nicht, lediglich einen Pappschuber, einige Bilder sowie die originalen Thankslisten und einige Angaben zur Produktion, aber eben ohne die Info, wer denn hier nun Keyboards, Baß und Drums gespielt hat. Außerdem gehen die Credits für „Ready For Love“ an einen Ralph Hunter – gemeint ist aber offenbar das Duo Mick Ralphs/Ian Hunter, wobei die gängigen Quellen heute aber behaupten, besagter Song sei eine Alleinkomposition von Ralphs gewesen. Zumindest ist die Covergestaltung deutlich stimmiger als bei Gone With The Wind – dass der einsame Wolf hier ein klein wenig wie David Coverdale aussieht, kann Zufall sein, muß aber nicht (man erinnere sich nochmal an den „Is This Love“-Anklang in „See You In My Dreams“).



Roland Ludwig

Trackliste

1You Will Be Mine4:20
2Even The Score4:59
3Ready For Love4:49
4Assume The Position4:39
5I Must Be Crazy4:05
6Burning Heart4:21
7Payin‘ The Price4:13
8See You In My Dreams5:30
9Leading Me On4:44
10Last Fair Deal Gone Down4:33

Besetzung

Rhett Forrester (Voc, Harp)
Paul Kayen (Git)

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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger