Nick Mason lässt die pinke Untertasse wieder fliegen
2018 ist ein gutes musikalisches Jahr für mich. Das betrifft viele Neuerscheinungen und viele neue Acts, aber auch - vor allem im Bereich der Konzerte - Bands und Künstler die ich seit Jahren verehre und verfolge und die einen nicht kleinen Teil zu meiner musikalischen Formung beigetragen haben. War das im Mai noch Pink Floyds Roger Waters mit seiner phänomenalen "Us & Them Tour", die ich in der riesigen Barclaycard Arena in Hamburg erleben dufte, kam nun noch viel überraschender Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason hinzu. Als die kurzfristig angesetzten Shows in London publik wurden, wagte ich noch nicht zu hoffen, dass da eine Tour draus wird und doch, es wurde Wirklichkeit. Also machte ich mich am 13. September mal wieder auf nach Hamburg. Zunächst einmal muss ich meiner Bewunderung für die Location Ausdruck verleihen. Die Laeiszhalle liegt mitten in der Hamburger City, und bietet trotzdem gute Parkmöglichkeiten nah dran. Und das Gebäude selbst ist phantastisch: ein sehr alter Bau, der im Innenbereich eine barocke Halle mit zumeist guter Sicht auf die Bühne bietet. Die Balkone und die Verzierungen werfen einen direkt zurück ins 17. oder 18. Jahrhundert. Und irgendwie passt dieses Ambiente ja auch total zu den Saucerful of Secrets, die ja schließlich auch mit Musik aus längst vergangenen Tagen aufwarten würde. Lustigerweise wirkten die Balkonverzierungen hinter der Bühne, vor dem das psychedelischen Logo der Band projeziert wurde, wie der obere Teil der Maschine des Relics-Covers – bekanntermaßen gezeichnet von Nick Mason. Die Besucher, natürlich zumeist im besten Alter zwischen 45 – 70 Jahre, gaben ein angenehmes Publikum ab und ich war auch über einige wesentlich jüngere Besucher erfreut. Die Show wurde von Emma Tricca eröffnet. Die zierliche, auch an eine Hippiedame erinnernde Frau bot 6 oder 7 Stücke nur auf der akustischen Gitarre und mit ihrem Gesang dar. Mit einer kompletten Band hätte sie die Zuschauer sicher mehr begeistern können, doch so spielte sie sich durch ihre Stücke und machte ein paar lakonische Bemerkungen zwischen den Songs. Mir tat sie etwas leid, denn die meisten Zuschauer (auch ich) hatten wohl nicht mit einer „Vorband“ gerechnet und waren dementsprechend wenig auf die Dame fixiert. Auch war die musikalische Wahl nicht so treffend, vielleicht hätte es etwas klein wenig Lauteres sein dürfen. Oder gar eine Coverband, die Masons Ein wenig ärgerlich war die sich anschließende fast 30 Minuten lange Pause. Da frage ich mich wirklich, warum das Ausstöpseln einer einzigen akustischen Gitarre so lange braucht. Doch dann war es um 21:10 Uhr endlich soweit. Psychedelische Geräusche setzten ein und wurden langsam zu einem intesiven, flirrenden Intro für "Interstellatr Overdrive“, mit dem die Band das Konzert unter Jubel eröffnete. Der Klang war bombastisch und auch von der Lautstärke her genau richtig. Und schon mit diesem titel zeigte sich, dass es sich hier wirklich um keine Coverband handelt, sondern um Vollblutmusiker, die aus dem alten Material eine neue, moderne Show machten. Gnadenlos ging es mit einer erstklassigen Version von "Astronomy Domine“ weiter. Auch hier wurde eifrig improvisiert und viel Neues aus dem Stück geholt. Ein weiterer Unterschied zu seinen Kollegen Waters und Gilmour machte Mason durch seine Ansagen, die zum einem häufiger aber vor allem freundlicher und lustiger als bei den Kollegen daher kamen. So griff er das eine oder andere Mal in die Geschichte von Floyd zurück, um zu diesen lustige bis sarkastische Bemerkungen zu machen. Im Folgenden spielte sich die Band durch Songs die lange nicht mehr oder gar noch nie live interpretiert wurden: Mit “Lucifer Sam“, “Fearless“, "Obscured by Clouds / When You're in“ und „Arnold Layne“ fügten sich Stücke aus den Jahren 67 bis 72 nahtlos zusammen. Vor dem nächsten großen Höhepunkt gab es einen weiteren kleinen, es wurde “Vegetable Man“ gespielt. Dieses Stück war eines der letzten das von Syd Barrett geschrieben und mit ihm aufgenommen wurde, aber es wurde nie fertiggestellt, veröffentlicht oder live gespielt. Es ist ein schräges, verrücktes Lied, das in den vorhandenen Bootleg-Demoversionen bereits einen Eindruck über den schlechten Zustand Syd Barretts gibt und somit eine wundervolle Hommage an den Gründer der Band. Hieran schloss sich ein Großteil des Albums Atom Heart Mother an, dessen Titelstück umrahmt von “If“ gespielt wurde. "Atom heart Mother" gehört zu den Stücken, für die ich lange brauchte, um in sie hinein zu kommen, von der hier dargebotenen Version wäre ich vermutlich sofort entzückt gewesen. Im Anschluss folgte dann ein eher songorientierter Teil mit dem schönen “The Nile Song“ und “Green is the colour“, beide von More-Soundtrack und hier ziemlich genau wie auf den Alben widergegeben. Die Experimentierfreude verstärkte sich dann wieder auf den mehr Spacerock-lastigen “Let there be more light“ und “Set the controls for the heart of the sun“, bei denen die Band dann mit sichtlicher Freude wieder ordentlich ausuferte. In das Finale ging es dann mit “See Emily Play“, bei dem auch schön improvisiert wurde. In meinen Ohren ist “Emily“ heute noch Floyds beste Single. “Bike“ hingegen ist ja schon ein etwas verrücktes Stück, aber auch dieses bietet die Band in genau dem richtigen Mix aus Popappeal und Experiment. Zum Abschluss haut die Band dann noch ein wuchtiges “One of these days“ raus, das aber nicht ganz an die wuchtigen Versionen der letzten Floyd- oder Waters-Shows herankommt. (Was auf Grund der kleineren Dimensionen der Halle und der Technik natürlich auch nicht verwundert.) Nachdem sich die Band dann den berechtigten Applaus abgeholt und kurz die Bühne verlassen hatte, kehrte sie für den Zugabenteil zurück. Hier folgte dann “Saucerful of Secrets“, ein Stück, was bei mir ähnlich wie “Atom heart Mother“ lange gebraucht hat, bis ich es wirklich hören konnte. Und ehrlich gesagt: eigentlich genieße ich es heute Abend das erste Mal so richtig. Denn die Band konzentriert sich auf die melodischen und stringenten Teile des langen Stückes und bietet es in einer sehr kompakten Version dar, nicht ohne auf Experiment und Improvisation zu versichten. So entwickelts sich das Stück am heutigen Abend zum wuchtigen Spacerocksong, der keine Wünsche offen lässt. Abgeschlossen wird das Set mit “Point me in the sky“, des letzten nur für Single aufgenommenen Stücks von Floyd. Und ich glaube, Floyd haben dies auch nie live gespielt. Heute ist dieser schöne Mix aus poppiger Psychedelia und ausufernden Spacesounds ein perfekter Abschluss eines rundum perfekten Konzertes. Abschließend kann ich nur sagen, dass ich sehr froh bin, dieses Konzert erlebt haben zu dürfen. Und ich wünsche mir ganz dringend eine Liveaufnahme davon, möglichst auf Vinyl und DVD. Und ich wünsche Mister Mason, dass er soviel Spaß auf dieser Konzertreise hatte, wie er sich gewünscht hat. Und dass er dann vielleicht nochmal auf die Bühne zurückkommt mit dann vielleicht noch mehr Stücken des ersten Albums und vielleicht auch mehr von Meddle. Setlist: 1. Interstellar Overdrive 2. Astronomy Domine 3. Lucifer Sam 4. Fearless 5. Obscured by Clouds 6. When You're In 7. Arnold Layne 8. Vegetable Man 9. If 10. Atom Heart Mother (Parts I – IV) 10. If 11. The Nile Song 12. Green Is the Colour 13. Let There Be More Light 14. Set the Controls for the Heart of the Sun 15. See Emily Play 16. Bike 17. One of These Days --- 18. A Saucerful of Secrets 19. Point Me at the Sky Wolfgang Kabsch |
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