Bonfire & Friends: Gute Idee, anscheinend wenig erfolgreich – schade
Die Tour wurde bereits im Februar 2018 angekündigt und hat sich für mich sehr interessant angehört. Ein Abend mit Rocklegenden, die man bei uns eher selten zu sehen kommt, zusammen mit Bonfire, die dann zusammen ihre besten Hits präsentieren. Ich habe mir gleich in der ersten Woche ein sogenanntes „Early Bird Ticket“ besorgt, in der Woche darauf waren die Karten dann schon 10 Euro teurer. Umso erstaunter war ich, als kurz nach Beginn der Tour bekannt gegeben wurde, dass Joe Lynn Turner (Ex-Rainbow / Deep Purple) und Phil Mogg (UFO) bereits wieder ausgestiegen waren. Was soll das denn bitteschön? Unterschiedliche Statements von Bonfire und Turner waren zu lesen Fakt ist: Irgendwo hat es gehakt und er war weg. Schade, denn gerade auf Turner habe ich mich sehr gefreut. Als wir an der Saturn-Arena eintreffen, ist die Überraschung groß: Wir sind zwar pünktlich zum Einlass da, aber der Parkplatz ist fast komplett leer. Genauso sieht es dann auch drinnen: In der Halle mit 6200 Plätzen sind vielleicht gerade mal 2000 Leute da – was sich auch im Laufe des Abends nicht mehr ändern sollte. Die Vorband, deren Namen ich nicht mitbekommen habe hätte man sich getrost sparen können. Die musikalischen Eigenkompositionen sind sicher nicht schlecht, aber viel zu belang- und einfallslos, um überhaupt irgendeinen Eindruck zu hinterlassen. Am Merchandising-Stand bin ich schon recht platt: Die Tourshirts bekommt man für 10 Euro hinterher geworfen – was ist hier los? Ich spreche mit einigen Bekannten aus der Autogrammszene in der Halle, die mir versichern, dass dies der letzte Abend der Tour sein wird. Es wurden insgesamt sehr wenig Karten verkauft, die Show in Paderborn am Vortag wurde sogar komplett abgesagt. Das Konzert beginnt mit etwas Verspätung und eine Art Marktschreier – der sich nicht vorstellt, und von Bonfire auch leider nicht daran gehindert wird – kündigt die jeweiligen Künstler an. Dabei wechselt er ständig zwischen Deutsch und Englisch, was komisch und lächerlich zugleich wirkt. Ich nenne ihn ab jetzt „Ferdi den Zauberer“ und wünsche mir im Laufe des Abends mehrfach, dass ihn jemand von der Bühne prügelt. Von ihm wird noch später die Rede sein. Bonfire beginnen mit tollem Sound und dem Klassiker „Ready 4 Reaction“. Für mich definitiv einer der besten Songs der Ingolstädter! Das nachfolgende „Sweet Obsession“ kommt ebenfalls bockstark aus den Boxen, genauso kann’s weitergehen! Das eher unbekannte Rainbow-Stück „Black Masquerade“ gefällt mir ausgezeichnet, hier brilliert Keyboarder Paul Morris, der bei dem dazugehörigen Album Stranger In Us All auch beteiligt war. Er begleitet die meisten Stücke mit dem Keyboard und zaubert je nach Bedarf auch derbste Hammond-Klänge aus seinem Instrument. Bonfire fungieren bei allen Songs als Begleitband und legen sich mächtig ins Zeug. Trotzdem ist irgendwie der Wurm drin. Ich habe den Eindruck, dass die Musiker zutiefst gefrustet sind über den Verlauf und die Resonanz der Tour. Was mir auch auffällt: Die aktuellen Musiker von Bonfire sind sehr gut, keine Frage. Alexx Stahl ist gesanglich mit Sicherheit auch um Längen besser als Claus Lessmann. Im Vergleich zu Bonfire mit Claus Lessmann, die ich 2014 in Pyras gesehen habe, zieht die aktuelle Besetzung jedoch den Kürzeren. Die haben damals ein Feuerwerk allererster Güteklasse abgefackelt und für wahre Gänsehautatmosphäre gesorgt – und das am Nachmittag! Und heute wird irgendwie mit angezogener Handbremse agiert… House-Of-Lords-Sänger James Christian legt bei seinen zwei Songs eine phantastische Leistung aufs Parkett und kommt beim Publikum sehr gut an. Gesundheitlich scheint er jedoch einige Probleme zu haben. Zu der Autogrammsession nach dem Auftritt kommt er mit einem Gehstock. Puhdys-Sänger Dieter „Quaster“ Hertrampf kommt auf den ersten Blick etwas verbraucht rüber, wischt diesen Eindruck jedoch sofort beiseite, als er zu singen beginnt. Seine Stimme besitzt noch immer eine gehörige Portion Rotz und Rock n Roll, das Ganze hört sich verdammt gut an. Mir gefallen die Stücke, die Texte stehen für sich und sind zeitlos. Die Stimmung beim teils recht hüftsteifen Publikum wird langsam besser, eine Steigerung weiß „Ferdi der Zauberer“ jedoch gekonnt zu verhindern. Anstatt Song auf Song folgen zu lassen und vielleicht musikalisch mit den Riffs der bekanntesten Stücke auf den nächsten Künstler hinzuweisen, erzählt er möglichst langweilig Details aus deren jeweiligen musikalischen Werdegängen. Ein weiterer Stimmungskiller sind die Freunde und Bekannten von Bonfire, die sich auf den beiden Bühnenseiten aufhalten. Man sieht wie sie sich unterhalten, lachen, blödeln und teilweise gar nicht dem Konzert folgen. Ein Kameramann mit weißem Pullover und dem Aussehen eines Informatik-Studenten im ersten Semester stolziert auch noch über die Bühne und stört permanent. Es ist fast nicht zu Aushalten… Robin Beck ist für mich die Überraschung des Abends. Sie ist mit Sicherheit die kleinste Musikerin auf der Bühne – aber nach ihren drei Songs eindeutig die Größte! Die Gattin von James Christian sieht mit ihren 64 Jahren immer noch blendend aus, bewegt sich auf der Bühne mit sehr viel Elan und singt, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Frau hat immer noch ordentlich Power in ihrer Stimme. Dabei kommt sie sympathisch rüber, singt einen Song auf Deutsch ohne Begleitung und schenkt einem Jungen in den ersten Reihen eine Cola-Flasche, die sie vorher signiert hat. Klasse! Bonfire erinnern dann mit „Man On The Silver Mountain“ und „Child In Time“ an Ritchie Blackmore, Ronnie James Dio und Co. Bei „Child In Time“ liefert Alexx Stahl sein Meisterstück ab. Er bringt selbst die höchsten Töne astrein rüber und sorgt so für offene Münder im Publikum. Johnny Gioeli, der bei Hardline und Axel Rudi Pell den Sängerposten innehat, kommt auf die Bühne gerannt und reißt das Publikum von Beginn an mit. Der hyperaktive Ami und Ausnahmesänger kann einfach nicht anders, als sich ständig zu bewegen und Vollgas zu geben. Die beiden Stücke vom Hardline-Kultalbum Double Eclipse sind zwar Vielen nicht so bekannt, kommen aber trotzdem hervorragend an. Jetzt wird die Stimmung besser, das ist spürbar. Nun macht die Band den entscheidenden Fehler und legt mit einer Coverversion von Leonhard Cohens „Hallelujah“ nach. Klar, der Gioeli singt das toll, aber hier hätte man mit einem weiteren Kracher – eventuell „Nasty Reputation“ oder „Carousel“ von Axel Rudi Pell – nachlegen müssen. So gerät das Ganze zur kollektiven Pinkelpause. Auch der nächste Sänger hat Hummeln im Hintern und schafft es spielend, das Publikum zu begeistern – Grave Diggers Chris Boltendahl! Der fackelt nicht lange und gibt wie bei seiner Stammband auch Vollgas. Beide Stücke werden von ihm hervorragend gesungen, wobei er ständig versucht, das Publikum zu animieren. Er meistert seinen Part mit Bravour, wegen mir hätte er auch gerne noch mehr Songs bringen können. Hier könnten die beiden Gitarristen Frank Pane und Hans Ziller ihre Gitarren ruhig noch aggressiver wummern lassen! Ex-Toto-Sänger Bobby Kimball ist für mich ganz klar die Enttäuschung des Abends. Er labert ewig herum, zeigt seltsame Posen und zählt auf, welche Preise (Grammy usw.) er mit Toto gewonnen hat. Stimmlich zeigt er wirklich keine Meisterleistung und kackt bei allen drei Stücken ziemlich ab. Alexx Stahl unterstützt ihn beim Gesang und versucht, das Beste herauszuholen, aber auch er kann hier fast nix mehr retten. Die Hardrock-Ausrichtung der Toto-Stücke klingt darüber hinaus noch ziemlich seltsam. Die Finesse und vor allem der tänzelnde Groove wird mit bratpfannenähnlichen Gitarren und dem alles zukleisternden Schlagzeug geradezu dahingerafft. Hier sind viele Zuschauer froh, als Kimball die Bühne wieder verlässt. Zum Glück folgt ihn mit Ex-Queensryche-Sänger Geoff Tate ein wahrer Meister seines Fachs, der nichts von seinem Handwerk verlernt hat. Hier stimmt einfach alles. Bonfire und Tate harmonieren bestens und lassen die Queensryche-Stücke in einer ordentlichen Hardrock-Variante bombastisch gut klingen. Tate hat immer noch eine Ausstrahlung mit Gänsehautfaktor und einen beeindruckenden Stimmumfang. „Silent Lucidity“ ist ganz großes Kino, das abschließende „Eyes Of A Stranger“ beendet einen mit drei Stücken viel zu kurzen Auftritt. Das Licht wird wieder heller gemacht, die Stimmung rausgenommen und „Ferdi der Zauberer“, eingewickelt in eine USA-Fahne fragt das Publikum, wer jetzt wohl auf die Bühne kommt. Donald Trump? George W. Bush? Ronald McDonald? Nein, es ist natürlich Dave Bickler von Survivor. 2014 hätte eine gemeinsame Tour zusammen mit Survivor, Jimi Jamison und Dave Bickler stattgefunden, für die ich in Köln schon Karten in Aussicht hatte. Leider musste die Tour aufgrund des überraschenden Todes von Jimi Jamison abgesagt werden. Umso schöner, dass man Dave Bickler nun in diesem Rahmen zumindest noch einmal live zu Gesicht bekommt! Die Stücke von Survivor werden von Bonfire mit viel Energie und Spielfreude präsentiert. Dave Bickler singt stark, wirkt jedoch auf der Bühne nicht wie der klassische Entertainer. Man merkt ihm an, dass er im Gegensatz zu seinen meisten Kollegen an diesem Abend eher selten auf der Bühne steht und hier doch ein klein wenig unsicher ist. Spätestens heute wird klar, warum er bei Survivor von Jamison ersetzt wurde. Trotzdem: Guter Auftritt, der positiv im Gedächtnis bleiben wird. Danach kommen alle „Freunde“ noch einmal zurück auf die Bühne und singen zusammen den Bonfire-Klassiker „American Nights“. Anscheinend haben nicht alle Lust auf diese Aktion, Chris Boltendahl ist zumindest nicht mit von der Partie. Alexx Stahl stellt alle Musiker vor, es gibt ordentlich Applaus vom Ingolstädter Publikum. Eine Zugabe gibt es nicht mehr, nach fast drei Stunden geht dies jedoch in Ordnung. Einige Bonfire-Mitglieder und Gastmusiker lassen sich noch für Autogramme und Fotos am Merchandising-Stand sehen, von Organisator und letzten verbliebenen Ur-Mitglied Hans Ziller jedoch keine Spur. Am nächsten Tag ist auf der Homepage zu lesen, dass Ziller das Burnout-Syndrom hat und die Tour aufgrund dessen komplett abgesagt wird. Das mag der eine Grund sein – der andere liegt mit Sicherheit auch an den schlechten bis sehr schlechten Ticketverkäufen. Mir tut die Band und insbesondere Hans Ziller leid. Die Idee der „Bonfire & Friends“-Tour hat mir sehr gut gefallen und das Ganze hätte natürlich auch funktionieren können. Hat es leider nicht – welche Gründe letztlich ausschlaggebend waren, wird sicherlich bandintern diskutiert und besprochen. Ich wünsche Hans Ziller eine gute Besserung und hoffe, dass er gesundheitlich bald wieder auf die Beine kommt! Für die Band Bonfire würde es mich freuen, wenn sie sich von der Tour nicht den Mut nehmen lassen und trotzdem weiter ihre Musik machen. Dann vielleicht wieder in etwas kleineren Hallen… Setlist: 1. Ready 4 Reaction 2. Sweet Obsession 3. Black Masquerade 4. I Wanna Be Loved 5. Love Don't Lie 6. Frei wie die Geier 7. Erinnerung 8. Alt wie ein Baum 9. Save Up All Your Tears 10. Tears in the Rain 11. First Time 12. Man on the Silver Mountain 13. Child in Time 14. Dr. Love 15. Hot Cherie 16. Hallelujah 17. Rebellion 18. Heavy Metal Breakdown 19. Hold the Line 20. Rosanna 21. Africa 22. Jet City Woman 23. Silent Lucidity 24. Eyes of a Stranger 25. Caught in the Game 26. Burning Heart 27. Eye of the Tiger 28. American Nights Stefan Graßl |
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