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Reviews
Pain of Salvation

Be


Info
Musikrichtung: Prog

VÖ: 27.09.2004

(InsideOut / SPV)

Gesamtspielzeit: 76:00

Internet:

http://www.painofsalvation.com


Be ist ein Projekt mit extrem hohem Anspruch. Es geht um das Sein: das Sein an sich, den Sinn des Seins, den (möglicherweise existenten) Schöpfer des Seins und die Existenzbedrohung des Seins in einer überbevölkerten, kriegerischen, umweltvernichtenden Welt. Klar, dass man damit nicht unter 76 Minuten fertig wird. Daniel Gildenlöw sortiert hier Gedanken, die ihn sechs Jahre lang beschäftigt haben. Wenn er die in der Literaturliste der Promo-CD genannten Werke tatsächlich alle gelesen hat, wundere ich mich, dass er daneben überhaupt noch die Zeit gefunden hat, die Welt mit seinen CDs zu beglücken,
die in der Prog-Szene massig Furore gemacht haben.

Streckenweise klingt Be genauso anstrengend wie dieses Konzept. Spätestens mit dieser Scheibe sprengen Pain of Salvation Rahmen – unter anderem den Rahmen dessen, was man gemeinhin Musik nennt. Da gibt es Soundscapes, Soundcollagen und instrumental begleitete Messages vom Anrufbeantworter. Stilistisch greift man weit über den Rahmen des ehrwürdigen Progs hinaus.

Man bedient sich beim Folk (“Imago“, „Nauticus II „), spielt klassisches Piano (“Pluvius aestivus“) oder Kirchenorgel (“Omni“), lässt traditionelle basslastige Gospelsänger von der Leine (“Nauticus“), klaut bei Andrew Lloyd Webber’s thematisch vielleicht sogar verwandter Rockoper „Jesus Christ Superstar“ (“Dea Pecuniae“, „Nihil morari“), integriert HipHop-Vocals (“Diffidentia“), macht als anständiger Prog-Act natürlich auch Anleihen beim Genre-König Dream Theater (“Nihil morari“) und den Altmeistern Pink Floyd in ihren frühen Tagen (“Omni“), mixt in einem einzigen Stück, Genesis-Flöten, Uriah Heep- und Jethro Tull-Vocals (“Iter impious“) und begibt sich in orientalische Sphären (“Martius/ Nauticus II“).

Wer bereit ist sich intensiv mit dem Gebotenen zu beschäftigen, wird wahrscheinlich auch nach Wochen und Monaten noch Neues entdecken können. Das wird mich noch lange an diese Scheibe fesseln, über die ich in Halbjahres-Abständen wahrscheinlich ständig neue Reviews schreiben könnte. Was mir heute fehlt sind die unmittelbar fesselnden Momente. Auch den inhaltlichen Knackpunkt habe ich noch nicht ganz gefunden. Gildenlöw scheint die Schöpfung als eine Art Selbsthilfeprogramm des in seiner Identität verunsicherten Gottes zu sehen. In dieser Schöpfung verläuft sich der Mensch in einen extremen Materialismus, der ihn völlig vereinsamen lässt. Die Erlösung besteht in einer Art pantheistischen Endzeitvision, in der sich die Ganze Schöpfung im „Nauticus“ zusammenfindet. Keine Frage: Auch die Texte bieten Gelegenheit für langfristige Beschäftigung.

Als Anspieltipps empfehle ich “Dea Pecuniae“, bei dem zu Beginn eine mehr erzählende als singende Stimme von dominierenden Percussions und Flöten begleitet wird, bevor sich das Stück langsam mächtig aufbaut, sehr theatralisch, teilweise eher soundtrackartig wird und in der Vokalführung an den verzweifelten und überforderten Jesus inmitten der Aussätzigen erinnert, wie ihn die Rockoper „Jesus Christ Superstar darstellt. Hier ist es der Mr. Money, der sich im Irrglauben verirrt, mit Geld könne er alles kaufen.
Zum anderen das bereits oben genannte “Iter impius“ mit seinen unterschiedlichen Verweisen in die 70er.
Und zuletzt das extrem wandelbare “Martius/ Nauticus II“, das als glänzende Prog-Nummer beginnt, durch einen plötzlichen Break rockend zerrissen wird, um sich dann orientalisch zu gebärden.

Grandios und anspruchsvoll. Eine Spezialität für einen kleinen Kreis von Genießern, die genug Zeitaufbringen sich lange mit einer Scheibe zu befassen.



Norbert von Fransecky



Trackliste
Prologue
1 Animae Partus (1:49)

I Animae Partus
2 Deus nova (3:18)
3 Imago (Homines Partus) (5:11)
4 Pluvius aestivus (5:00)

II Machinassiah
5 Lilium cruentus (Deus nova) (5:28)
6 Nauticus (Drifting) (4:59)
7 Dea Pecuniae (10:10)
7.1 Mr. Money
7.2 Permanere
7.3 I raise my Glass

III Machinageddon
8 Vocari Die (3:50)
9 Diffidentia (Breaching the Core) (7:37)
10 Nihil morari (6:21)

IV Machinauticus
11 Latericius valete (2:28)
12 Omni (2:37)
13 Iter impius (6:21)
14 Martius/ Nauticus II (6:41)

V Deus nova mobile
15 Animae Partus II (4:09)
Besetzung

Daniel Gildenlöw (Voc, Git, Perc, Programming, Samples, und mehr)
Frederik Hermansson (Keys, Samples, Perc)
Kristoffer Gildenlöw (B, Perc)
Johan Hallgren (Git, Perc)
Johan Langell (Dr, Perc, Djembe)

Orchestra of Eternity:
Mihai Cucu (1. Geige)
Camilla Arvidsson (2. Geige)
Kristina Ekman (Viola)
Magnus Lanning (Cello)
Asa Karlberg (Flöte)
Anette Kumlin (Oboe)
Nils-Ake Pettersson (Klarinette)
Dries van den Poel (Bass Klarinette)
Sven-Olof Juvas (Tuba)

Gäste:
Cecila Ringkvist (Dea Pecuniae <7>)
Blair Howatt (Miss Mediocrity <7>)
Kim & Jim Howatt (Lesungen)



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