Beethoven, L. v. (Hemsing)
Violinsonaten Nr. 8 & 9
WAS FÜR EIN JAHR
Was für ein Jahr, was für eine Polarität - nein, es ist nicht die Rede vom Corona-Jahr 2020, sondern vom Jahr 1802, in dem Ludwig van Beehoven hin und hergeworfen wurde zwischen der Hoffnung auf Heilung von seiner zur Ertaubung führenden Krankheit und der definitiven Einsicht, dass es solche Heilung nicht geben würde. Sein Heiligenstädter Testament legt in sprachlicher Größe Zeugnis ab von dieser existenziellen Erfahrung und von Beethovens heroischem Entschluss, dem unabwendbaren Schicksal sein "Trotzdem" entgegen zu schleudern.
Doch es gibt eben auch ein musikalisches Zeugnis: Es setzt sich zusammen aus dem ungleichen Geschwisterpaar der Violinsonaten Nr. 8 und 9. Die heitere, volkstümliche Sonate Nr. 8 scheint unmöglich vom gleichen Komponisten stammen zu können wie die weit ausladende, revolutionär anmutende Kreutzer-Sonate Nr. 9. Wegen des krassen Kontrastes hört man die Werke selten gemeinsam. Dass es sich lohnt, sie einander aber genau in ihrer Unterschiedlichkeit gegenüber zu stellen, beweist diese SACD (hybrid). Bei wahrhaft audiophilem, plastischem und weiträumigem Klangbild erweist sich der Ansatz der beiden norwegischen Interpreten als eine Art Mittelweg im Vergleich zu anderen Einspielungen.
In der Sonate Nr. 8 musizieren Ragnhild Hemsing und Tor Espen Aspaas herzhaft-zupackend, mit unbeschwerter Frische, wobei Hemsing - die das Volkstümliche als (auch) Hadangerfidelspielerin ohnehin nicht scheut - ihren Ton bisweilen musikantisch würzt.
Anders in der Kreutzersonate. Hier ist in den ersten beiden Sätzen ihr Ansatz teils eher grüblerisch verschattet, suchend, tastend, bis sich im Schlusssatz die Energie des Trotzes Bahn bricht. Durch die tontechnische Staffelung, aber auch durch die selbstauferlegte Zurückhaltung tritt Aspaas Klavierspiel dabei ein Stück zurück, wirkt klanglich zudem abgedämpft. Dies mag ungewohnt erscheinen, kommt dem Gleichgewicht der Stimmen aber sehr entgegen, die bei Einsatz eines modernen Flügels anders kaum zu erreichen ist. Auf diese Weise rundet sich der Gesamteindruck, heftigste geräuschafte Ausbrüche wie etwa bei Faust/Melnikov (hm 2009) bleiben aus. Ob man den modernen Flügel bevorzugt oder eben nicht konsquenterweise ein historisches Tasteninstrument vorziehen möchte (vgl. etwa Mullova/Bezuidenhout, Onyx 2009), bleibt gleichwohl wie stets Geschmacksfrage.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
Sonate Nr. 8
1 Allegro assai 06:40
2 Tempo di Minuetto 08:08
3 Allegro vivace 03:50
Sonate Nr. 9 "Kreutzer"
4 Adagio sostenuto - Presto 14:42
5 Andante con Variazioni 16:41
6 Presto 09:26
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Besetzung |
Ragnhild Hemsing: Violine
Tor Espen Aspaas: Klavier
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