Reviews
The Privilege Of Power
Info
Musikrichtung:
Metal
VÖ: 2015 (28.02.1990) (Metal Blade) Gesamtspielzeit: 57:53 Internet: http://www.metalblade.de http://www.areyoureadytoriot.com |
Der Paukenschlag Thundersteel hatte Riot mit Vehemenz zurück auf die metallische Weltkarte befördert – wie sollte es nach diesem nun aber weitergehen? Diese Frage beantworteten Chefdenker Mark Reale und seine personell im Vergleich zur zweiten Hälfte der Aufnahmesessions des Vorgängers unveränderte Mannschaft (die erste Hälfte hatte bekanntlich noch Mark Edwards eingetrommelt, bevor Bobby Jarzombek fest zur Band stieß) mit einem weiteren Geniestreich: Da Thundersteel kaum übertreffbar schien, wechselten sie abermals den Stil, aber erstens nicht komplett und zweitens auf allerhöchstem Niveau bleibend. Das Ergebnis nannte sich The Privilege Of Power und war weiland das erste Riot-Album, das seinen Weg in den Tonträgerbestand des Damals-Noch-Nicht-Rezensenten fand. Zu solchen Werken baut man bisweilen ja eine besondere Beziehung auf, und in einem noch eher frühen Stadium einer Sammlungsentwicklung, lange vor Zeiten von dauerverfügbaren Streams im Netz, erschallt es naturgemäß auch noch öfter aus den Boxen als späterhin, wo die Tonträgersammlung immer größer und größer wird, was die Abhörfrequenz der Einzelwerke logischerweise verringert.
Doch auch bei größtmöglicher Objektivität haben wir hier abermals ein Meisterwerk vor uns. Man muß sich freilich auf den etwas veränderten Stil einlassen wollen, und dann ist da noch ein weiterer Fakt zu beachten: The Privilege Of Power ist zumindest lose als Konzeptalbum strukturiert, und in den Endachtzigern brachten Myriaden von Metalbands solche Werke heraus, so dass, da Riot schon etwas spät dran waren, zum einen eine gewisse Übersättigung in dieser Richtung bestand, zum anderen hier und da der Vorwurf der Trendanbiederung ins Hirn gesprungen sein könnte – und es gab auch Stimmen, die das Werk als überambitioniert betrachteten, wobei dieses Urteil wiederum mit der Erwartungshaltung zusammenhängt, die mit Thundersteel aufgebaut worden war. Fest steht, dass die Radio- und Fernsehsamples, die die Songs miteinander verbinden, dort, wo sie mit Text versehen sind, diesen in englischer Sprache beinhalten und selbiger soundlich nicht immer leicht verständlich ist, so dass die Kritik an den medialen Machtverhältnissen und der Dauerberieselung, die das völlig Riot-untypisch mal sehr gelungene Coverartwork mit seiner Wand von Fernsehgeräten bereits angedeutet hat, für den Hörer aus anderen Sprachgebieten nicht leicht nachvollziehbar ausfällt. Aber zumindest den chinesischen Nachrichtensprecher, der im Albumintro die offizielle Parteilinie verkündet, kein Mensch sei auf dem Platz des Himmlischen Friedens gestorben, versteht man klar und deutlich, das als erste dieser Snippets auftauchende Motiv aus der Titelmusik von „Das A-Team“ sollte auch so manchem Hörer geläufig sein, und auch andere Ideen kann man durchaus begreifen. Für den, der das nicht tun möchte, bleiben freilich immer noch die zehn Songs als solche zum Begutachten übrig.
Mit „On Your Knees“ machen Riot dabei gleich im Opener deutlich, dass sie einerseits die Tugenden von Thundersteel, also Frische, metallische Power und starke Melodik, weiterhin pflegen wollen, sich auf dem Erreichten aber nicht ausruhen: Man hätte mit allem gerechnet, aber nicht mit Tower Of Power und weiteren Blechbläsern, unter denen Randy Brecker der wohl prominenteste ist, als Gäste auf einem Riot-Album. Und die spielen nicht nur irgendwo ein paar Alibi-Parts, sondern prägen drei Songs ziemlich deutlich, darunter gleich den erwähnten Opener, eine Power-Speed-Granate, die durch die Bläserattacken nochmal eine ganz spezielle Qualität gewinnt. Jahre später wurden solche Stilmittel im Symphonic Metal gängig – anno 1990 aber waren Riot die Pioniere, konnten aber wie schon für ihre Erfindung des melodischen Speed Metal mit dem Narita-Titeltrack auch diesmal nicht die Früchte ihres Erfindungsreichtums ernten, im vorliegenden Fall allerdings nicht selbstverschuldet: Trotz Majordeals und großem Erfolg in Japan blieben Riot in der mittlerweile riesigen Metalszene über weite Strecken Mauerblümchen, obwohl sie diesmal nicht musikstilistisch fehlgriffen wie auf Fire Down Under (ja, auf Fire Down Under – lese in dessen Review nach, wer’s genauer wissen will) und lediglich optisch mal wieder nicht überzeugten, wie weiter unten nachzulesen ist. Mit „Killer“ prägten sie dafür so ganz nebenbei den Funk Metal entscheidend mit, nur ernteten in diesem Fall Mordred und die Red Hot Chili Peppers die Lorbeeren und letztgenannte auch den Reichtum, während Riot, diese Nummer gesanglich mit Tony Moore und Joe Lynn Turner als Duett anlegend und feiste Bläser einbauend, abermals in die Röhre schauten. In „Storming The Gates Of Hell“, dem B-Seiten-Opener, hingegen haben die Bläser nur ein einziges, aus zwei Tönen bestehendes Motiv zu spielen, aber das übt eine derartig starke Wirkung aus, dass der Song, abermals ein exzellenter Powerspeedie, dessen furioses Hauptsolo ein wenig an die Helloween-Großtaten auf dem Keeper-Doppel erinnert, ohne es unvollständig wäre.
Unter den sieben anderen Songs findet sich auch der stärkste nicht nur der Scheibe, sondern vielleicht des ganzen Riot-Schaffens: „Dance Of Death“ präsentiert Bobby Jarzombek als immens drückende Kraft, läßt Tony Moore Melodielinien für die Ewigkeit singen und zeigt natürlich auch die Fähigkeiten Mark Reales im besten Licht, der gar nicht so komplizierte, aber wirkungsvolle Riffs spielt und abermals ein erstklassiges Hauptsolo hervorzaubert. Selten wurden Melodie und Energie so glücklich verbunden wie hier (nicht nur im Riot-Kontext, sondern überhaupt im Metal), obwohl zum apokalyptischen Thema des Textes auch die Gegenrichtung, also ultrafinsterer Doom, gepaßt hätte. Die Hymne „Metal Soldiers“ hätte in einer gerechten Welt gleichberechtigt neben den besten Manowar-Werken dieses Genres (und das sind nicht viele) ihren Platz gefunden, und in einer ebensolchen wären auch „Runaway“ und „Maryanne“ zu Hits geworden, beide die ultramelodische Richtung von „Bloodstreets“ vom Vorgänger perfektionierend und das vorwegnehmend, was etwa Iced Earth einige Jahre später mit „I Died For You“ erschufen – eine erstklassige Symbiose aus Melodic Rock und Melodic Metal, die theoretisch massenkompatibel genug wäre, um damit ein paar Millionen Menschen, die Bon Jovi oder Europe mögen, glücklich zu machen. Aber auch hier klafften, wie sich schon bald herausstellte, Theorie und Praxis weit auseinander, wobei der gemeine Bon-Jovi-Fan allerdings von „Dance Of Death“ oder dem gleichfalls powernden, gelegentlich auch Bassist Don Van Stavern akustisch etwas nach vorn stellenden und einen ungewöhnlichen, abermals weit in die Zukunft weisenden Progmetalpart als Outro auffahrenden „Black Leather And Glittering Steel“ ungeplant eine neue Frisur verpaßt bekommen hätte und vermutlich auch vom das Album abschließenden Al-di-Meola-Cover „Racing With The Devil On A Spanish Highway (Revisited)“ überfordert worden wäre, welchletzterer Fakt freilich auch auf große Teile der regulären metallischen Hörer zugetroffen haben dürfte: Trotz gewohnter hoher Klasse war die Metalwelt für Fusion-Anklänge einfach noch nicht reif, weder in der Richtung des Einbaus solche im Metal (siehe die Bläser) noch in der metallischen Umsetzung von Fusion-Nummern wie hier in dieser Coverversion. Bleibt als zehnter und einziger nicht ganz überzeugender Song „Little Miss Death“, eingeleitet durch Wagners Hochzeitsmarsch als Orgelthema und sich dann in einen relativ flott stampfenden Hardrocksong mit hintergründigen Keyboardflächen verwandelnd, der nicht wirklich schlecht ist und zugleich einen späteren weiteren Stilwechsel Riots andeutet, aber in der hier vorgefundenen Umgebung schlicht und einfach untergeht.
Trotzdem bleibt The Privilege Of Power ganz klar ein Meisterwerk, das zumindest im dem Rezensenten bekannten Teil der Riot-Diskographie mit Thundersteel den Platz an der Sonne teilt. Nur optisch tun sich wieder Abgründe auf. Das betrifft diesmal nicht das Cover – selbiges wurde endlich mal hochklassig gestaltet und paßt wie bereits analysiert auch bestens zum Inhalt des konzeptartigen Albums. Nur erlaubt es keinerlei Hinweise darauf, welche Art von Musik sich denn dahinter verbirgt. Also dreht der Interessent im Laden die Platte um – und sieht eines der fürchterlichsten und unpassendsten Bandfotos aller Zeiten vor sich. Dass dieser unordentliche und modisch geschmackfreie Haufen in der Lage sein soll, hoch-, nein, höchstklassigen Metal mit gleichermaßen Härte wie Gefühl einzuspielen, dürfte sich unter den Nichtkennern der Band wohl kaum jemand vorstellen gekonnt haben, und so mancher wird die Scheibe angewidert wieder zurückgestellt haben, ohne ihr die Chance auf eine akustische Überzeugungsarbeit zu geben. So standen sich Riot zumindest in dieser Hinsicht wieder mal selber im Weg, und The Privilege Of Power, das weiland ungewöhnlicherweise sogar Album des Monats im Metal Hammer 6/1990 wurde, fand nur den Weg in die Plattenschränke mancher metallischer Gourmets, deren Zahl längst nicht groß genug war, um ein Majorlabel wie CBS bei der Stange zu halten, zumal sich kurze Zeit später der allgemeine rockstilistische Trend wendete und Nirvana plötzlich das Maß aller Dinge waren, was die stolzen Traditionslisten Riot abermals zurückwarf. Das sollte heutzutage natürlich kein Hinderungsgrund sein, sich zumindest den vorliegenden Re-Release (wie immer in dieser Metal-Blade-Serie im Digisleeve mit Posterbooklet) ins heimische Regal zu stellen und häufig aus selbigem hervorzuziehen, um die Silberscheibe in den Player zu werfen und sich eine knappe Stunde Metal vom Feinsten zu gönnen. Den argumentativ diesbezüglich bestens passenden Schlußsatz leiht sich der Rezensent bei Matthias Herr, der im dritten Band seiner „Heavy Metal Lexikon“-Reihe folgendes schreibt: „Das abartig geniale kreative Potential der Band wird eigentlich erst auf diesem Album so richtig transparent und erfordert mehrmaliges Hören, um die Klasse annähernd zu begreifen.“
Roland Ludwig
Trackliste
1 | On Your Knees | 6:37 |
2 | Metal Soldiers | 6:40 |
3 | Runaway | 5:11 |
4 | Killer | 4:53 |
5 | Dance Of Death | 7:17 |
6 | Storming The Gates Of Hell | 3:43 |
7 | Maryanne | 4:55 |
8 | Little Miss Death | 4:12 |
9 | Black Leather And Glittering Steel | 7:07 |
10 | Racing With The Devil On A Spanish Highway (Revisited) | 7:17 |
Besetzung
Mark Reale (Git)
Don Van Stavern (B)
Bobby Jarzombek (Dr)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |