Moneybrother - “’98 hatten wir auf der ganzen Tour 60 Hunde und 30 Menschen”
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Wie es klingt, wenn ein weißes Punkrockkid aus Stockholm Soul macht hat uns Anders Wendin alias Moneybrother mit seiner Band auf Blood Panic gezeigt. Auch wenn er schon für Monster, seine Vorgängerband, mindestens genauso viel Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte, bekommt er zumindest jetzt allerseits so viele Lorbeeren, dass man damit eine ganze Großfamilie durch den Winter bringen würde. Anders und sein bester Freund und Saxophonist Gustav nahmen sich vor ihrer Show in Heidelberg Zeit für einige Fragen. Überraschend ist der Unterschied zwischen den Bühnenfiguren und den Menschen abseits des Rampenlichtes. Während Gustav bei der Performance nicht nur optisch stilsicher und cool ist, zeigt er sich im Interview als völlig bodenständig, natürlich, sympathisch und ohne jegliches Getue. Auch Anders lässt verständlicherweise im direkten Gespräch die Gesichtsakrobatik sein. Nur den Humor haben sie wohl immer dabei.
MAS: Ihr macht gerade die erste Headlining-Tour durch Deutschland. Wie läuft das so?
Anders: Super!
Gustav: Es ist bisher die beste Deutschland-Tour. Für uns zumindest.
Anders: Manche Shows waren sogar ausverkauft. Wir wussten nicht was wir erwarten sollen, deshalb sind wir sehr zufrieden.
MAS: Das Publikum reagiert auch gut?
Anders: Ja, das machen sie.
MAS: Ihr habt beide auch bei Monster musiziert. Was ist jetzt der größte Unterschied?
Anders: Weniger Gitarren, und ein klein bisschen weniger Drama.
MAS: Ich denke weniger an den Sound, mehr an das Bandgefühl. Wie sieht es da aus?
Anders: Bei Monster steuerte jeder zu gleichen Teilen etwas bei und jetzt entscheide ich alles. Deshalb ist es für mich viel, viel leichter. (lacht) Gustav und ich spielen jetzt schon seit 5, 6, 7 Jahren zusammen, da ist die Zusammenarbeit einfach super, da man weiß wie der andere tickt.
MAS: Wie ist diese Kreativ-Diktatur für dich, Gustav?
Gustav: Hmm, irgendwie ist das gut. In einer Band musst du immer Kompromisse eingehen, hier kommt Musik raus genauso wie Anders sie will. Es ist eigentlich viel einfacher. Wir proben eigentlich fast gar nicht.
Anders: Wenn Gustav oder Patrick etwas sagen hör ich denen schon zu, weil ich weiß, dass sie Geschmack haben.
(ein Hund jault im Hintergrund und die beiden machen auf Schwedisch einen Insider-Gag)
Gustav: Als wir `98 mit den Hives hier in Deutschland auf Tour waren mehr Hunde auf unseren Konzerten als Menschen. Da hat uns wirklich niemand gekannt. In dem Monat sind, wenn man alle Shows zusammenzählt, vielleicht 30 Leute gekommen. Jeder Punk hat mindestens zwei Hunde, also macht das schon mal 60.
MAS: Ich denke, die meisten Leute, die jetzt „Blood Panic“ toll finden, hätten zumindest „Gone Gone Gone/A Bash Dem“ von Monster auch gemocht. Zwischen den beiden Alben ist der Unterschied ja nicht gerade riesig. Wie erklärt ihr euch eure jetzige Popularität? Liegt es an der Musik oder sind das einfach Umstände?
Anders: Das sind nur Umstände. Das liegt an der Zeit. Vor vier Jahren hat sich niemand um die Hives geschert und wenn sie nicht populär geworden wären, wären sie trotzdem eine tolle Band. Viele Menschen denken, dass Moneybrother jetzt etwas Neues ist, aber vielleicht haben wir in vier Jahren viele Moneybrothers.
MAS: Also hat viel nur mit Glück zu tun.
Anders: Ja, auf alle Fälle. Wenn du es einfach ständig versuchst, klappt’s vielleicht irgendwann mal. Deine Chance ist dann einfach größer, dass du mal das „Richtige“ machst.
Gustav: Da haben wir uns aber auch ganz gut entwickelt. Darin, zu wissen, was wir wirklich wollen. Mit mehr Selbstvertrauen gibst du den Leuten auch am ehesten das Gefühl, dass es gut ist was du machst.
MAS: Im Moment seid ihr eigentlich wieder im Studio um das neue Album aufzunehmen. Wie weit seid ihr? Wie ist es da mittendrin raus zu gehen und wieder zu touren?
Anders: Man denkt immer, dass man daheim mal Zeit hat, aber da arbeitest du dann doch die ganze Zeit an etwas. Heute hatten wir den ersten Tag seit langem frei. Gustav und ich sind den ganzen Tag nur im Bett gelegen. Das war super, einfach mal nichts zu tun. Das war sozusagen der erste Tag seit einigen Monaten.
MAS: Wie laufen die Aufnahmen denn so? Was hat man denn zu erwarten?
Anders: Ein Riesen-Unterschied wird’s nicht geben. Einbisschen dramatischer vielleicht.
Gustav: Das Arrangement ist viel besser.
Anders: Ja, genau, auf jeden Fall. Da haben wir viel dran gearbeitet.
Gustav: Die Band ist jetzt sozusagen einfach besser eingearbeitet. Beim ersten Album wusste man ja gar nicht so richtig, was rauskommen soll.
Anders: Jetzt kennt jeder den Moneybrother-Sound, eigentlich ist es jetzt total einfach das Album aufzunehmen (lacht).
MAS: Habt ihr auch vor neue Songs erst mal nem „Live-Check“ zu unterziehen?
Anders: Ja, das haben wir schon vor. Wenn du dann mit dem Album auf Tour gehst, willst du, dass es perfekt klingt, da ist es dann ganz gut, wenn man die Songs vorher schon gespielt hat.
Gustav: Vor allem, weil wir nicht Proben.
MAS: Probt ihr wirklich so selten?
Gustav: Vielleicht zweimal im Jahr... Wenn wir einen neuen Song haben machen wir das beim Soundcheck. Wir haben nicht mal nen Proberaum. Wenn wir dann mal proben müssen wir den Proberaum von Freunden nehmen. Das ist auch viel billiger… (lacht)
MAS: Probt ihr auch nicht, bevor ihr auf Tour geht?
Anders: Nein, echt nicht. Das würde nicht viel Sinn machen, weil jeder weiß, was er zu tun hat.
Gustav: Wenn du zu viel probst, sperrst du dich selbst in den Songs ein. Was Moneybrother (Anders) auf der Bühne macht ist eigentlich die Leute auf der Bühne zu dirigieren. Man kann dann auf das Publikum reagieren, manche Stellen etwas lang ziehen, andere etwas überkochen lassen.
Anders: Der Song hat eine Grundstruktur, aber spielen tun wir ihn dann nach der Laune, in der wir uns gerade befinden.
Gustav: Viele Songs verändern sich deshalb auch im Rahmen der Shows. Wenn ich eine Band mehr als zwei, drei mal sehe schätze ich das selbst auch sehr, wenn man nicht immer nur dasselbe vorgesetzt bekommt. Man erwartet das normalerweise nicht, aber wenn’s passiert ist das sehr spannend.
MAS: Ihr hattet mit „Blood Panic“ speziell in Schweden großen Erfolg. Spürt ihr einen gewissen Druck? Was ist jetzt die größte Herausforderung?
Anders: Die größte Herausforderung ist auf niemand anderen zu hören, sondern die Musik zu machen, die du im Herzen hast. Wir hatten ne gute Zeit in Schweden. Das war schon ziemlich witzig erfolgreich zu sein. Für das Album schreibe ich die besten Songs, die ich schreiben kann. Wenn das nicht genügt und die Leute das Album nicht mögen sollten, ist was mit mir nicht in Ordnung. Das hab ich aber bei „Blood Panic“ auch erwartet. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass da so viele Leute Interesse dran haben.
MAS: Das war auch überraschend. Nachdem Monster eigentlich in Deutschland wenig Feedback bekommen hat, konnte man das nicht unbedingt erwarten. Jetzt wart ihr hier sogar im Fernsehen, hab ich gehört. Wie war das für euch?
Anders: (lacht) Es ist eben Fernsehen. Nichts Besonderes.
MAS: Für eine Band, die ihre Wurzeln im Punkrock hat ist es aber irgendwie doch alles andere als normal.
Anders: So richtig passt das ja auch nicht. Wir sehen nicht besonders toll aus, deshalb sind wir nicht so die Radioband.
MAS: Deine Herangehensweise ans Texten hat sich ziemlich verändert. Wenn man frühe Monster-Lyrics wie den „No Factory“ mit heutigen vergleicht ist das schon ein großer Unterschied.
Anders: „No Factory“ war zufälligerweise der einzige Song, für den ich die kompletten Lyrics geschrieben habe. Sonst hat das immer Glenn, der Drummer, gemacht.
MAS: Das erklärt natürlich den Unterschied…
Gustav: Glenn ist ein wahnsinnig guter Texter.
Anders: Ja, wirklich traumhaft. Er ist wirklich viel besser als ich. Da kann ich mich noch um einiges steigern. Daran arbeite ich auch auf jeden Fall.
Gustav: Ich denke auch, dass es komisch ist die Texte von jemand anderem zu singen.
Anders: Ja, ich singe meine eigenen Texte besser.
Gustav: Mit mehr Seele.
MAS: Ihr scheint auf der Bühne viel Spaß zu haben...
Gustav: Ja!
MAS: ... seid ihr es selbst auf der Bühne oder eher der Charakter „Moneybrother“ mit Band?
Anders: Auf der Bühne ist es eine Show. Wenn ich mich hinter der Bühne schlecht fühle, gebe ich trotzdem alles für die Show und will das dann so gut ich kann machen. Deshalb bin ich es wahrscheinlich nicht zu 100%. Ich versuche alles so gut zu machen, wie ich es kann mit dem ganzen Reisen, dem Bus, Schlafmangel, der Tatsache von denen Menschen, die ich liebe, getrennt zu sein… Aber sobald ich auf der Bühne bin ist es wirklich unglaublich viel Spaß. Ich kann mir nichts vorstellen, was da nahe dran rankommt. Ich spiele da wirklich mit ganzem Herzen mit der Band.
MAS: Ist das auch einer der Gründe dich „Moneybrother“ und nicht Anders Wendin zu nennen?
Anders: Ja, genau.
MAS: Ich habe euer Gästebuch mal durchgelesen und ihr scheint viele Fans in Deutschland zu haben. Man konnte aber erkennen, dass euch viele übers Fernsehen kennen gelernt haben. Hättet ihr gedacht, dass Medienpräsenz euch einer so großen Schicht an Fans öffnet?
Anders: Wenn du einmal im Fernsehen auftrittst hat das den Effekt von 2000 Shows. Als wir auch mehr in den deutschen Magazinen erschienen konnte man schon damit rechnen, dass es in Deutschland gut für uns laufen wird. Es läuft immer so. Es gibt einfach viele Leute, die sich vom Fernsehen leiten lassen.
MAS: Vielleicht bringt ihr so ein paar Leute in die „richtige Richtung“. Das war’s dann auch schon. Ich danke euch.
Anders: Danke für dein Interesse.
Kevin Kirchenbauer
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