Beethoven, L. v. (Minasi)
Klavierkonzerte Nr. 4 und 6
EIN BEETHOVEN DER SICH GEWASCHEN HAT
Wer sich mit bzw. auf das Ensemble Resonanz einlässt, zumal wenn dieses unter der Leitung von Riccardo Minasi spielt, kann sich immer auf etwas gefasst machen. In diesem Falle auf einen Beethoven, der sich gewaschen hat. Und das nach all dem Jubiläums-Zirkus im Beethoven-Jahr 2020. Hier aber begegnet uns der Meister mit zwei Orchesterwerken einmal nicht vom Ende her gedacht, vom heroischen Schicksalsbezwinger und Komponisten der legendären 9. Sinfonie. Gerade diese Denke lastet oft bleischwer auf den Klavierkonzerten, die daher gerne in purer Größe erstarren und dabei nicht selten mit pompöser Wucht präsentiert werden.
Dass es auch ganz anders tönen kann, erweist sich in dieser Deutung mit Gianluca Cascioli am - man höre und staune - modernen Flügel. Sein Klavierpart orientiert sich mit philologischer Akribie an den entzifferten Notizen, die Beethoven selbst auf einer der Abschriften als Varianten vermerkt hat. In dieser Rekonstruktion erscheint das vielgespielte Werk auf einmal deutlich feinziselierter, vielgestaltiger, sprechender und theatralischer. Hierzu trägt auch das bewusst agogische Musizieren von Solist und Ensemble bei. Immer wieder werden zudem einzelne Instrumente aus dem Orchesterpart herausgehoben und dem Klavier gleichsam gegenübergestellt. Das mag man sophisticated oder expressiv nennen, vielleicht auch manieristisch; maniriert wird es gleichwohl nie. Und langweilig erst recht nicht. Es ist aber auch weit entfernt von lärmigem Revoluzzertum. Minasi erweist sich mit dem Orchester und dem Solisten vielmehr als einer, der würdig auf Harnoncourts Spuren wandelt, in der Wahl des Isntrumentariums wie auch der Tempi und dynamischen Abstufungen immer auf der Suche nach der überzeugenden Balance und dem idiomatischen Ausdruck, nicht nach einem historisch korrekten Ergebnis.
Das Resultat dieser Suche überzeugt im Klavierkonzert Nr. 4 ebenso wie in der Nr. 6, einer von Beethoven selbst erstellten Transkription seines Violinkonzerts. Dieses ist hier weniger von den großen Bögen und elegisch weitem Ausschwingen gekennzeichnet, sondern von thematischen Zellen, die personengleich zu interagieren scheinen in einer bisweilen kurz unterbrochenen, dennoch aber stetig fließenden und fluktuierenden Bewegung.
Eine großartige Gelegenheit, den "alten" Beethoven neu zu erleben: Mal beinahe impressionistisch, mal exzentrisch, fast immer mit musikalischem Humor. Zum Hörvergnügen trägt das ungemein plastische Klangbild bei, in welchem der Klaviersound 3D-Qualität im Raum annimmt. Auch Tontechnik kann große Kunst sein!
Sven Kerkhoff
Trackliste |
Klavierkonzert N.r 4 Op. 58 G-Dur
(Manuskript A 82 b, 1808, Wiener Musikverein)
I. Allegro moderato 17'25
II. Andante con moto 5'29
III. Rondo. Vivace 10'47
Klavierkonzert Nr 6 Op. 61a D-Dur
(Beethovens eigene Transkription des Violinkonzerts, Op. 61)
I. Allegro ma non troppo 24'55
II. Larghetto 9'33
III. Rondo 9'58 |
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Besetzung |
Gianluca Cascioli: Klavier
Ensemble Resonanz
Riccardo Minasi: Ltg.
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