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Reviews

Westernhagen

MTV unplugged


Info

Musikrichtung: Deutsch Rock

VÖ: 28.10.2016

(Virgin)

Gesamtspielzeit: 118:54

Erst zwei Mal wurde (Marius Müller-)Westernhagen auf unserer Seite besprochen – und beide Male nicht aus aktuellem Anlass, sondern im Rahmen meiner Kolumne 25 Years after - das letzte Mal mit seinem Live-Debüt Live in der vergangenen Ausgabe. Da passt das aktuelle Live Album, das in der Serie MTV unplugged erschienen ist, natürlich ganz hervorragend.

Den besonderen Anlass des MTV-Konzerts hat Westernhagen genutzt, um auf seine gesamte Karriere zurück zu blicken. Es erscheinen also nicht nur Songs des eher glatt produzierten Westernhagen, wie sich der nun elegant gekleidete Künstler seit Ende der 80er Jahre nennt. Auch einige Must be Songs aus der Zeit, als noch Marius Müller-Westernhagen auf den CDs des in Jeans und Leder gekleideten Musikers stand, sind enthalten und sogar ein Stück von den ersten drei Alben vor dem Durchbruch Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz. Ausgewählt wurde der „Taximann“, der von dem zweiten bei uns bereits besprochenen Album Das erste Mal stammt.

Aber die Songs aus den beiden frühen Phasen sind auf MTV unplugged eher Gäste in der späteren Zeit. Denn die großen Erfolge feiert Westernhagen als Westernhagen und natürlich muss er die Erwartungen des Millionenpublikums erfüllen, das ihn immer wieder an die Spitze der Charts gekauft hat. So kommt es, dass auf diesem Live-Album einige der Höhepunkte schon sehr früh kommen. Die erste CD, die sich in der zweiten Hälfte durch massive Längen auszeichnet, liefert sie auf den Startplätzen 4 und 6 mit dem hier sehr rock’n’rollig angesetzten „Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz“ und dem Affentheater-Song „Es geht mir gut“, der hier ungewöhnlich folkig-bluesig erscheint und mit einem Klasse Boogie Piano garniert wird. Vor allem aber findet der Sänger hier zu der arroganten Lässigkeit in der Stimme zurück, die seine frühe Karriere auszeichnete. Für mich der Überraschungssieger auf dem Album. Auch das tief und schleppend daher kommende „Alphatier“ und das die Gitarren jaulen lassende „Geiler is schon“ haben was.

Die erste CD bietet auch die Bühne für einige Gäste. Dass es Udo Lindenberg ist, der auf „Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz“ trommelt, hätte ohne Ansage wohl kaum jemand bemerkt. Umso stärker bemerkt man zwei weibliche Stimmen, die den Stücken allerdings alles andere als gut tun. Es ist ganz offensichtlich weniger die musikalische Kompetenz, als die familiäre Nähe, die seine Partnerin Lindiwe und seine Tochter Mimi auf die Bühne bringen. Insbesondere Letztere quiekt „Lass uns leben" völlig gegen den Baum.

Jan Plewka, der auf CD 2 auch einmal ans Mikro darf, sorgt dafür, dass der Klassiker „Mit 18“ nicht zu den großen Highlights des Albums zählt. Westernhagen macht seine Sache soweit ganz gut, wirkt aber bereits selber etwas zahmer, als im Original. Plewka wiederum ist viel zu brav und bieder für diese Nummer.

Direkt danach folgt mit dem „Taximann“ der erwähnte Rückgriff in die ganz frühen Jahre und liefert die wohl beste Performance des gesamten Konzertes. Für mich besonders überraschend ist die Reaktion des Publikums bei den ersten Takten. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass dieser alte Song beim aktuellen Publikum so bekannt ist. Westernhagen kommt hier sehr authentisch. Eingebaute Soloimprovisationen, sowohl vom Piano wie von der Gitarre, werten ihn noch einmal deutlich auf. Chapeau!

Ganz das Gegenteil ist „Wieder hier“. Der blasse sentimentale Altherrensong zeigt, wie weit weg von DAMALS Westernhagen heute eigentlich ist. „Gold findet man bekanntlich im Dreck und Straßen sind aus Dreck gebaut,“ verklärt Marius in „Mit 18“ das Leben des Rockers auf Tour. Im Dreck sitzt Westernhagen schon lange nicht mehr – und vielleicht ist das, was er findet, deshalb seitdem eher Lecihtmetall, als Gold. Aber gelegentlich ist auch noch etwas Silber dabei, und das ist ja immerhin auch ein Edelmetall.

Und zum Schluss zwei Stücke, die einfach sein müssen – zum einen das Westenhagen Pendant zu Uriah Heeps „Lady in Black“ oder dem „Wind of Change“ der Scorpions – und wie bei den beiden Stücken, gilt auch bei „Freiheit“. Auch wenn es nicht das ist, warum man den alten Marius Müller-Westernhagen geliebt hat, ist es doch einfach schön.
Und dann verabschiedet er sich mit dem guten alten „Johnny Walker", auch wenn zum Westernhagen Image eher ein edler Rotwein passen würde.



Norbert von Fransecky

Trackliste

CD 1
1 Willst Du tanzen (4:42)
2 Geiler is' schon (2:26)
3 Halt mich noch einmal (7:04)
4 Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz (4:23)
5 Luft um zu atmen (4:05)
6 Es geht mir gut (4:28)
7 Weil ich Dich liebe (3:46)
8 Alphatier (4:36)
9 Liebe um der Freiheit Willen (6:33)
10 Lass uns leben (4:16)
11 Liebeswahn (3:24)
12 Rosen (5:12)
13 Durch Deine Liebe (5:06)

CD 2
1 Willenlos (3:42)
2 Schweigen ist feige (5:05)
3 Nur ein Traum (4:37)
4 Mit 18 (6:00)
5 Taximann (6:45)
6 Heroes (4:43)
7 Lichterloh (5:53)
8 Sexy (7:13)
9 Wieder hier (7:29)
10 Freiheit (3:49)
11 Johnny W. (3:35)

Besetzung

Marius Müller-Westernhagen (Voc, Git, Mundharmonika)
Kevin Bents (Keys)
Jack Daley (B)
Aaron Comess (Dr)
Brad Rice (Git, Mandobro, Mandoline)
Carl Carlton (Git)
Rob Clores (Keys)
Gillian Rivers (Violine, Viola)
Frank Mead (Sax, Flöte, Whistle, Keys)
Billy King (Perc, Back Voc)
Myra Maud (Back Voc)
Nathalie Dorra (Back Voc)
Brian Barnes (Back Voc)
Lothar Attwell (Back Voc)
Madeleine Lang (Back Voc)

Gäste:
Lindiwe Suttle (Voc <1-5>)
Mimi Müller-Westernhagen (Voc <1-10>)
Elen (Voc <1-13>)
Udo Lindenberg (Dr <1-4>
Jan Plewka (Voc <2-4>)
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