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„Musizieren im Alter“ mit Dritte Wahl
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Es gibt so Tage die sich ins geschichtliche Gedächtnis gebrannt haben, bei denen man immer wieder die Frage „Weißt Du noch, was Du damals getan hast, als es geschah?“ gestellt bekommt. Der 9. November 1989 oder der 11. September 2001 sind solche Tage. Ob der 13. November 2015 - zudem auch noch ein „Freitag, der 13.“ - auch einmal in diese Reihe gehört? Dazu sind die Geschehnisse noch zu frisch. Doch unser Redakteur weiß noch genau, wo er war. Während in Paris die Hölle losbrach, gaben die Rostocker Punkrocker Dritte Wahl ein Konzert in Augsburg. Und Mario berichtet davon:
Dritte Wahl waren bereits zum dritten Mal in der Augsburger Kantine zu Gast. Das passt ja. Dieses Mal stand die Tour unter dem Banner Geblitzdingst. Und das Bühnenbild war dementsprechend hergerichtet - inkl. zweier übergroßen „Geblitztdingern“. Das, die ansprechende Lichtshow und als Gunnar und Stefan sich zum Anfang auf zwei „Ego-Pusher“ stellten und sich von unten anstrahlen ließen, hatte schon was von Stadionshow. Doch wir befanden uns immer noch im gemütlich Flammensaal, in dem passenderweise heute nur Flaschenbier ausgeschenkt wurde.
Doch irgendwie schien das Augsburger Publikum noch nicht bereit für Punkrock am Freitagabend. Denn die ersten paar Meter vor der Bühne blieben frei. Lediglich ein paar ganz Unerschrockene pogten sich warm. An der Band lag es nicht. Die spielte tight wie immer ihre Songs. Was im Laufe des Abends auffiel, war dass sich die Herren immer mehr zu feinen Musikern gemausert haben. Gerade wenn sie alte Songs anstimmen, spielen sie diese mit einer Mischung aus Wucht und Geschmeidigkeit die gefällt. Apropos Band: heute war etwas anders. Der übliche vierte Mann im Hintergrund blieb an diesem Abend aufgrund eines Trauerfalls zu Hause. Dafür sprang ihr Soundmann an der zweiten Gitarre und dem Keyboard ein. Das fiel gar nicht wirklich auf. Kompliment für so viel Improvisationsgabe!
Brandneues wechselte sich mit alten Schoten ab. Dazwischen gab es ein paar sympathische Ansagen, bei der sich Gunnar immer wieder über sich selbst lustig machte. Ich sage nur „Musizieren im Alter“ oder „die Scorpions des Punkrock“. Mit der Zeit tauten die ziemlich gemischten Fans glücklicherweise auf. „Sklave“ war so etwas wie ein Wendepunkt. Beim wilden „Bad K.“ schlug die leichte Lethargie (bzw. das zurückhaltende Beobachten) endgültig in Euphorie um und spätestens als Dritte Wahl „Zeit bleib stehen“ anstimmten, lagen sich alle in den Armen und der Pulk vor der Bühne hatte sich in eine wild pogende Masse verwandelt. Immer wieder schön zu sehen, wie die Rostocker die Leute mitreißen können mit ihren direkten und liebenswert ehrlichen Liedern. Das Programm war auch toll gemischt und harte und melodiöse sowie wilde und zurückhaltende Töne wechselten sich ab.
Als Ende des regulären Sets (wobei wir ja alle wissen, dass Zugaben auch „regulär“ sind…) hatte man „Fliegen“ von Gib Acht! auserkoren. Wahnsinn, zu welcher Hymne sich der Song mittlerweile gemausert hat. Der Refrain wurde noch minutenlang nach Verklingen des letzten Akkords begeistert und laut mitgesungen. Kein Wunder, dass Dritte Wahl nochmals auf die Bühne kamen - sogar zweimal. Als nach rund 100 Minuten der Sack mit der Bandhymne „Dritte Wahl“ zugemacht wurde, endete ein wirklich starkes Konzert.
Bitte bald wieder in der Fuggerstadt vorbei schauen!
Setlist Dritte Wahl:
Geblitzdingst
Du fremde Heimat
Der Spiegel
Warum
Der Schatten
Auge um Auge
Stillstehen
Sklave
Zu wahr um schön zu sein
Bad K.
Sirenen
Dummheit kann man nicht verbieten
Halt mich fest
Immer auf der Reise
Zeit bleib stehen
Greif ein
Fliegen
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Störung
Sonne & Meer
Was weiß ich schon von der Liebe
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Und jetzt?
Wo ist mein Preis
Dritte Wahl
Ach ja, eine lokale Vorband gab es an diesem Abend auch. Herrengedeck Royal nannten sich diese drei Herren. Trotz verschwitzen, freien Oberkörpern und Tattoos sahen sie eher nach braven Studenten, als noch wilden Punkrockern aus. Passend zum Namen drehten sich ihre Songs auch zum Großteil ums Saufen. Da sie immer wieder mal ein paar Schlagertöne (natürlich auf ironische Art und Weise) in ihre Stücke einbauten, kam sogar etwas Stimmung auf. Ansonsten wirkte das Ganze etwas holprig und nicht wirklich spektakulär. Höflichkeitsapplaus gab‘s nach der halben Stunde vom freundlichen Augsburger Publikum trotzdem.
Mario Karl
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