Musik an sich


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Lully, J.-B. (Brown)

Armide


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 02.10.2008

(Naxos / Naxos / 2 CD 2007 / Best. Nr. 8.660209-10)

Gesamtspielzeit: 121:59



MIT HALBER KRAFT

In Jean-Baptiste Lullys letzter vollendeter lyrischer Tragödie Armide dreht sich alles um die Titelfigur, die Sarazenenkriegerin und Zauberin Armida. Von allen christlichen Rittern des Kreuzfahrerheeres scheint ihr allein Roland gewachsen. Mit Magie möchte ihm die stolze Amazone beikommen. Von seligen Geistern sanft in Schlaf gewiegt, scheint der Held ihrer Rache wehrlos ausgeliefert. Doch als sie ihn mit dem Speer töten will, versagen ihre Kräfte. Denn auch in Armidas Brust schlägt ein gefühlvolles Herz. Und das hat sie an Roland verloren. Der aber liebt sie nur Dank ihrer Zauberkräfte zurück. Obwohl Armida schon früh das tragische Ende ihrer Liaison erkennt, kann und will sie nicht von ihm lassen …
Der Ruhm dieser Oper reicht weit bis ins 18. Jahrhundert hinein. Publikum und Kritik waren sich über den Rang von Lullys Opus gleichermaßen einig. Die Kunst psychologisch verfeinerter Deklamation schien hier auf ihrem Gipfel.
Dennoch wurde bei den zahlreichen Wiederaufnahmen schon im 17. Jahrhundert immer mal der Rotstift angesetzt: einzelne Airs und der halbe 4. Akt entfielen, 1760 schließlich strich man auch den Prolog. In der auf den Handlungsfortschritt fixierten Gegenwart spart man sich bei szenischen Produktionen zudem gerne die Reprisen der Tanzeinlagen. So gesehen reflektiert die 2007 aufgezeichnete Interpretation der Opera Lafayette mit ihren historisch verbürgten Strichen die Rezeptionsgeschichte dieses berühmten Werkes.

Wer also die ganze Armide möchte, wird weiterhin auf die Aufnahme von Philippe Herreweghe zurückgreifen (harmonia mundi / 1991). Aber auch sonst hat die ältere Produktion gegenüber der Neuaufnahme einen großen Vorzug: Das Orchesterspiel ist trotz einer gewissen Eckigkeit kraftvoller und dynamischer. Der tragische, herbstlich dunkle Ton steht dem Werk sehr gut. Unter der Leitung von Ryan Brown geht die Opera Lafayette das ganze leichter und lyrischer an. Das klingt schön, aber es fehlt auch an Biss. Rhythmisch wird die Musik überwiegend allzu brav serviert, so dass die Tragödie sich sozusagen nur mit halber Kraft ereignet. Auch die Schlummerszene verbreitet weniger hypnotischen Zauber als eine gewisse Schläfrigkeit und selbst die Chöre bleiben etwas blass – vor allem in der Beschwörungsszene des 3. Aktes ist das bedauerlich. Gelungener ist dagegen die große Chaconne im 5. Akt, vom Orchester mit Schwung und Spannung dargeboten.
Durchweg erfreulich ist dagegen die solistische Seite der Neueinspielung: Stephanie Houtzeel präsentiert mit wandlungsfähiger, dunkel funkelnder Mezzostimme das facettenreiche Portrait der unglücklich liebenden Frau. Roland ist ja eher eine Nebenfigur, sozusagen ein erotisch-tragische Auslöser. Robert Getchell singt ihn mit wohlklingendem hohen Tenor, ein Held aus dem Bilderbuch. Die übrigen Rollen sind ebenfalls stimmig besetzt, wobei die Ausführenden in der Tradition der französischen Barockoper meist mehrere Rollen übernehmen. Allen Sänger/innen gemeinsam ist die stilistische Sicherheit, mit der sie agieren.

Als preiswerter Einstieg in Lullys Opernschaffen ist die Aufnahme trotz der Einschränkungen empfehlenswert.



Georg Henkel



Besetzung

Stephanie Houtzeel: Armide
Robert Getchell: Renaud
Francois Loup: Hidraot / Ubalde
William Sharp: Artémidore / La Haine
Ann Monoyios: Phénice / Lucinde
u.a.

Opera Lafayette

Ryan Brown: Leitung


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