Himbeergeist mit Käse: Füenf beim A-Cappella-Festival Leipzig
Sachen gibt’s. Da geht die im Ländle beheimatete Formation Füenf auf „Endlich!“ betitelte Abschiedstour, macht in deren Kontext auch beim A-Cappella-Festival Leipzig halt – und die beiden Konzerte, die sie in der Messestadt geben, finden exakt am fünften Tag des fünften Monats statt. Gut, aus der zugehörigen Jahreszahl 2024 kann man nur mit viel Mühe eine mathematische Korrelation zur Zahl 5 herstellen, aber es geht: Die Quersumme aus 2024 ist 8, und wenn man hierzu die Zahl der Konzerte an diesem Tag addiert und die Summe dann durch die Zahl der Konzerte dividiert, erhält man – ja, der Leser ahnt es auch ohne Nachrechnen bereits. Wie am ersten Festivalsonntag üblich ist der nachmittägliche Auftritt als Familienkonzert deklariert; der Rezensent ist beim abendlichen Gig anwesend. Dass Füenf zur eher humoristisch geprägten Sparte der A-Cappella-Formationen zählen, wird auch dem Nichtkundigen schon im Intro klar, das völlig überdrehte Radiowerbung zu Gehör bringt, ehe das Quintett (ja, die Zahl ist nicht als Witz gedacht, im Gegensatz etwa zu Timo Rautiainen & Trio Niskalaukaus, wo das Trio im Regelfall aus vier Musikern bestand) mit dem ersten von diversen Medleys loslegt, hier einem über verschiedene Probleme des Essens, wo dann beispielsweise aus Sades „Smooth Operator“ „Schuhsohlenleder“ (als Beschreibung für die Konsistenz eines Steaks) wird oder der Opus-Klassiker „Live Is Life“ zur Anti-Vegetarier-Aussage „Fleisch ist Fleisch“ mutiert. Die Truppe hatte mal ein Programm namens „Südfrüchte“, und aus diesem speist sich ein nicht geringer Teil des ersten der beiden Sets, wobei die Zugänglichkeit so groß ist, dass die ersten Mitsingspiele schon sehr früh angezettelt werden und Nummern wie „Die letzten tollen Hechte“ auch mit gar nicht so unkomplexen Mitklatsch-Strukturen ausgestattet werden können, ohne dass ein heilloses Chaos entsteht – andererseits befindet man sich hier ja auch in einer Musikstadt, da könnte die Dichte von musikbeflissenen Zuschauern also höher sein als anderswo. Im Gegensatz zu vielen verwandten Combos besitzen Füenf keinen klassischen Beatboxer, aber Francesco Cagnetta aka Dottore Basso, ihr auch optisch auffälligstes Mitglied, singt oftmals Linien, die einer herkömmlichen Baßgitarre entsprechen, wobei auch er sich hier und da in den Leadgesang einschaltet, der ansonsten munter hin und her wechselt, vielleicht mit einer kleinen Häufung bei Christian Langer aka Justice, dem Gründer und Kopf der Formation. Sangestechnisch in den verschiedensten Lagen fit sind natürlich alle fünf, und das müssen sie auch, um etwa den pseudochinesischen Charakter von „Tsingtao“ op. 5/5 perfekt herüberzubringen und angesichts des Kulturbolschewismus alle zum Grinsen zu animieren. Auch Verkleidungen gehören zum Repertoire – so erscheint der Bassist in „Liebe ist Käse“ als Schaf. Mit dem herrlich pseudospanischen „Aeroporte Seguridad“, also tatsächlich einem Nonsens-Song über Flughafensicherheit, und abermaligen ausgedehnten Mitsingteilen geht der erste Set hochklassig zu Ende. Der zweite steht dem ersten in Absonderlichkeiten nicht nach, wie schon die ersten beiden Nummern unter Beweis stellen: „Sex Bomb“ als Madrigal und dann „Neurodermitis“ – so ein Thema aus- und humoristisch anzupacken, ohne gewisse moralische Grenzen zu überschreiten, ist bekanntermaßen alles andere als einfach, und man kann da leicht ins Fettnäpfchen treten, wie wir von Luke Mockridge gerade eben gelernt haben. Und so geht es weiter: Ein Weihnachtsmedley am 5. Mai? Aber klar – obwohl erstaunlicherweise niemand darauf hinweist, dass es sich um den Geburtstag von Karl Marx handelt, und der sah in seinen späten Jahren bekanntlich dem Weihnachtsmann gar nicht so unähnlich. Ein gesungenes Tabla-Solo? Auch das geht. Flotte Sprüche? Aber natürlich: „Als Aphrodisiakum hört sich Papa Zappa an.“ Da muß man sogar zweimal drüber nachdenken. Ein Lied, dessen Text nur aus Songtiteln von Patrick Lindner besteht? Kein Problem für Füenf – „Bring mir die Sonne“ heißt das Resultat, zwecks Mitsingspiel übrigens mit großem Bettlaken präsentiert, auf dem der Refraintext steht. Doch noch einen Beatboxer auspacken? Natürlich, wenn er denn gebraucht wird. Und wenn man dann ordentlich Appetit bekommen hat, servieren Füenf als Setcloser noch „Knapp daneben“, in dem sie bekannte Nummern in Nahrungsmittelhuldigungen umwandeln. Klar, die Idee „Himbeergeist zum Frühstück“ hatten Tankwart im letzten Jahrtausend auch schon, aber die mußten sich darauf beschränken, ihre zweite Platte so zu nennen, während der gesungene Text „Himbeereis zum Frühstück“ blieb. Die alkoholische Variante gibt es nun hier von den sieben, äh, fünf Schwaben, ergänzt um „Ein bißchen Weißwein“ statt Frieden und noch so manche andere Köstlichkeit. Klar, dass das Publikum nach mehr verlangt, und so packen Füenf als Zugabe nach >„Mir im Süden“ noch ein großes Medley aus: Songs, die im Titel das Wort „Love“ enthalten – nur wird dieses Wort jeweils durch das Wort „Horst“ ersetzt. Also „Caravan Of Horst“, „I Want To Know What Horst Is“, „Stop! In The Name Of Horst“, „What’s Horst Got To Do With It“, „I Just Called To Say I Horst You“, „Horst Is In The Air“, „Music Was My First Horst“, „Horst Me Tender“, „I Would Do Anything For Horst (But I Won’t Do That)“ – das Publikum biegt sich ein letztes Mal vor Lachen, und vermutlich ahnt kaum einer, vielleicht nicht einmal die Bandmitglieder selbst, dass sie hier sozusagen eine letzte Hommage an Horst Franz, ihren Landsmann und jahrzehntelangen Organisator des Bang Your Head-Festivals, singen, der am 9. April 2024 verstorben ist. Das Konzert endet jedenfalls mit lautem Jubel, auch wenn sich eine Träne ins Knopfloch mischt, dass man die Formation in dieser Form so nicht wiedersehen wird – zumindest nicht bis zur Reunion. In, vielleicht, füenf Jahren? Roland Ludwig |
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