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The Velvet Underground

The Velvet Underground & Nico (Deluxe Edition)


Info
Musikrichtung: Beat / Psychedelic

VÖ: 26.10.2012 (1967)

(Polydor / Universal)

Gesamtspielzeit: 161:26


The Velvet Underground ist eine Band, von der ich selbstverständlich schon viel gehört und gelesen habe. (Derzeit arbeite ich mich bereits mehrere Wochen lang langsam durch eine Day-by-Day-Biographie ihrer Karriere hindurch – Review kommt irgendwann mal.) Akustisch ist sie bislang aber weitgehend an mir vorbei gegangen. Ihr lest also das Ergebnis einer Erstbegegnung 45 Jahre nach Erstveröffentlichung.

Ernsthafte Vertreter der Rock-Kultur werden angesichts der Punkte unter dieser Review wahrscheinlich entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen; handelt es sich doch hier, wie man immer wieder lesen kann, um einen Meilenstein der Musikgeschichte, eines der einflussreichsten Alben ever, eine Ikone im Tempel des Rock.
Mag sein!
Immerhin fällt mein Urteil deutlich freundlicher aus, als das der Zeitgenossen, die das Album im Wesentlichen verrissen, wenn nicht ignoriert haben – und die, die es wahrgenommen haben, zum großen Teil aufgrund der Tatsache, dass das legendäre Bananenschalen-Cover mit abziehbarer Pelle von Andy Warhol gestaltet worden war, und The Velvet Underground sich bei Veröffentlichung des Albums erst langsam aus dem Status einer bloßen Facette des schillernden Warhol-Trosses zu lösen begannen.

Was aber steckt real hinter des Kaisers bunten Kleidern? Beginnen wir mit dem Originalalbum, wie es im März 1967 veröffentlicht wurde. Auf die wilden Instrumentalorgien, mit denen die Band ihr Publikum seinerzeit verstört hat, muss man etwas warten. Bei „Venus in Furs“ kratzt John Cales Viola zwar bereits etwas und „Run run run“ entwickelt sich zum veritablen Jam, aber erst das recht harmlos zwischen braveren Doors und Dylan beginnende „All Tomorrow‘s Parties“ endet dann recht verstrahlt mit abgedrehten fast indisch klingende Saitenspielereien. Ähnlich gibt sich im weiteren Verlauf auch „The black Angel’s Death Song“. Wirklich wild und anstrengend wird es aber vor allem mit dem chaotischen „European Son" und „Heroin“. Nach ruhigem Beginn poltert Mauren Tucker hysterisch auf ihrem Schlagzeug, während Cale seine Viola und mit ihr das Publikum quält. Lou Reed ruhiger Gesang davor wirkt völlig unbetroffen, von dem was musikalisch hinter ihm abgeht.

Der Rest besteht aus ganz nettem, aber realtiv unspektakulärem Beat mit einer Tendenz zum Rock, was 1967 wohl noch spannend war. Heute gefällt der treibend, hier noch etwas dünn produzierte Beat Rock „I’m waiting for the Man“, die softe Ballade „Femme fatale“, die an verträumte Beach Boys mit weiblichem Gesang erinnert. Das sind neben „Run run run“ und „All Tomorrow‘s Parties“ dann auch die Highlights des Albums.

Die Alternative Versions bringen wenig Neues. Um hier die Differenzen zu den Originalen herauszuhören, muss man schon Experte sein. Anders ist das bei den Scepter Studio Sessions, die fast alle Albumtracks in einer früheren Version enthalten. Hier wirkt die Band authentischer und direkter. Das Material rockt mehr, so dass ich die Versionen in der Regel den später veröffentlichten vorziehen würde.

Die abschließenden Rehearsals, die in Andy Warhols Factory aufgenommen wurden, sind das, was der Name sagt: Rehearsals – Proben. Was für den Fan!

Das Ganze wird im schicken zweifach aufklappbaren Digipack geliefert, icl. eines informativen Booklets, das etwas schwierig aus der Verpackung zu fingern ist.

Für Fans ist das ganz sicher eine schöne Sache, die auch einiges über die musikalische Entwicklung der Band sagt. Auch Musik-Sammler, die das Album noch nicht in der Sammlung stehen haben, sollten hier zugreifen. The Velvet Underground & Nico ist eben schlicht eine der großen Legenden der Rock-Geschichte.



Norbert von Fransecky



Trackliste
CD 1

Original Verve Album, Stereo Version (März 1967)
1 Sunday Morning (2:56)
2 I'm waiting for the Man (4:39)
3 Femme fatale (2:38)
4 Venus in Furs (5:12)
5 Run run run (4:23)
6 All Tomorrow's Parties (5:59)
7 Heroin (7:11)
8 There she goes again (2:41)
9 I'll be your Mirror (2:14)
10 The black Angel's Death Song (3:12)
11 European Son (7:47)

Alternate Versions
12 All Tomorrow's Parties (Alternate single Voice Version) (5:57)
13 European Son (Alternate Version) (9:06)
14 Heroin (Alternate Version) (6:17)
15 All Tomorrow's Parties (Alternate instrumental Mix) (5:51)
16 I'll be your Mirror (Alternate Mix) (2:20)


CD 2

Scepter Studio Sessions (25. April 1966)
1 European Son (Alternate Version) (9:02)
2 The black Angel's Death Song (Alternate Mix) (3:16)
3 All Tomorrow's Parties (Alternate Version) (5:53)
4 I'll be your Mirror (Alternate Version) (2:11)
5 Heroin (Alternate Version) (6:16)
6 Femme fatale (Alternate Mix) (2:36)
7 Venus in Furs (Alternate Version) (4:29)
8 Waiting for the Man (Alternate Version) (4:10)
9 Run run run (Alternate Mix) (4:23)

The Factory Rehearsals (3. Januar 1966)
10 Walk alone (3:27)
11 Crackin' up / Venus in Furs (3:52
12 Miss Joanie Lee (11:49)
13 Heroin (6:14)
14 There she goes again (with Nico) (2:09)
15 There she goes again (2:56)
Besetzung

Lou Reed (Git, Voc)
John Cale (El. Viola, Keys, B, Back Voc)
Sterling Morrison (Git, B, Back Voc)
Maureen Tucker (Voc <1;3,6,9,12,15,16 2;3,4,6,Factory Rehearsals)



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