Beethoven, L. v. / Doppler, F. / Kuhlau, F. (Besson/Pashchenko)
Variations on Folks Song
UNVERMUTET
Es gibt sie noch, diese Alben, bei denen man nach Titel, Cover und Programm allenfalls so etwas wie „gepflegte Unterhaltung“ erwartet und dann auf einmal hinterrücks überrascht wird. So bei dieser CD, auf der die Flötistin Anna Besson und die Pianistin Olga Pashchenko „Variations on Folk Songs“ vorstellen. Es geht also um volkstümliche Melodien, die im Zeitalter der Romantik entweder direkt zur Grundlage für mehr oder minder kunstvolle Variationen für Flöte und Klavier wurden oder zumindest in entsprechende Fantasien o.ä. einflossen.
Beethoven etwa betrieb, da diese Stücke auch bei talentierten Laienmusikern beliebt und von Verlegern daher gefragt waren, hierzu nicht zuletzt aus pekuniären Gründen fast eine Art Massenproduktion. Daraus präsentieren die beiden jungen Musikerinnen sechs Stücke. Spannender noch sind aber die Raritäten, die sie daneben ausgegraben haben: Da gibt es Dopplers sehnsüchtig-schwärmerische und exotische Fantasie über ungarische Hirtenweisen, mit ihrem zauberhaften veträumtem Eingangssatz, sowie seine Walachischen Weisen. Außerdem Kuhlaus nordisch-elegische Variationen über ein altes schwedisches Lied und Walckiers höchst modern und avantgardistisch anmutendes Rondo auvergnat (auch hier steht ein flötespielender Hirte aus der Auvergne gedanklich Pate).
Das Spektrum von Ausdruck, Farbe und Mittel ist trotz der programmatischen Engführung erstaunlich breit. Und es wird von Besson und Pashchenko voll ausgereizt. Beide scheuen sich nicht davor, das volkstümliche Kolorit zu betonen, mal sanglich, mal zupackend, mal schmeichelnd, mal widerständig zu musizieren und vor allem einer romantischen Überfrachtung dadurch vorzubeugen, dass sie immer wieder eine gute Prise Humor beimengen. Das wirkt alles nicht ausgestellt oder plakativ, sondern ungeachtet der Virtuosität höchst natürlich. Dazu trägt die Wahl der historischen Instrumente ganz wesentlich bei. Vor allem Bessons Entscheidung für die im Ton eher fragile, manchmal auch ein wenig rauhe Klappenflöte aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erweist sich als Glücksgriff, wird dadurch doch ein Überstrahlen des Flötentons vermieden und zugleich ein differenzierteres Ausdrucksspektrum eröffnet. Das Fortepiano (Graf, 1825) avanciert damit außerdem zum gleich starken Partner, der hier auch einmal ungewohnte Soundeffekte bis hin zum geisterhaften Klang produzieren darf.
Die 71 Minuten Spielzeit werden so zu einer echten und durchweg spannenden Entdeckungsreise.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
1-3 Franz Doppler - Fantaisie pastorale hongroise, Op. 26
4-5 Ludwig van Beethoven - 6 National Airs with Variations, Op. 105
6 Friedrich Kuhlau - Grande Sonate pour pianoforte et flûte obligée, Op. 83 No. 1: II. Variations sur un ancien air suédois
7-10 Ludwig van Beethoven - 10 National Airs with Variations, Op. 107
11 Eugène Walckiers - Délassements du flûtiste, Op. 47: IV. Rondo auvergnat
12-14 Franz Doppler - Airs valaques, Op. 10
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Besetzung |
Anna Besson: Flöte
Olga Pashchenko: Fortepiano
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