Reviews
Geburtstagsalbum; Live Festsaal Kreuzberg
Info
Musikrichtung:
Punk
VÖ: 17.12.2021 (Destiny / Broken Silence) Gesamtspielzeit: 71:50 Internet: http://www.dieskeptiker.com |
Die Skeptiker sind ohne Zweifel eine der stärksten und vor allem musikalischten Punk-Bands Deutschlands. Das gilt vor allem für ihre frühen und für die letzten Jahre. Das spiegelt sich auch in der Setlist dieses Geburtstagkonzertes, das am 21. Dezember 2019 im Festsaal Kreuzberg stattfand. (Der Festsaal Kreuzberg befindet sich übrigens nicht im ehemals West-Berliner Stadtteil Kreuzberg, sondern in Ost-Berlin in Alt-Treptow – allerdings nur wenige Meter hinter (oder vor) der ehemaligen Mauer.)
Von den ersten beiden Alben (1990 und 91) sind jeweils sieben Stücke am Start – von den beiden jüngsten (2013 und 17) jeweils vier. Die vier dazwischen erschienen Scheiben werden entweder gar nicht oder mit nur ein oder zwei Stücken abgespeist. Dazu kommt mit „Unmut“ ein Stück aus der Zeit vor der ersten CD, das 1996 auf einem Album mit Frühwerken erschienen war.
Die Dominanz des 91er Albums Sauerei wird auf der CD noch deutlicher, da hier alle ihre sieben Stücke vertreten sind, während vom Debüt Harte Zeiten drei Stücke nur auf der DVD zu finden sind.
Auf der Bühne standen mit dem eindeutigen Bandkopf Eugen Balanskat und dem Gitarristen Tom Schwoll nur zwei Musiker, die bereits vor der zwischenzeitlichen Auflösung der Band von 2000 bis 2006 zum Line up gehörten. Die anderen drei kamen erst 2011 (Dr), 2017 (Git) und 2018 (B) dazu.
Bereits mit dem ersten Titel, der Schwulen-Hymne „Alright my Boys“, beweisen die fünf neuen Skeptiker, dass sie in der Lage sind, die Frische, die Melodik, aber auch die Aggressivität der frühen 90er 30 Jahre später erneut auf die Bühne zu bringen. Das hatte im Prinzip auch schon das zum Zeitpunkt des Konzertes aktuelle Album Kein Weg zu weit gezeigt, an dem der aktuelle Bassist Jacob Thauer allerdings noch nicht beteiligt war.
Und dann kommt ein Highlight nach dem anderen. Selbst für das, was in diesem Kontext als Filler wirkt, müsste sich der Großteil anderer Bands sehr strecken. Den Punk-Bands fehlt in der Regel das Können, das Gefühl für Melodien und auch das Tiefschürfende der Lyrics; während anspruchsvollere Bands nicht mit der Unmittelbarkeit und Lebendigkeit der Skeptiker konkurrieren können.
Mit der genialen Uptempo-Nummer „JaJaJa“, dem Klassiker „Da wo man singt“ mit dem entlarvenden Wortspiel „Da wo man singt, da lass Dich ruhig nieder. Auf! Nieder! Auf! Nieder!“, „Aufsteh’n“ mit seiner melodischen Schunkel Power, und und und…, brennen die Skeptiker ein Feuerwerk nach dem anderen ab.
Ich könnte zu mindestens jedem zweiten Song eine Jubelarie singen. Dark Punk, Ramones, Marschmusik, Psycho-Sounds, Ska und melodischer Pop gehören zu den Zutaten, aus denen eingängige melodische Punk Highlights geschmiedet werden.
Auch die Texte sprengen den Rahmen der oft eindimensionalen Punk-Lyrics bei Weitem. Balaskat taucht historisch massiv in die zwanziger Jahre ein. Dadaismus, die Weltkriege, vor allem der Erste, fließen als Themen immer wieder ein. Nur gelegentlich verfallen die Punks auch in die Anti-Schweinestaat-, Straßenkampf-Attitüde der west-deutschen Punk-Szene.
Das Äußere bestätigt die Eigenständigkeit der Skeptiker. Eugen Balanskat negiert die Punk-Ästhetik völlig, indem er im weißen Anzug mit roten Applikationen auftritt, den man eher in Las Vegas als in einem Punk-Club vermuten würde. Und seine Ansage, dass sein Maß in zwei Bier pro Auftritt besteht, ist alles andere als Punk.
Stark! Melodisch! Packend! Eigenständig!
Wollen hoffen, dass 35 Jahre Skeptiker und 60 Jahre Eugen Balanskat noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sind.
Trackliste
1 | Intro | 1:49 |
2 | Alright my Boys | 2:13 |
3 | Wochenendgewalt | 2:31 |
4 | JaJaJa | 2:12 |
5 | Da wo man singt | 3:06 |
6 | Aufsteh'n | 3:32 |
7 | Titania | 2:42 |
8 | Ego | 3:08 |
9 | Gas 14/18 | 3:35 |
10 | Dada in Berlin | 2:47 |
11 | Komm tanzen | 2:45 |
12 | Erwartung | 3:21 |
13 | Deutschland halt's Maul | 3:30 |
14 | Hinter den Mauern der Stadt | 4:18 |
15 | Wann oder wie | 3:08 |
16 | Kein Weg zu weit | 2:10 |
17 | Gnadenlos | 2:53 |
18 | Straßenkampf | 2:32 |
19 | Der Rufer in der Wüste schweigt | 5:18 |
20 | Pierre und Luce | 6:31 |
21 | 1918 | 4:43 |
22 | Unmut | 3:05 |
23 | Loser (DVD only) | 2:37 |
24 | Entschuldigung (DVD only) | 4:00 |
25 | Nimm 2 (DVD only) | 4:17 |
26 | Deadmanstown (DVD only) | 1:49 |
27 | Strahlende Zukunft (DVD only) | 3:37 |
28 | Ein Lied geht um die Welt (DVD only) | 3:25 |
Besetzung
Jacob Thauer (B)
Dominik Glöckner (Git)
Tom Schwoll (Git)
Eugen Balanskat (Voc)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |