Nach wie vor ein Zuschauermagnet: Deep Purple live mit den Rival Sons in Nürnberg
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Manchmal sind die ungeplanten Dinge im Leben die schönsten. Am Donnerstagabend erhalte ich von meinem Kumpel aus Nürnberg eine SMS mit der Frage, ob ich am Samstag schon etwas vorhabe. Ich verneine dies und möchte wissen, was er da macht. Tja, er hat bei Radio Gong zwei VIP-Tickets für Deep Purple in der Arena in Nürnberg gewonnen. Ich überlege hier nicht lange und sage gerne zu. Deep Purple sind nach wie vor ein Zuschauermagnet, auch heute Abend ist das Konzert sehr gut besucht. Die Band zieht erfreulicherweise nicht nur ältere Fans - auch die Kinder so mancher Alt-Fans sind im Publikum vertreten. Die VIP-Loge ist von Radio-Gong absolut mustergültig organisiert. Es gibt tolles Essen, Getränke und sämtliche Mitarbeiter des Senders sind überaus freundlich und machen die Sache mit der Loge zu einem richtig schönen Ereignis. Gewinnen konnte man die Tickets nur, wenn man Textpassagen von Deep Purple richtig erkannt hat. An sich nicht schwer dürfte man meinen. Das wird es aber, wenn die Textpassagen auf deutsch und dann auch noch mit fränkischem Dialekt vorgetragen werden…
Als Vorband wurde die amerikanische Band RIVAL SONS verpflichtet, die ich mir schon lange einmal live anschauen wollte, es bis jetzt aber noch nicht geklappt hat. Etliche Gewinner der VIP-Tickets bleiben in der Loge. Wir gehen in den Innenbereich, da hier der Sound besser ist und man einfach näher an den Musikern dran ist. Die Rival Sons haben von Deep Purple einen tollen Sound bekommen, auch deren Lichtanlage wird zum Teil genutzt. Die Band beginnt richtig wuchtig mit „Electric Man“. Sänger Jay Buchanan braucht keinen Anlauf, seine Stimme sitzt vom ersten Ton an. Das beeindruckt. Er klingt wie eine Mischung aus Chris Robinson und Robert Plant und röhrt dabei amtlich. Bei den ruhigeren Songs setzt er seine Stimme dagegen wieder sehr variabel und gefühlvoll ein. Für einen tollen Background-Gesang sorgt der solide Bassist Dave Beste. Gitarrist Scott Holiday bringt mit einem tollen Vintage-Gitarrensound und einer brachialen Gibson Thunderbird echten Schwung in die Bude. Mir gefällt es immer, wenn ein Gitarrist verschiedene Gitarren verwendet und man dann auch Unterschiede im Sound feststellen kann. Dies ist heute definitiv der Fall!
Schlagzeuger Mike Miley darf dann noch ein kurzes, aber überflüssiges Drum-Solo beisteuern. Prinzipiell finde ich so etwas bei einer Vorband immer deplaziert. Aber er kann definitiv was! Der Sound wird komplettiert durch den Tour-Keyboarder Todd E. Ögren-Brooks, der mit einem wabernden Hammond-Sound und ZZ Top-Bart ausgestattet ist. Der Auftritt fliegt nur so dahin und ist gefühlsmäßig sehr schnell vorbei. Das Nürnberger Publikum honoriert die tolle Leistung mit viel Beifall. Ich fand die Band sehr gut, vor allem die abwechslungsreichen Songs, die von rockig bis balladesk eine sehr große Bandbreite abdecken, haben mir sehr gut gefallen.
Setlist Rival Sons:
Electric Man
Secret
Tell Me Something
Torture
Where I've Been
Open My Eyes
Drum Solo
Keep On Swinging
Nach einer halben Stunde Pause geht das Licht wieder aus und die alten Haudegen von DEEP PURPLE kommen einer nach dem anderen auf die Bühne. Der Auftritt beginnt mit dem obligatorischen „Highway Star“. Ian Gillan singt hier ganz passabel, der Song wird mit tollen Hintergrundeinspielungen untermalt. Links und rechts der Bühne sind sehr große Leinwände angebracht, die meistens auf die jeweils im Fokus stehenden Musiker gerichtet sind und so jedem Zuschauer eine optimale Sicht ermöglichen. Gerade bei Don Aireys Keyboardparts bieten die Leinwände tolle Einblicke auf des Meisters magische Finger.
Bei Deep Purple passt jede Note. Musikalisch und spieltechnisch ist diese Band schon immer eine Macht gewesen. Roger Glover am Bass ist einer der besten seines Fachs, Ian Paice eine wahre Schlagzeuglegende und Gitarrist Steve Morse spielt im Laufe des Auftritts mehrfach regelrecht schwindelerregende Solos, die im Publikum für zahlreiche offene Münder sorgen. Songtechnisch gehen die Altmeister recht brachial zur Sache. Vor allem „Bloodsucker“ und die Abrissbirne „Hard Lovin’ Man“ werden mit ziemlich großer Wucht vorgetragen. Von Alterserscheinungen ist hier fast nichts zu sehen. Lediglich Ian Gillan kommt ganz schön ins Schnaufen und gibt vor allem bei den hohen Tönen von „Hard Lovin’ Man“ eine schwache Figur ab. In den niedrigen Tonlagen singt er während des kompletten Auftritts sehr gut und absolut sicher. Aber die Schreie und seine Kopfstimme klingen sehr gequält.
Vom letzten Album Now What?! werden insgesamt drei Songs gespielt. Gesanglich gefällt mir „Vincent Price“ am Besten. Hier blüht Gillan regelrecht auf, auch die Hintergrundeinspielungen sind vom Feinsten. „Uncommon Man“ gefällt mir von den Orgelpassagen her sehr gut, der Song ist mein Favorit auf dem neuen Album. Bei „Hell To Pay“ finde ich die Spielfreude der Band beeindruckend. Wenn Gillan, Glover und Morse mit voller Überzeugung „Hell To Pay“ in Gillans Mikrophon schreien kann man gut erkennen, wie viel Spaß die Musiker auf der Bühne noch haben. Soliert wird wie immer bei Deep Purple natürlich auch heute. Das bekannte „Well Dressed Guitar“ veredelt Steve Morse mit seinen irrwitzigen Passagen zu einem Glanzstück, das immer wieder mitreißt. Überhaupt ist der bescheidene, sympathische Gitarrist bestens aufgelegt und nimmt viel Kontakt zum Publikum auf.
Ian Gillan nutzt die Pausen zum Durchschnaufen und kommt danach wieder deutlich erholt auf die Bühne zurück. Mit „Demon’s Eye“ wird überraschenderweise ein Song gespielt, der eher selten zum Zuge kommt. Don Airey gibt seine Handschrift in einem Keyboardsolo ab, bei dem er alle Register zieht, die seine Tasteninstrumente hergeben. Er springt hier sehr geschickt zwischen Moog-Syntheesizer, Hammond B3 und seinen Keyboards hin und her. Während des Solos macht er einen ziemlich entrückten, abwesenden Eindruck. Steve Morse fächelt ihm mit einem Handtuch und meterbreiten Grinsen Luft zu. Auch das Solo kommt beim Publikum sehr gut an. Die B3 leitet nahtlos in das düstere Intro des Über-Hits „Perfect Strangers“, für mich definitiv das Highlight des Abends. Ian Paice beweist in seinem obligatorischen Drum-Solo sein Können. Auch er hat nichts verlernt und ist immer noch sehr wuchtig dabei. Ich finde es gut, dass er im Vergleich zu früher das Solo nicht mehr ganz so lange spielt.
„Lazy“ wird wie immer von Ian Gillan mit einer tollen Bluesharp unterstützt. Das Publikum bewegt sich im Rhythmus der Musik und sorgt hier für eine tolle, entspannte Atmosphäre. Gillan ist bestens aufgelegt, macht zwischen den Songs viele Scherze, die ich leider akustisch nur selten verstehe. „Smoke On The Water“ gerät zum Triumphzug. Das Nürnberger Publikum singt hier begeistert mit und sorgt für Partystimmung. Roger Glover unterstreicht den Nostalgieeffekt, indem er einen Original Rickenbacker-Bass hervorzaubert. Leider können nicht alle Fans mit dieser Stimmung umgehen. Etliche ältere Konzertbesucher sprechen dem Alkohol und teilweise anderen Substanzen so gewaltig zu, dass die Ordner vor allem in den vorderen Reihen sehr häufig sichtlich neben der Mütze stehende Konzertbesucher rausziehen müssen. Ich gehe etwas weiter hinter da ich teilweise die Befürchtung habe, mir kotzt einer ins Genick.
Als Zugaben folgen mit dem Smash-Hit „Hush“ und der Mitsing-Hymne „Black Night“ zwei sichere Nummern, die noch einmal das Publikum zum Mitmachen animieren. Danach ist Feierabend. Deep Purple verabschieden sich vom sichtlich begeisterten Nürnberger Publikum. Vor allem der ruhige Roger Glover kriegt sich fast nicht mehr ein und wirft in großen Mengen Plektren ins Publikum.
Zurück in der Loge werden wir zum Konzert interviewt und genehmigen uns noch ein paar Häppchen und Getränke. Insgesamt waren beide Auftritte sehr gut. Die Rival Sons fand ich besser, weil sie einfach schmissiger rüber kamen. Hier war vor allem der Sänger ein Highlight. Deep Purple sind musikalisch von den Instrumentalisten her natürlich Champions-League. Jeder der Musiker ist eine Klasse für sich und braucht niemand mehr etwas beweisen. Der Schwachpunkt ist wie meistens bei älteren Bands der Sänger. Ian Gillan war heute Abend gut, allerdings sollte er sich die hohen Töne, die Kopfstimme und das Gekreische sparen. Das hört sich einfach nicht mehr gesund an. Mir persönlich hat der Song „Knocking At Your Backdoor“ gefehlt. Ansonsten war es ein äußerst gelungener Abend.
Ein großes Lob geht hier noch an das komplette Team von Radio Gong. Die ganze Idee mit dem Gewinnspiel ist schon sehr originell. Und das mit der VIP-Loge war alles bestens organisiert und man hatte wirklich das Gefühl eines besonderen Ereignisses. Dankeschön!
Setlist Deep Purple:
Highway Star
Bloodsucker
Hard Lovin' Man
Strange Kind of Woman
Vincent Price
Uncommon Man
The Well-Dressed Guitar
The Mule
Lazy
Demon's Eye
Hell to Pay
Keyboard-Solo
Perfect Strangers
Drum-Solo
Space Truckin'
Smoke on the Water
Hush
Bass-Solo
Black Night
Stefan Graßl
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