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Reviews

Skeptiker

Harte Zeiten


Info

Musikrichtung: Punk

VÖ: 1990

(TRL / SPV)

Gesamtspielzeit: 44:44

Der Name allein war eine Provokation. In einer Gesellschaft, deren Selbstverständnis im historischen Materialismus wurzelte, der lehrt, dass sich die Geschichte, wenn möglicherweise auch mit gelegentlichen Rückschlägen, notwendigerweise immerfort zum Höheren und Besseren entwickelt, bis am Ende das Paradies der Werktätigen erreicht ist, war für Skeptiker kein Platz.

Und mit der Zeile „Keiner will Veränderungen aus der etablierten Schicht, doch die hoffnungsvollen Jungen streben auf zum Licht.“ im eröffnenden „Deadmanstown“ machte man sich in den unruhigen Monaten vor dem Zusammenbruch der DDR bei den Funktionären auch keine Freunde.

Dennoch konnten die Skeptiker und einige weitere der so genannten „anderen“ Bands in den letzten Monaten des zerfallenden ostdeutschen Staates Platten veröffentlichen. Unter ihnen Die Anderen, Feeling B, aus denen später Rammstein hervorgingen, Dekadance (auch so ein unpassender Name) Big Savod und und und. Eine Mischung aus Hilflosigkeit der Regierenden, dem Versuch die bewegten Bürger doch noch irgendwie zu integrieren und die genutzte Chance durch diejenigen, die im Apparat und für Veränderung waren. Harte Zeiten ist meiner Meinung nach das beste Album, das in diesem Umfeld erschienen ist, und konnte bereits vor der Wende im Westen als CD veröffentlicht werden.

Die Texte greifen heiße Eisen auf, von der Enge der DDR-Gesellschaft über Homosexualität bis hin zur Atomkraft. Textzeilen wie „Strahlend wird die Zukunft sein, hat man mir erzählt. Gehn wir am Atommüll ein, oder wie ist das gemeint.“ zeigen den Sprachwitz der Band. Inhaltlich wäre dieser Satz 1990 im Westen eine Banalität gewesen, der niemanden hinter dem Ofen hervorgelockt hätte. In der DDR, in der die Fortschrittlichkeit der Atomenergie öffentlich nie in Frage gestellt wurde, war das noch eine massive Provokation.

Texte, die sich mit dem Dritten Reich und der Kunstepoche des Dadaismus beschäftigen, zeigen – auch in den Formulierungen - eine Bildung und Reife, die westlichen Punkbands eher fremd war. Leider sind auch die Skeptiker nach der Wende schnell in den pubertären und oft sehr plakativen Verbalradikalismus der Deutsch-Punk-Bands abgedriftet. Das hebt Harte Zeiten auch aus ihrem eigenen Werk positiv heraus.

Die Reife und das Können, das die Texte prägt, setzt sich auch in der Musik fort. Es ist deutlich Punk. Aber es ist manchmal fast progressiv in seiner Ausprägung. Man höre sich nur das epische „Pierre und Luce“ an. Power und Melodiegefühl sind gleichermaßen vorhanden. Breaks sorgen immer wieder dafür, dass nicht nur zwischen den Stücken, sondern oft auch innerhalb eines Stückes die Abwechslung regiert.

Ein viel zu unbekannter Klassiker!



Norbert von Fransecky

Trackliste

1Deadmanstown 1:44
2Alright my Boys 2:32
3Das goldene Kalb 2:37
4Harte Zeiten 2:35
5O.T. 3:06
6Strahlende Zukunft 2:40
7Anders 2:36
8Dada in Berlin 2:58
9Protest 3:11
10JaJaJa 2:40
11Looser 2:19
121933 3:39
13Schreie 1:59
14Pierre und Luce 2:50
15Meine Zeit 2:57
16Besinnung 2:34
17What can I do 1:49

Besetzung

Marcel Hofer (Dr, Voc)
Andreas Welfle (B, Voc)
Christoph Buntrock (Git, Voc)
Andreas Kupsch (Git, Voc)
Eugen Balanskat (Voc)

Gäste:
Cetin Bakir (Saz <4>)
Richie von Zwillinge & Blechgäng (Sax <9,15>)
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger