Die Legende von Karl und Richard: Threshold spielen in Jena ihr aktuelles Meisterwerk Legends Of The Shires komplett




Info
Künstler: Threshold, The Silent Wedding, Maxxwell

Zeit: 16.10.2018

Ort: Jena, F-Haus

Internet:
http://www.thresh.net
http://www.facebook.com/thesilentwedding
http://www.facebook.com/maxxwellswitzerland

Mit Legends Of The Shires hatten Threshold anno 2017 zum wiederholten Male einen Albumgeniestreich auf die musikliebende Welt losgelassen, und die musikliebende Welt dankte es ihnen diesmal mit vergleichsweise guten Verkaufszahlen, was in der Vergangenheit nicht immer so war, Threshold damit als eine derjenigen Bands kennzeichnend, bei denen (immenses) musikalisches Können und (überschaubarer) pekuniärer Erfolg in einem besonders stark reziprok geprägten Verhältnis standen. Aber Legends Of The Shires schaffte es sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz in die Nähe der Top Ten der Albumcharts – vielleicht können die Briten im 30. Jahr ihrer Bandexistenz also doch nochmal einen Karriereschritt nach vorn machen. Zu wünschen wäre es ihnen! Nachdem die erste Tour zum Album gleichfalls sehr gute Resonanzen geerntet hatte, entstand nun die Idee, nochmals zwei Wochen durch Europa zu reisen – diesmal aber mit einer Komplettaufführung des neuen Albums, nachdem die erste Tour noch eine „normale“ gemischte Setlist geboten hatte. Mit dieser gewagten Idee gastieren die Briten auch in Jena, das nicht eben als Prog-Metal-Hochburg gilt, zudem noch an einem Dienstag, was gewisse Befürchtungen ob des zu erwartenden Besucherzuspruchs nährt.

Maxxwell, die pünktlich 19.30 Uhr loslegen, müssen sich denn auch mit einem noch sehr luftigen Saal begnügen, der sich nur schrittweise etwas zu füllen beginnt. Die Schweizer machen das Beste daraus, und da sie einen souveränen Frontmann in ihren Reihen haben, der auch mit kleinen Publikumskopfzahlen bestens umgehen und diese motivieren kann, dürfen auch sie diesen Gig als Erfolg verbuchen, selbst wenn sich das Auditorium auch mal einen Schabernack mit dem Sänger erlaubt. Ansage vor Song 5, „Partykings“: „Wir waren ja bisher noch nie in Jena. Ich hab‘ gehört, das ist hier ‘ne Studentenstadt.“ Stille. „Seid ihr Partykings?“ Stille. Die Reaktionen auf die Songs fallen dennoch generell sehr positiv aus, auch die diversen Mitklatschaufforderungen werden befolgt, und selbst die Mitsingspiele klappen prima. Maxxwell spielen midtempolastigen Hardrock an der Grenze zum Power Metal und passen damit stilistisch nicht ganz optimal zu Threshold, liegen aber auch nicht so weit von ihnen entfernt, dass es keine Schnittmenge der Zielgruppen gäbe. Wenn die Schweizer etwas härter in die Saiten greifen, fühlt man sich bisweilen an die Schwarze von Metallica erinnert, und das neue Album, von dem das Gros der Nummern stammt (und das dem Rezensenten bisher unbekannt ist – er hat nur eine alte Scheibe der Band im Bestand, selbige allerdings nicht mehr im Ohr), heißt programmgemäß dann auch Metalized und landete, wie der Sänger nicht ohne Stolz verkündet, auf Platz 16 der schweizerischen Charts. Das Material enthält durchaus einige Feinheiten, so etwa gleich im Setopener ein längeres Akustikbreak (das muß man sich auch erstmal trauen), und wären die Gitarren etwas klarer abgemischt gewesen, hätte man sicherlich noch mehr entdecken können. Der Sänger wiederum agiert leicht angerauht, in den Refrains aber meist klar und dann auch chorisch vom Rhythmusgitarristen und dem Bassisten unterstützt. So vergeht die halbe Stunde recht schnell, Song 6, „Queen Of The Night“, ist auch schon der letzte und fällt mit seinem 80er-Mitsingmetal-Touch ein wenig aus dem Rahmen, wobei aber wie erwähnt das mittlerweile kopfzahlmäßig deutlich angewachsene Publikum fleißig mitsingt und zwei Enthusiasten am Ende sogar eine Zugabe wünschen.

Stilistisch näher an Threshold liegt der zweite Support The Silent Wedding, allerdings kopieren auch die Griechen den Sound der Briten nicht, obwohl sie wie diese im Progmetalsektor lagern. Aber ihre dortigen Anknüpfungspunkte sind die frühen, songorientierten Dream Theater oder eine den barocken Elementen beraubte hypothetische Version von Symphony X – diese Basis kombiniert das Quintett allerdings mit einer guten Portion südeuropäischem Pathos und einem nicht zu verkennenden Savatage-Einschlag. Über letzteren fachsimpeln gerade zwei anwesende Ex-Mitglieder einer verblichenen Nightwish-und-Evanescence-Coverband – da spielt der Keyboarder vor „Catharsis“ plötzlich das Thema von „Gutter Ballet“ an und erzeugt damit großen Jubel der Kenner im Publikum, den der Sänger aber mit den Worten „Maybe later“ dämpft. Besagter Sänger artikuliert sich zumeist in höheren, aber stets kraftvoll bleibenden und nicht sirenenhaften Lagen und bringt in seinen kultigen Schulenglisch-Ansagen immer wieder etwas staubtrockenen Humor unter, der einen niedlichen Kontrast zur blühenden Phantasie der Kompositionsabteilung bildet. Trotz mancher Vertracktheit bleiben aber auch die Songs der Griechen stets nachvollziehbar, und auch hier hätte man die Gitarre (bisweilen aber auch das Keyboard) gern noch ein wenig schärfer im Klangbild gehabt. Der Bediener des vielsaitigen Instruments weicht mit seinem Dutt übrigens als einziger von der sonst herrschenden Langmähnenfrisur ab. Das Quintett konzentriert sich erwartungsgemäß ebenfalls auf das Material seines neuen, in diesem Falle zweiten Albums Enigma Eternal, bedenkt mit „The Return (To Ithaca)“ aber auch das Debüt Livin Experiments, präsentiert sich spieltechnisch kompetent und unterhaltsam zugleich und schließt nach einer Dreiviertelstunde den Hauptset mit dem kernigen „Insanity“ ab. Ob tatsächlich geplant war, „Gutter Ballet“ als Zugabe zu spielen, muß offenbleiben – einige Anwesende äußern zwar Zugabewünsche, aber der Soundmensch stellt sofort die Pausenmusik an und erstickt alle Forderungen damit im Keim.

Setlist The Silent Wedding:
A Living Experiment (Intro)
Shadows And Dust
The Endless Journey
The Return (To Ithaca)
What Lies Beyond
Catharsis
Loneliness
Silence
Insanity

Mittlerweile hat sich das F-Haus zumindest reichlich zur Hälfte gefüllt – aber dieses reichlich halbvolle Haus macht während der nun folgenden 100 Minuten Stimmung für ein zumindest fast gefülltes. Wiederholt werden Threshold mit rhythmischen Sprechchören gefeiert, und in der Nähe des Rezensenten stehen etliche Enthusiasten, die Zeile für Zeile von Legends Of The Shires andächtig mitformulieren. Im Gegensatz zu Empyrium zweieinhalb Wochen zuvor (siehe Rezension auf diesen Seiten), die zwar das komplette Songs Of Moors And Misty Fields-Albummaterial spielten (das Intro ausgenommen), es aber nicht in der Albumreihenfolge anordneten, musizieren Threshold ihr Werk in der Reihenfolge, wie sie auch auf der Tonkonserve zu hören ist – eine andere Lösung wäre strukturell auch schwer begründbar gewesen, handelt es sich doch um ein Konzeptalbum, und wenn man das als Ganzes aufführen will, gehen einem, wenn man nicht die Originalreihenfolge einhält, schnell die Argumente für eine Komplettaufführung aus.
Über die Qualitäten des Albums kann der geneigte Leser in der Albumrezension an anderer Stelle auf diesen Seiten mehr erfahren – spannend aber blieb eine andere Frage: Zweitgitarrist Pete Morten hatte die Band vor dem Album verlassen und Karl Groom im Studio alle Gitarren eingespielt. Wie würden Threshold mit dieser Situation live umgehen? Auf die Antwort hätte zumindest derjenige schnell kommen können oder müssen, der sich noch erinnern kann, dass Glynn Morgan, der im vorigen Jahrtausend den Albumzweitling Psychedelicatessen eingesungen hatte, nach seinem damaligen Ausstieg Mindfeed gegründet hatte und dort nicht nur für das Mikrofon, sondern auch für die Gitarrenarbeit (und zwar alleine!) zuständig war. Ebenjener Glynn Morgan gehört nun wieder zu den Mitgliedern von Threshold, hauptamtlich als Sänger, nebenamtlich aber auch als zweiter Gitarrist, wobei Threshold die Einsätze eines solchen aber sparsam halten und im wesentlichen auf unverzichtbare Momente, also beispielsweise Doppelleads, reduzieren, Groom das Gros der Songs als einziger Sechssaiter bestreiten lassend. Morgans erster Einsatz an der Gitarre ist der hintere Teil von „The Man Who Saw Through Time“, und obwohl sich der Soundmensch bei der Beherrschung des schwierig zu beschallenden F-Haus-Raumes weiter steigert, gibt es einige wenige Momente, wo man sich auch hier mehr Schärfe in den Gitarren gewünscht hätte, wobei dieser Wunsch angesichts des allgemein ziemlich klaren Soundgewands allerdings als Jammern auf hohem Niveau durchgeht, ebenso wie derjenige, dass das Frontmikrofon an wenigen Stellen noch ein bißchen dominanter hätte abgemischt werden können. Andererseits hört man in diesen Momenten Keyboarder Richard West in seinem Job als Zweitsänger besonders gut, und das ist auch mal eine feine Würdigung des ansonsten bescheiden in seiner Ecke stehenden begnadeten Musikers. In der anderen Ecke sitzt Drummer Johanne James, und mit dem erlaubt sich die Beleuchterfraktion einen Schabernack: Die Ecke ist allgemein ziemlich wenig ausgeleuchtet, und da der dunkelhäutige Drummer auch noch dunkle Kleidung trägt, sieht man ihn hinter seinem Drumkit kaum, wodurch dem Auditorium freilich auch ein tieferer Einblick in seine schauspielerischen Künste entgeht. Musikalisch freilich überzeugt der Drummer wie eh und je, und auch seine Kollegen präsentieren sich in Bestform und sind problemlos in der Lage, das Material des neuen Albums live umzusetzen, wobei auffällt, dass sich „Small Dark Lines“ und „The Man Who Saw Through Time“ in der Konzertwiedergabe nicht ganz so weit über die anderen Songs erheben. Das zu analysieren darf Freaks vorbehalten bleiben – den gleichnamigen Song gibt es im Zugabenteil übrigens leider nicht, statt dessen erklingen „Pressure“ und „Slipstream“, wobei West in letztgenanntem einen kompetenten Dan-Swanö-Growl-Ersatz abgibt. Lauter Jubel belohnt die Band für diesen exzellenten Gig – und wer weiß, vielleicht geht es für die altgedienten Briten im Spätsommer ihrer Karriere doch nochmal steil nach oben.

Setlist Threshold:
The Shire (Part 1)
Small Dark Lines
The Man Who Saw Through Time
Trust The Process
Stars And Satellites
On The Edge
The Shire (Part 2)
Snowblind
Subliminal Freeways
State Of Independence
Superior Machine
The Shire (Part 3)
Lost In Translation
Swallowed
--
Pressure
Slipstream


Roland Ludwig



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