Musik an sich


Artikel
Sixxxten: Alles sollte stets so unrein wie möglich sein!



Info
Gesprächspartner: Sixxten

Zeit: November 2011

Stil: Rock

Internet:
http://www.sixxxten.com
http://www.myspace.com/sixxxten
http://de-de.facebook.com/pages/SIXXXTEN/83576361598

Rock, Deutsch - der mainstreamaffine Hörer verbindet mit diesen Begriffen Langweilerbands wie Juli und Silbermond oder neuerdings auch Jupiter Jones und Unheilig. Selbst ernannte Hobby-Rebellen und Pseudo-Härtner sehen dabei Gruppen wie verblichenen Böhsen Onkelz oder die gerade allgegenwärtigen Frei.Wild vor dem geistigen Auge. Die (Wahl-)Hamburger SIXXXTEN gehören glücklicherweise zu keiner der beiden Gruppen! Denn das Quartett zieht unbeeindruckt sein eigenes Ding durch. Etwas schräg, kantig und mit leichter Punkattitüde und komplett unbeeindruckt und unabhängig (nicht „Indie“) vom Umfeld zockt man sich durch die Welt. Authentisch ist ein viel zu gerne gebrauchtes Adjektiv, welches man hierfür verwenden könnte. Nachzuhören auf dem aktuellen, recht feinen Langdreher Automat Supérieur. Übrigens der zweite seit dem Debüt Jugend Violencia von 2009. Stilistisch in eine Schublade packen lässt man sich nicht so gerne. Rocken muss es, das ist klar. Darf aber gerne auch ein wenig tanzbar um die Ecke schieben. Das hat jede Menge Charme und sollte gehört werden. Und weil wir hier so empfinden, gaben wir Sänger, Gitarrist und Sprachrohr Hanno Klänhardt die Gelegenheit über SIXXXTEN und was dahinter steckt zu referieren, was zu einem recht unterhaltsamen Gespräch führte. Hier ein (großer) Ausschnitt davon.



Sixxxten mit drei X geschrieben - das liest sich ja fast, als würde was Versautes dahinter stecken. Ein Porno-Skandinavier?

Nein, die drei X haben keine weitere Bedeutung. Hat sich damals einfach so ergeben. Ist ein ganz normaler skandinavischer Jungenname und hat mit der englischen Zahl mit zwei „E“ nichts zu tun. Eben mein Spitzname früher als Teenager. So hat es sich ergeben, dass eben auch als Band weiter unter diesem Namen Musik gemacht wurde. Namen sind Schall und Rauch. Leider aber notwendig.

Seit wann gibt es diesen wilden Haufen denn überhaupt und wie habt ihr euch gefunden?

Ich habe vor langer Zeit schon immer allein Musik gemacht. Dann habe ich Timo bei einem großen Bremer Auto- und Bombenhersteller am Fleißband kennengelernt. Schnell hatte ich ihn überredet bei mir mitzumachen, da ich alles selber spielen konnte, außer Schlagzeug. Zusammen mit ihm habe ich dann die ersten Demos aufgenommen. Sind heute noch super. Nun ja, und so ist es dann halt geblieben. Seit 2006 kennen wir uns, machen aber eigentlich erst seit 2009 so richtig viel und eben auch Platten. Nils ist ein alter Jugendfreund von mir und mein ehemaliges Grunge-Idol aus Kinder- und Jugendzeiten. Er war eine Legende bei uns auf der Schule und ist es für mich immer noch. Stefan, den Basser, hatte Timo irgendwann angeschleppt. Bis jetzt sind sie alle geblieben. Habe ihnen ja aber auch viel Quatsch versprochen. (lacht)

Eure Musik rockt wie Sau ist nicht selten aber auch ziemlich tanzbar. Also nicht nur stickiger Club, sondern auch Indie-Disco. Klingt nicht gerade als hättet ihr nur ein paar Punkplatten im Regal stehen.

Indie-Disco ist so ziemlich die schlimmste Beleidigung die ich im Bezug auf diese Band erleiden musste! Und ich wurde schon sehr oft beleidigt. Ich glaube im Jahre 2011 ist NICHTS langweiligeres als eine so genannte Indie-Disco. Was soll das überhaupt sein, dieses Indie? Das hat doch wohl nicht was mit „Independent“ zu tun, oder? Denn das wäre ein schlechter Scherz. Im Gleichschritt Richtung Durchschnitt marschierende Muttersöhnchen mit großer Fresse und nichts auffer Felge außer peinlichem Einheitslook. Das ist das was mir einfällt, wenn ich das höre. Entschuldige meine Entgleisung. (lacht) Aber mit dem Rest hast du Recht. Rockt wie Sau. Danke Dir. Die musikalische Entwicklung der Band geht in der Tat in keinster Weise nur auf Punkrock zurück. Das war von Anfang an klar. Zu schön und groß die Möglichkeiten. Es gibt sooo viel gute Musik die nicht mal was mit Gitarren zu tun hat. Ich möchte mir die Möglichkeiten durch Image oder gar Unwissenheit nicht versperren. Wir hören alle sehr unterschiedliche Musik. Da bleibt sowas nicht aus. Der andere Gitarrist zum Beispiel ist Techno-Produzent. Wäre ja dumm, diesen Input nicht zu nutzen.

Aufgrund des recht eigenen Stils und eines leichten Eigenbrötler-Images: Gibt’s denn überhaupt ein natürliches Reservoir für Sixxxten oder fühlt sich der Herr immer dort am wohlsten wo es das frischeste Bier gibt?

Ich bin überall gerne. Außer in Neu-Brandenburg.

Ein Zitat aus Deinem Promowisch: „…etwas zu schaffen, dass nicht bereits im Keim von Hamburger Musikklischees erstickt wird“. Was ist denn so typisch an Hamburg und welche Klischees regen den Würgreiz an? Erklär' das einem Bayern wie mir doch mal.

Ich weiß nicht ob die Leute das heute noch so sehen. Aber natürlich gibt es viele Hamburger Musikklischees. Unter anderem wird dieser Stadt immer ein sehr guter Geschmack unterstellt, wenn es um Musik geht. Das zum Beispiel ist völliger Blödsinn. Manches tut einfach nur weh. Aber sowas hat man ja in jeder Stadt. Das Problem ist aber tatsächlich, dass Hamburg einen Ruf genießt „ganz supi-geile Sachen“ hervorzubringen. Das stimmt teilweise auch, allerdings erweckt es bei seinen Einwohnern und Statisten eben auch ein Klima des sich „auf die Schulter klopfen“ und einer Gemütlichkeit und Selbstherrlichkeit, die einfach zum Kotzen ist. Ich denke wir müssen hier keine Namen nennen. Aber die großen Damen der Hamburger Musikszene sind auch ganz normale unsichere Schulmädchen. Wie gesagt: Vieles ist großartig, aber jede Art von Szene, Anspruch an ein Trademark oder Gruppenzugehörigkeit macht genauso viel kaputt wie es Gutes hervorbringt.

So schlimm kann Hamburg nicht sein, sonst hätte es Dich als Bremer nicht dorthin verschlagen. Siehst Du Dich mittlerweile mehr als Hamburger oder immer noch als Exil-Bremer - und was ist toll an dieser „heimlichen Hauptstadt Deutschlands“, wie ein betrunkener Mensch mir auf einem Festival ständig ins Ohr laberte?

Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit. Leider bin ich gerade beides nicht, sonst würde ich dich für diese Frage loben. (lacht) Nein, im Ernst: Ich bin Bremer - Punkt. Das wird sich niemals ändern und ich liebe diese schöne Stadt an der Weser über alles und bin so oft da wie möglich. Aber Hamburg hat mir damals einfach mehr Möglichkeiten eröffnet. Wegen Job und vor allem wegen Musik. Ich habe hier eine Band gefunden, die verrückt genug war mir zu glauben, dass das alles Mal „megasuper“ wird. Nun ja, jetzt haben wir die zweite Scheibe draußen und die Trottel glauben es immer noch. (lacht) Wichtiger Mitgrund damals: Timo hatte hier einen Proberaum. Den hatte ich in Bremen nicht. Hamburg ist eine schöne Stadt. Ich hatte hier von Anfang an sehr viel Glück und eine tolle Zeit. Ob ich hier bleibe weiß ich jedoch nicht. Ich glaube man sollte einzelnen Städten, außer der geliebten Heimat, nicht all zu viel Bedeutung beimessen. Gute und kluge Köpfe gibt es überall. Außer in Berlin. Die bestehen alle aus einem Kopf. Der muss für alle reichen. (lacht) Sorry. Problem ist immer: Die Masse von Gleichgesinnten macht eine Stadt immer schnell langweilig. Das ist in Hamburg genauso wie in Berlin. Ich freue mich über jede Band, die nicht aus einer dieser Städte kommt.

Laut eigener Aussage steckt in unserer Zeit zuviel Schlechtes hinter vermeintlich ehrlicher Rockmusik. Was sind denn für Dich Dinge für die man so einige Bands regelrecht hassen müsste und warum machen es Sixxxten besser?

Du möchtest Namen hören? Keine Chance. Ich hasse keine Bands. Aus dem Alter bin ich heraus. Ich muss mich nicht über das Dissen anderer Bands wichtig machen. Aber natürlich gibt es Dinge die ich einfach pisslangweilig und überflüssig finde. Mein Band macht grundsätzlich erst mal nichts besser. Alles Ansichtssache. Fakt jedoch ist: ich und wir als Band kümmern uns tatsächlich nicht darum was gerade angesagt ist oder was Musikmagazine oder eine gewisses Klientel hören möchte. Unsere Platte klingt so, wie wir das wollten. Darauf bin ich stolz. Wenn Leute das anerkennen, freu ich mich jedoch sehr! Wir können es uns ja auch erlauben. Wir verdienen eh kein Geld damit. Wir brauchen keine Erwartungen erfüllen. Ich glaube auf lange Sicht fahren wir besser damit. Wir sind keine Indieband, haben keine geilen Frisuren und haben auch nicht viele kleine Mädchen mit peinlichen großen Brillen als Fans. In Wahrheit hassen wir Brillenträger sogar, obwohl wir außer Nils alle eine haben. Eigentlich hassen wir sogar alle potenziellen Fans. (lacht) Nein, Scherz.

Neu! 5 € - jetzt in jeder 5. LP.

Automat Supérieur wurde richtig altmodisch und „back to the roots“ analog und live aufgenommen. War das eine ganz neue Herausforderung und sollte jede Rockband mal Pro-Tools Pro-Tools sein lassen und es so ausprobieren? Das energiegeladene und bewusste „unperfekte“ Ergebnis kann sich jedenfalls bestens hören lassen.

Danke für die Blumen. Gregor als Produzent hat einen tollen Job gemacht. Für uns war es für diese Platte wichtig. Wir wollten uns auf das Wesentliche konzentrieren. Da hilft es sich nicht all zu viele Optionen offen zu halten. Die Songs sind eine ruppige Momentaufnahme. So wie die Band 2011 zu klingen hat. Vielleicht ist es nächstes Mal wieder anders. Aber wir freuen uns als Band festzustellen, dass wir keine gedoppelten Gitarren, Vocals und Effekthascherei brauchen. Insgesamt kann man es nur empfehlen. Allerdings gibt es auch so viele Bands die ich für ihren Bombast schätze - siehe Muse. Ich WILL dann eine überladenes Album hören.

Viele deutsche Musiker verstecken sich hinter oft eher belanglosen englischen Texten. Bist Du doch nicht auch mal dieser Versuchung erlegen oder machte das nie Sinn für Dich?

Nein, bin ich noch nie. Macht keinen Sinn. Zumindest nicht in dem Kontext dieser Band. Die Texte sind zu wichtig. Ich höre ja sehr viel unterschiedliche Musik. Sehr gern zum Beispiel Doom-Metal. Ich räume ein, dass es mir da sehr wenig um die Texte geht. Sobald man selbige aber wirklich aufgrund der Musikfarbe verstehen kann, sollte man sich auch ausdrücken wollen und können. Ich kann es eben am besten in der Sprache in der ich auch denke. Aber jeder sollte das tun, was er für richtig hält.

Deine Texte sind meist ziemlich zynisch und klingen nicht gerade nach Party. Ist die Welt wirklich so schräg und schlecht oder ist es einfach schwachsinnig eine weitere Band zu sein, die flauschige Lovesongs und dümmliche Partybrecher singt?

Du legst einem die Antwort in den Mund. Jedoch: Ich mag das Leben, ich bin gerne hier. Allerdings ist es, wie du sagst, oft recht wunderlich - Zynismus ist ein Mittel zum Zweck und zumindest bei mir oft nicht zu vermeiden. Ich mag Liebeslieder, aber alles sollte stets mit Stil geschehen. Auf dieser Platte gibt es keine. Liegt wohl an meiner damaligen Lebenssituation. Insgesamt bleibt es Hauptaufgabe einer Rockband angepisst zu sein. Mir fällt das ausgesprochen leicht.

Statt Botschaften gibt es Slogans - gerne auch mit englischen Schlagwörtern durchmischt. Geht’s nicht mehr ohne Neudeutsch oder dient es eher dazu die zusammen mit dem Rhythmus den richtigen Fluss zu kreieren?

Mhh, mag sein. Ich bin mit Rap-Musik groß geworden und liebe sie noch immer. Ein gewisser Slang und eine gewisse Wort-Rhythmik bleiben nicht aus. Ich empfinde das als Bereicherung. Wenn ich einen reinen Rocksänger hören will (will ich das?) höre ich mir Meat Loaf an. Zu eingeschränkt die Möglichkeiten. Neudeutsch ist ein schlimmes Wort, das misst einem sogenannten „alten“, „guten“ Deutsch eine so große Bedeutung bei. Alles sollte stets so unrein wie möglich sein. NORD-Deutsch hingegen geht immer.

Was ist die Antriebsfeder für Sixxxten, außer dem Abschleppen von Groupies natürlich, und wovon lässt Du Dich inspirieren?

So Groupies und Rock’n’Roll-Klischees gibt es bei uns tatsächlich recht wenige. Uns wird unwohl wenn Frauen zu offensiv vorgehen. Zu krass für uns. Antrieb ist die eigene Liebe zur Musik und Soundtüftelei. Ich weiß sowas wird immer nicht gern gehört, aber ich empfinde das was ich tue als Kunst. Das kann so manchem vielleicht nicht schmecken, aber ich empfinde es eben so. Wir nehmen uns dennoch nicht zu wichtig. Insgesamt ist der Antrieb aber eben schon einfach die Liebe zur Sache. Inspiration gibt es tatsächlich von überall. Toll ist einfach in der U-Bahn zu sitzen und sich Gottes kleiner Wunder live anzuschauen. Das pure „Zuschauen“ hat mir so manches Blatt Papier gefüllt.

Wann außer bei eurem Release-Konzert mit Dampfmaschine gibt es Sixxxten mal in der Republik live zu sehen? Stelle mir das recht unterhaltsam vor, mit viel Rumbrüllerei und Schweiß.

Klar, wir werden hoffentlich viel spielen. Ich meine, dafür machen wir das hier ja alles. An genauen Dates wird gerade gebastelt. Dampfmaschine sind gute und enge Freunde. Konzerte mit ihnen zusammen sind generell immer gut. Unterhaltsam allemal. Natürlich geben wir uns grundsätzlich Mühe ordentlich einen vom Stapel zu lassen. Soll ja auch was Besonderes sein, so ein Konzert. Ob besonders scheiße oder besonders geil. Wichtig ist: so intensiv wie möglich.

Heiß auf Schweiß: Sixxxten live.

Gegen Ende noch ein kleines Brainstorming. Gerne auch mit kurzer Begründung. Lässt ja manchmal tief blicken. Also, los geht’s mit: Vinyl oder CD?

Vinyl. Klarer Fall. Nicht weil es cooler ist, sondern weil es größer ist und nach mehr WERT aussieht. Die Musik auf dem Medium bleibt jedoch immer die gleiche, deshalb sollte man nicht zuviel Bohei drum machen.

Turbonegro oder AC/DC?

AC/DC. Beide Bands überhaupt in einen Kontext zu bringen finde ich mehr als gewagt. AC/DC ist meine Lieblingsband seit dem ich 6 Jahre alt bin. Ich lebe von ihrem Sound.

Falco oder Sex Pistols?

Falco. Punkt.

Total durchnässt vom schwitzigen Clubkonzert oder vom Regen beim Open Air?

Ersteres. Schweiß lässt zumindest manchmal darauf schließen, dass Leute da waren. Das kennen wir durchaus anders. (lacht)

Nacht oder Tag?

Tag. Ich mag das Licht.

In Plattenladen stöbern oder das Web nach Neuentdeckungen absurfen?

Beides gut, beides wichtig.

Bier oder Kräutertee?

Eine Designerdroge namens Bier hat mir so manchen Tag gerettet. Tee hat mir sicher einen Tag hier und da schöner gemacht - aber nie gerettet.

Hartz IV-TV oder Arte/zdf.kultur?

Wenn TV, dann tatsächlich zweites.

Management oder do-it-yourself?

Mit beidem Erfahrung gemacht. Bessere mit letzterem.

Straight Edge oder purer Exzess?

Ich mag den Exzess. Selbiger muss aber in keinster Weise unbedingt was mit Drogen zu tun haben. Ich bin nicht sonderlich drogeninteressiert. Ich empfinde ihre Anwesenheit eher als anstrengend.

Zum Schluss nur noch eines: Würde die Welt Sixxxten irgendwann ein Denkmal bauen wollen, wie sollte bzw. müsste dieses aussehen?

Kennst du Tony Danza, den Schauspieler von Tony Michelli in „Wer ist hier der Boss?“? So!




Mario Karl



 << 
Zurück zur Artikelübersicht
 >>