10 x 10 Highlights aus Noten
Die zehn besten Alben benennen? Eine nicht lösbare Aufgabe! Wie soll man denn entscheiden, ob Beethovens Neunte besser ist, als die Neue von J.B.O., oder ob Motörhead besser kommen, als Reinhard Mey?
Also gibt's von mir gleich zehn 10er Listen, die jeweils einen etwas spezifischeren Bereich umfassen, wo es dann zumindest Ansatzweise Vergleichbarkeiten gibt.
Außerdem lasse ich die Superlative weg! Dies sind nicht „die besten“, sondern „grandiose“ Scheiben. Denn auch bei 100 Items ist nicht zu vermeiden, dass immer noch mehr unbedingt zu nennende Bands, Scheiben, Konzerte etc fehlen, als erwähnt sind.
Aufmerksamen Beobachtern, die ein wenig von mir wissen, wird auffallen, dass eine Band fehlt: Uriah Heep! Das ist zwar immer noch die Band, die seit gut 30 Jahren bei mir immer ganz oben dabei war, aber ich habe – bei ehrlicher Betrachtung – keine Scheibe, kein Konzert, keine Single gefunden, die nicht noch von zehn anderen Konkurrenten überragt wird. In der Summe bleiben Heep bei mir ganz oben; im Einzelnen haben andere die Nase vorn.
Keine Frage, die Jahre zwischen dem etwa 14 bis 20 Lebensjahr sind prägender als alles andere. Alben, die wir hier zu lieben gelernt haben, wurzeln stärker ein als die, die irgendwann später kamen. So wird es in meinen Listen nur relativ wenig Links geben. Denn die meisten meiner Lieben stammen noch aus den Jahren vor MAS. Zudem haben wir im MAS-Keller noch die unausgepackten Kisten mit den ersten Ausgaben herumstehen, deren Artikel und Reviews (noch?) nicht in unserem Archiv verfügbar sind, da die Formatierung von damals nicht mit unserm heutigen Standard kompatibel ist.
Die Top 10
Und zu Beginn gibt es dann doch ganz einfach eine Liste mit 10 Top Alben, die stellvertretend für viele andere stehen. Für mich waren die besagten prägenden Jahre nicht zuletzt die Zeit dessen, was man dann später als Progressive Rock bezeichnet hat. Vier Alben werden bei mir wohl alles überstehen. Da wäre Pink Floyds Meilenstein Dark Side of the Moon, Tales of Mystery and Imagination, das Debüt-Konzeptalbum über Edgar Allen Poe von The Alan Parsons Project, Supertramps geniales Crime of the Century und das manchmal etwas unterbewertete Genesis-Album and than there were three. Und um den auch wichtigen Hard Rock Bereich nicht zu vergessen, sei der Rush-Klassiker 2112 genannt.
Natürlich gibt es auch geniale Pop-Alben. Stellvertretend für sie alle erscheint hier Michael Jacksons Jahrhundertwerk Thriller. Ihm habe ich den Vorzug vor den Pop-Göttern Abba gegeben, da es bei ihm das eine, klar herausragende Album gibt, während die Entscheidung bei den Schweden eher schwer fällt.
Ein Blick zu den US-Songwritern bleibt bei Billy Joels The Stranger hängen, das mit „Just the Way you are“ nicht nur eines der schönsten Liebeslieder aller Zeit enthält, sondern mit Epen wie dem Titelstück und den „Scenes from an italian Restaurant“ Glanzstücke großstädtischer Literatur abliefert. Seit meinem ersten New York Besuch im letzten Jahr ist es mir wieder sehr nah.
Um der neueren Zeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, kommen aber auch drei Scheiben von nach 1990 zu Wort. Eigentlich sollten natürlich Dream Theater für all das Prog-Metallische stehen. Ich habe aber stattdessen eine All-Star-Band des Prog-Metal gewählt, zu denen die New Yorker einen Vertrete entsandt haben und die bislang nur Geniestreiche abgeliefert hat und das Debüt SMPTe von Transatlantic gewählt. Aber auch diesseits des Atlantiks gab es tolle Musik – zum Beispiel in Krefeld, wo Blind Guardian ihre Imaginations from the other Side formuliert haben.
Und dann gab es da noch diverse Versuche Klassik mit Metal zu mischen. Der meines Erachtens gelungenste Versuch stammt von den verrückten Finnen Waltari und hört auf den Namen Yeah! Yeah! Die! Die! Death Metal Symphony in deep C.
10 Singles von bleibendem Wert
Neben großen Scheiben gibt es auch kleine. Mein Einsatz als DJ hat mir mal den Spitznamen El Cassetto eingebracht, weil ich viel aktuelles Zeug aus dem Radio auf Cassette gebannt habe, um es bei Feten zum Einsatz zu bringen. Bei wichtigen Titeln von Bands, die ich mir nicht auf LP-Länge antun wollte, habe ich aber auch mal die 7” eingetütet.
Zehn Stück, die die Tanzfläche zum Brennen bringen, sind:
Stretch - „Why did you do it”
Tulio de Piscopo - „Primavera (Stop bajon)”
Showaddywaddy - „Under the Moon of Love”
Slik - „Forever and ever”
Mr. Walkie Talkie - „Be my Boogie Woogie Baby”
Space - „Magic Fly”
Eric's Movement - „Softrock - Hardrock”
Supercharge – „Cool Jerk”
Gary Byrd and LA Experience – „The Crown”
Lipps Inc – „Funky Town”
Frommer Lärm
Wer meinen Steckbrief gelesen hat, weiß dass einer meiner Tätigkeitsbereiche christliche Bands sind. Zehn besonders feine sollen hier Erwähnung finden.
Am Anfang steht Neal Morse, der nach einem “Ruf Gottes” seine Bands Spock's Beard und Transatlantic verlassen hatte und etwas später mit dem überragenden Doppelalbum Testimony seine eigene spirituelle Biographie geschrieben hatte.
Zwei der kommerziell erfolgreichsten christlichen Bands sind DC Talk, die Mitte der 90er mit dem „Jesus Freak” weltweit die Hitparaden stürmten. Das gleichnamige Album enthält reichlich guten Stoff im Crossoverbereich zwischen Rap, Rock und Gospel. Ebenfalls weit oben im “weltlichen” Radio waren kurz nach der Jahrtausendwende P.O.D.. Mit Hitsingles wie „Alive” und „Youth of Today” aus dem Album Satellite waren sie nebenbei Mitbegründer des NuMetal.
Eine der extremsten christlichen Bands aller Zeiten sind die zeitweilig bei Nuclear Blast unter Vertrag gewesenen Mortification, die sich unter anderem mit der Death Metal Version eines biblischen Psalms positioniert haben. Ihr vielleicht bestes Album ist EnVision EvAngelene mit dem sie den Weg zum klassischen Heavy Metal gesucht haben, indem sie reichlich Priest und Maiden zitierten. Diesen Weg nie verlassen haben X-Sinner, die mit World covered in Blood kürzlich das beste AC/DC-Album seit Back in Black veröffentlicht haben.
Heiden und Muslime verprügeln ist ja nun eigentlich nicht so ganz christlich. Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen eine echte Skinhead-Band in diese Liste aufzunehmen. Unser Kreuz braucht keine Haken erklären die Jesus Skins, die Jesus am liebsten bei Dosenbier loben.
Um das stilistische Spektrum zu ergänzen seien hier die Supertones genannt. Auf Supertones strike back überschreiten sie die Grenze zum Skacore häufig in Richtung der Mighty mighty Bosstones. Ganz anders die Deluxetone Rockets, die auf Green Room Blues das Evangelium im Rockabilly-Takt singen.
Wir sollten aber nicht vergessen, dass christliche Rockmusik überwiegend ein Rand-, sprich Underground-Phänomen ist. Stellvertretend für viele zwei Bands, die in Eigenarbeit tolle Alben veröffentlicht haben. Da wäre zum einen das Demo der katholischen Loud + clear. BAP-artiger Deutsch-Rock stellt die Verbindung von Bibeltexten und gar weltlichen Problemen her. Toll! Ebenso wie die Proggies Poets on a Pilgrimage, von denen ich seit ihrem Debüt The other Side of the Mirror leider nichts mehr gehört habe.
Live und leagl – weil nur für mich
Dass ich gerne vom Radio aufgenommen habe, wurde bereits erwähnt. Das betrifft nicht nur einzelne Songs, sondern auch ganze Konzerte, die live ohne jede Chance der Nachbearbeitung übertragen wurden – und deshalb(?) besser sind, als viele nachgearbeitete Studio-Live-Scheiben.
Hier sind zehn Tapes, die hoffentlich nie verrecken.
Ganz vorne liegt dabei der WDR-Rockpalast, mit dem ich allein eine ganze Liste füllen könnte. Ich gönne dem gesamten WDR aber nur 50 Prozent der Liste.
Da wären zum einen zwei reguläre Auftritte in der WDR-Rocknacht; zum einen The Police (18. Oktober 1980) und dann Van Morrison (3. April 1982). Nicht als Rocknacht gezählt wurden die Open Air-Konzerte auf der Loreley, obwohl sie genauso organisiert waren, wie die Nächte. Genial dort der erste Auftritt einer deutschsprachigen Band. Leider ist mir diese Cassette tatsächlich bereits verreckt. Wer mir eine Kopie des BAP-Auftritts vom 28. August 1982 verschafft, erwirbt sich Verdienste im Himmel (oder bekommt von mir die Kopien von drei anderen Konzerten, die ich noch irgendwo liegen habe).
Was für ein Auftritt der Rodgau Monotones das war, weiß ich gar nicht mehr. Aber das Solo auf dem Kontrabass von Frank Wolff bei „Ich bin so müde“ ist legendär. Auf dem Video steht jedenfalls Live im Rockpalast.
Aber der WDR hat auch in kleineren Locations aufgenommen – zum Beispiel auf einem Schiff auf dem Rhein. Dort haben Zoff ihre erste LP präsentiert. Ich liebe diese Cassette bis heute.
Nördlich vom WDR-Sendegebiet liegen Hamburg und Großenkneten. Trio stammen aus letzterem und haben 1982(?), noch vor ihrem großen Durchbruch einen Auftritt im Onkel Pö gehabt. Die Cassette davon hüte ich wie meinen Augapfel. Genial sind die coolen trocken Ansagen. Eine Probe? Ganz am Anfang „Wir sind das Trio. Wir sind das Trio. Wir sind das Trio. Ich sag das drei Mal, weil wir das Trio sind.“
1984 haben die deutschen Folkies Zupfgeigenhansel mit vielen Freunden (Hannes Wader, Lydie Auvray, ...) ihr zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Ich weiß noch, dass ich eine Veranstaltung kurz verlassen habe, um die Cassette nach 45 Minuten umzudrehen und auch die zweite Hälfte des Konzerts aufzunehmen.
Raus aus Deutschland. Marillion waren 1984 Live in Sheffield, eine BBC-Übertragung, wie ich glaube. Über die Musik brauchen wir kein Wort zu verlieren. Aber die Präsenz von Fish bei seinen Ansagen ist unübertroffen.
Zwei Rockgrößen gemeinsam unterwegs – nicht als Vor- und Haupt-Gruppe, oder als Double-Headliner-Tour, sonder wirklich gemeinsam auf der Bühne, das ist selten. So geschehen 1986 mit Bob Dylan, Tom Petty & the Heartbreakers.
Last not least ein Fun-Konzert, dass ich am Silvester-Abend 1982 mitgeschnitten habe. Ob es auch an diesem Abend stattgefunden hat, weiß ich nicht genau. Jedenfalls passtte der Auftritt von Kid Creole and the Coconuts hundertprozentig zum Silvesterabend.
Unvergessliche Live Alben
Bei aller Hochschätzung “direkter” Liveübertragungen gibt es natürlich auch Live-Alben, die die Krone verdienen.
Zwei bringen sofort die Erinnerung an alte Feten zurück. Wer jemals folgende Worte gehört hat, wird sie nie wieder vergessen:
„Is there anyboby out there who wants to rock?
Is there anyboby out there who wants to roll?
Is there anyboby out there who wants to boogie?
Would you welcome the number one Rock'n'Roll Band in Town?
Status
Quo"
„Juniors Wailing“, „Is there a better Way“, „Big fat Mama“, „Caroline“, „Bye bye Johnny“ - unverzichtbar – genial!
Bereits im goldenen Cover verpackt haben Deep Purple wohl vorausgesehen, dass sie mit Made in Japan die Mutter aller Live-Alben verbrochen haben.
Zum amerikanischen Mainstream-Rock hat mich Bob Seger bekehrt. Nine tonight mit all den Hits des 78er Albums Stranger in Town ist zwar auch nicht schlecht, aber die 76er Doppel-Live-LP Live Bullet ist direkter und ursprünglicher, die Visitenkarte von Detroit, Rock City.
Absolutely live ist meine Anti-Vorurteils-Scheibe und hat Rod Stewart in meinen Augen vom Schlagerfuzzi zum ernsthaften Rocker gewandelt.
Dritte Welt und Schwarze – auch die haben was zu sagen. Musikalisch gibt es dafür (mindestens) zwei Beweise. Spätestens mit seinem 76er Live-Album ist Bob Marley zum ersten Superstar der Dritten Welt geworden, indem er den etwas spartanisch produzierten jamaikanischen Reggae mit Rock-Elementen angereichert haben. Den Crossover zwischen schwarzem Funk und weißem Metal haben Mothers Finest mit ihrem grandiosen Live geschafft.
Dass in meinem Plattenregal Scheiben von Al Jarreau, Billy Cobham, George Duke und anderen Rock-Jazz-Fusionisten stehen, ist nicht zuletzt die Schuld von Al di Meola, Paco de Lucia und John McLaughlin und ihrem grandiosen Live-Dokument Friday Night at San Francisco. Allein die Wandlung von “Tales of the black Forest” zum Pink Panther Thema und dann zum Rock'n'Roll ist mehr als göttlich.
Let's go to Germany.
Udo Lindenberg, der deutscheste aller deutschen Rocker, hat ein Live-Album abgeliefert, dass so live ist, dass es es nicht verdient hat, in der Deutsch-Rock-Sparte zu verschimmeln. Livehaftig ist das Dokument einer Tour, die mich wünschen lässt ein paar Jahre früher geboren zu sein.
Thunderhead sind die deutsche Version von Motörhead und sie haben mit Classic Killers live ein Live-Album an den Start gebracht, das alle Motörhead-Live-Alben blass aussehen lässt.
Roger Chapman ist natürlich kein Deutscher, hat aber in Hamburg ein überragendes Live-Album eingespielt.
Deutsche Lieder
Bei deutschen Platten hat man erst mal das Problem, dass es jahrelang zwei Deutschlands gegeben hat. Österreich und die Schweiz lasse ich gleich mal außen vor.
Als Wessi beginne ich mal im Osten – und gleich mit einem weiteren Live-Album, als Stellvertreter für mehrere Studio-Alben. 1979 haben die Puhdys ihr Album 6 – Live grandios im Berliner Friedrichstadt-Palast eingespielt. Wesentlich Regime-kritischer waren Dekadance, die mit Happy Birthday ein herrlich schräges Werk geschaffen haben. (Dass sie mehr schräg als deutsch gesungen haben, ignoriere ich einfach mal.) Literarisch fundierter als sämtliche West-Bands gingen die Skeptiker vor. Ihre kritischen Töne sorgten dafür, dass die DDR-Band ihre CD Harte Zeiten in der BRD veröffentlichen konnte, bevor sie in der DDR überhaupt eine LP draußen hatten.
Ein erst nach der Wende aufblühendes Ostgewächs sind Subway to Sally, einer der Mitbegründer des Mittelalter-Rocks. Foppt den Dämon war der Durchbruch.
Lindenberg hatten wir schon. Größter Act Nummer zwei (mindestens) sind BAP. Als Top-Album wähle ich für usszeschnigge!. Marius Müller Westernhagen hat mit Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz nicht seine einzige geniale Platte, aber sein Meisterwerk abgeliefert.
Politisch umstritten sind die Böhsen Onkelz, die dennoch einige der besten Deutsch-Rock-Alben aller Zeiten kreiert haben. Als Beispiel wähle ich Wir ham noch lange nicht genug, das Album zwischen Underground und Hype.
Rechts-unverdächtig sind die folgenden beiden Bands.
Die Schmetterlinge haben mit der Proletenpassion auf 3 LPs die Geschichte der revolutionären Bewegungen beschrieben. Und Floh de Cologne begleiten auf Koslowsky das Leben eines Malochers und treten dabei massiv für das gewerkschaftliche Organisiert-sein ein.
Nach diesen ernsten Themen ein kurzer Blick in die Comedy, wo Frank Zander mit Zanders Zorn ein Highlight setzt.
Mostly unknown Treasures
Und dann gibt es da immer wieder Alben, die nur ein Kopfschütteln hervorrufen, wenn man ihre Namen nennt, weil ihre Existenz der Menschheit im Wesentlichen verborgen geblieben ist.
Man hat sie irgendwann mal in einer Wühlkiste gefunden, ist durch ein einmaliges Hören im Radio oder eine kurze Notiz in der Zeitung darauf aufmerksam geworden. Und ohne Unterstützung durch irgendeine Art von Hype oder sonstigen Förderung haben sie allein durch die Kraft ihrer Musik einen unauslöschbaren Platz im Herzen gefunden.
Tritonus haben meines Wissen nach nur 1977 ein selbst benanntes Debüt herausgebracht. Der Name weißt schon etwas in Richtung Klassik und davon lässt sich das dem Krautrock zuzuordnende Trio gerade bei den längeren Tracks auch inspirieren. Aber daneben gibt es auch eine nettes „Lady Madonna“-Cover. Und der „Sunday Waltz" ist eine genial treffende Beschreibung der entspannenden Langeweile eines Sonntag Nachmittags in der Familie – in einer Zeit vor Privatfernsehen und Ladenöffnungszeiten am Sonntag.
Auch Odessa sind nicht über das Debüt herausgekommen, aber Bandkopf und Keyboarder Jörn-Uwe Fahrenkrog-Petersen hat danach die musikalische Führung bei Nena übernommen. Auf Odessa gibt es kraftvollen Rock-Pop, der Rock-Traditionalisten wahrscheinlich zu viel vom Synthesizer geprägt ist. Textlich reiht man sich 1980 teilweise in die Friedensbewegung ein („Warmonger“).
Von den aus Berlin stammenden Hawks weiß ich kaum mehr, als das was auf Down on my Knees zu hören ist, aber das gehört eigentlich in jede Doors-Sammlung hinein.
Kommen wir mal zu den jüngeren Proggies. Payne's Gray haben Kadath decoded nur als Eigenproduktion veröffentlichen können und damit Szene-intern einigen Wirbel ausgelöst. Verständlich, denn der ausgefeilte Prog-Rock, der kurz vorm Prog-Metal stehen bleibt, kann auch mit seiner anspruchsvollen Aufmachung so gut wie jedem Label-Produkt das Wasser reichen. Zu Cyril Achard's morbid Feeling will ich gar nicht viel mehr sagen, als dass sich mit ...in Inconstancia constans jede Dream Theater Sammlung optimal ergänzen lässt. Das gilt ähnlich für Empty Tremor, die mit Eros and Thanatos in der griechischen Mythologie wildern.
Es folgen zwei Solo-Alben von Künstlern, die eher durch andere Bands bekannt sind. Ferdy Doernberg habe ich durch das Debüt der niedersächsischen Rough Silk kennen gelernt (das auch hier in dieser Rubrik stehen könnte) und erst kürzlich in der Band von Axel Rudi Pell live erleben dürfen. Just a Piano and a handful of Dreams ist ein Füllhorn ganz unterschiedlicher Musiken, von Songwriter über Country und Blues bis hin zu sehr unproduzierten vor sich Hingeschrammel, teilweise live in hannoverschen Clubs eingespielt. Ungewöhnlich und stilistisch kaum auf den Punkt zu bringen, aber sehr sympathisch.
Johannes Pappert war Saxophonist bei Kraan und hat unter seinem Spitznamen Alto zwei Alben veröffentlicht. Auf Alto ist er rock-orientierter als bei Kraan und nimmt mit dem überragenden „Dark Veils“ erstaulich früh, 1978, zum islamischen Fundamentalismus Stellung.
Über die Merlons bin ich gestolpert, als sie in Potsdam als Vorgruppe von Subway to Sally auftraten – ich glaube als Ersatz für die eigentlich angekündigten, damals recht populären Skycald. Mit ihrer ganz eigenen Mischung von Folk und Rock haben sie mich nachhaltig begeistert.
Kornet sind eine schwedische Jazz-Rock-Truppe, deren drei Alben eine unserer Gemeinde-Jugendgruppen von einer Schweden-Freizeit mitgebracht hatte. Insbesondere das zehnminütge „Folklat“ vom Album III hat es in der Folge zumindest in unserer Gemeinde zu großer Popularität gebracht. Es wurde als atmosphärischer Hintergrund für meditative Fantasiereisen benutzt. In dieser Funktion benutze ich es bis heute gelegentlich im Religionsunterricht. Ansonsten sind die Alben von Kornet allerdings bewegter und liefern harmonischen Jazz-Rock, der nicht nur etwas für Jazz- und Frickel-Freunde ist.
Konzerte
Ich bin kein großer Konzertgänger. Erst die Möglichkeit gelegentlich mal auf einer Gästeliste zu erscheinen hat das etwas geändert. Bis auf zwei Ausnahmen stammen aber alle Konzerte, an die ich mich noch überraschend gut erinnere, aus der Zeit davor. Drei davon fanden in dem legendären hannoverschen Club Leine Domicil statt, der leider schon seit Jahren nicht mehr existiert. Da ist zum einen die schwedische Jazz Rocktruppe Jukka Tolonen Band. Ich weiß nicht mehr, wann das Konzert war – nur dass das Wort "Rock" live noch deutlich größer geschrieben wurde, als auf dem teilweise eh schon recht heftigen Album Dums have more fun. Am gleichen Ort Kraan - legendär wie Helmut Hattler den Wechsel einer Gitarrensaite mit einem mehrminütigen Bass-Solo überspielte.
After the Fire waren als Vorgruppe des Electric Light Orchesters in Deutschland unterwegs und haben einen Day off für ihren Gig im “Domi” benutzt. Der nicht enden wollende Applaus hat vier Zugaben, echte, nicht geplante Zugaben herausgearbeitet, die letzte nachdem(!) die Gitarrenpedale bereits abgebaut waren und schnell noch mal angeschlossen werden mussten. So was habe ich vorher und nachher nicht noch einmal erlebt.
Es kommt ganz, ganz selten vor, dass ich mir nur aufgrund eines Konzertes eine CD, noch dazu einer Gruppe abseits meiner Hauptstilrichtungen, zulege. So geschehen bei Lydie Auvray, die ich im hannoverschen Pavillion auf dem NaNa-Pressefest auf ihrem chromatischen Knopfakkordeon mit französisch geprägten Klängen gehört habe.
Gehen wir von den Clubs in die großen Hallen. The Musical Box covern bekanntermaßen ganze Konzerte – und zwar die von Genesis aus den frühen 70ern. Genial war ihre Wiederaufführung der Tour zu Selling England by the Pound. Ein Glücksfall für alle zu spät Geborenen.
Da ich so selten in Konzerten war, kann man mich mit etwas Technik noch beeindrucken, z.B. als Klaus Meine plötzlich auf einer absenkbaren Lichttraverse, die bis weit über das Publikum herausragte, über der Menge ein Stück zum besten gab, oder als die Bühne durch absenkbare und drehbare Teile der Lichtdecke quasi zu einer Muschel wurde, in der die Band spielte. Aber es war nicht nur das Drumherum. Das Doppelkonzert Cinderella und Scorpions war auch musikalisch grandios. Zwei Bands auf der Höhe ihrer Macht. Nur die Lautstärke – die war am angenehmsten in der Herrentoilette im Keller ein Stockwerk unter der Bühne.
Ein seltsamer Konzertort war die Rotation in Hannover. Die Bühne war quasi im ersten Stock auf einer Empore. Damit man das Publikum davor stellen konnte, waren Metallgitter über den darunter liegenden ehemaligen Rotationssaal der Hannoverschen Allgemeinen gelegt worden, als Fußboden durch den man durchschauen konnte. Beim Saga-Konzert 1982 ging der ganze Saal so mit, dass diese Konstruktion in bedenkliche Schwingungen geriet. Egal, es war geil.
Ähnlich geil war das Tokyo Ska Paradise Orchestra im Kreuzberger SO36. Was diese 8 Japaner in ihren weißen Dinnerjackets abzogen, war eine Skacore-Explosion aller erster Güte. Keine Ahnung, warum bislang nur eine CD von ihnen in Europa erschienen ist.
Für die nächsten beiden Bands gibt's Sammelerwähnungen. Da sind zum einen die Marburger Scrifis, die Ende der 70er und in den frühen 80ern Stammgäste in den Szeneclubs der Republik waren. Ob im Leine Domicil, im Zomby in der Wennigser Mark, im münsteraner Grünhaus oder in der Fabrik in Hamburg, immer wieder musste man da hin. Das Geschwisterpaar Ralf und Marina Lippmann war eine Gesangsgranate für sich. Aber insbesondere die Gesichtsakrobatik von Ralf setzte das Sahnehäubchen auf ihre angefunkte Rock-Show, die mit ungeheuer viel Spielfreude und Humor präsentiert wurde.
Last not least Reverence, eine an Genesis angelehnte Schülerband aus Hannover, die man in der selben Zeit immer wieder mal auf Schulfesten vor allem in Vahrenwald und der List hören konnte und der es gelungen war sich mit einer für Schülerbands erstaunlichen Professionalität einen kleinen Fankreis aufzubauen. Da gehörte ich zu und habe mir die Truppe immer wieder mal angesehen.
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Let's get bi-medial.
Zu dem „wüstesten Team seit Nitro und Glycerin", so die damalige Kino-Werbung, den Blues Brothers, braucht man wohl kaum etwas zu sagen. Mir haben sie die Tür zu Soul und Swing geöffnet. Ähnlich kultig die SF- und Frankenstein-Parodie Rocky Horror Picture Show.
Inhaltlich ernster gemeint war Jesus Christ Superstar, die Rockoper, die vielleicht besser “Judas Superstar” gehiessen hätte, denn sie lässt wesentlich mehr Verständnis für die “Revolutionäre” Judas und Petrus, als den etwas weltfremden Messias erkennen. Hier prägt der Zeitgeist, der sich natürlich genauso in dem Soundtrack zum Zeitalter des Wassermanns, namens Hair, wieder findet.
Auf der spirituellen Suche befand – und verlief - sich auch Jim Morrison. Eine grandiose und teilweise bedrückende Musik-Biographie liefert Doors von Alan Parker. Ähnlich enthüllend, wenn auch anhand einer fiktiven Band, waren die Commitments, die Geschichte des beinah Realität gewordenen Traums eines versponnen Möchtegern-Managers.
Was völlig anderes ist High Society, zu deutsch Die oberen Zehntausend, eine Hommage an den Jazz mit der Musik von Cole Porter und Frank Sinatra, Bing Crosby, Grace Kelly und Louis Armstrong in den Hauptrollen. Gleiche Musik, aber ganz anders sind die Swing Kids, die Geschichte von drei Freunden, die im Hamburg des Jahres 1939 ihre Liebe zum Swing leben und damit ins Fadenkreuz von Hitlerjugend und Gestapo geraten.
Gerade ist zum Jubiläum des Grips-Theaters Linie 2 uraufgeführt worden. Damit greift das Berliner Jugendtheater sein erfolgreichstes Stück auf: Linie 1, ein Liebeslied an die geteilte Stadt Anfang der 80er.
Zum Schluß noch mal ein Film auf realer Basis. La Bamba erzählt die Geschichte von Richie Valens, der in sehr frühen Jahren bei einem Flugzeugabsturz zusammen u.a. mit Buddy Holly tragisch ums Leben kam. Ein Film mit toller Musik aus den 60s eingebetet in eine schöne Teenager Liebesgeschichte.
Musik-Filme im Drei-Minuten-Format
Ich gebe zu, ich sehe sehr selten Musikvideos. Eigentlich habe ich sie nur in den 80ern kurz nach Einführung der ersten Musik-TV-Sender gesehen. Das hat wohl auch Qualitätsgründe. Damals musste man noch kein Video haben, so dass nur wirklich interessierte Band, welche produziert haben. Ein paar sind mir in Erinnerung, bzw. auf Video-Cassette, geblieben
Das Highlight ist „Prime Mover” von Zodiac Mindwarp, ein echtes b-picture, das geradezu idealtypisch die Wünsche eines männlichen Teenagers inszeniert.
Dreckig, ungewaschen und in Leder durchbricht die Band zu Beginn des Videos mit einem Armee-Jeep das Kirchenfenster eines Klosterinternats und kommt in einem Schlafsaal zu stehen, wo brave Klosterschülerinnen in langen weißen Nachthemden mit dem Kuuscheltier im Arm am Lolly lutschen. Ein Blick aus den damönischen Augen des Sängers und der Teddy geht in Flammen auf; ein Gitarrensolo und aus den braven Schülerinnen sind heiße Miezen geworden, die sich in schwarzem Leder an die Musiker schmiegen. Ein nächster Blick und die Köpfe der in den Raum kommenden Erzieherinenn explodieren. Zum Schluß werden die Musiker mit den Mädchen auf ein wartendes Raumschiff gebeamt und ein Druck auf den roten Knopf jagt das gesamte Internat in die Luft.
Zu den nächsten Klassikern braucht nicht viel gesagt zu werden. Peter Gabriel hat mit dem aufwendig animierten Video zu „Sledgehammer” neue Maßstäbe gesetzt; Michael Jackson mit dem extrem teuren „Thriller”-Video schon fast einen Kurzfilm abgeliefert. Weired Al Yankovich hat ein anderes seiner Videos zu der genialen Parodie „Eat it” benutzt.
„Sharp dressed Men“ ist nur eines aus einer ganzen Reihe fantastischer ZZ Top-Videos, aber es bringt die Dreieinigkeit von Rock'n'Roll, Autos und Frauen auf besonders gelungene Weise auf den Punkt. Genesis haben sich für „Land of Confusion” durch Knautschpuppen aus der Spitting Image-Serie darstellen lassen. A-Ha erzählen in „Take on me” genauso liebevoll und verspielt eine kleine Geschichte, wie das Alan Parsons Project es in „Don't answer me” tut.
„Walk of Life” lässt sich am besten mit „Wie das Leben so spielt“ übersetzen. Die Dire Straits haben zur Illustration eine ganze Reihe sehenswerter Szenen nach dem Motto „Pleiten, Pech und Pannen“ zusammengestellt, die sehr gut mit der Musik harmonieren.
Zum Schluß noch mal eine christliche Band. Jerusalem haben mit ihrem Video zu „Dancing on the Head of the Serpent” das Cover der gerade erschienenen Mortification-CD quasi vorweggenommen. Die Schlange, das sind in diesem Fall alle Übel der Welt: Drogenhandel, Sexismus, Alkohol, Geldgier. Sie symbolisierende Figuren werden von einem Musiker in so platten Szenen zertreten oder verprügelt, dass es schon wieder schön ist.
Und so haben mich die Jubiläumsfeiern zum 100. MAS-Jubiläum fast die gesamte Strecke Berlin-Mannheim und zurück an den Laptop gefesselt. Aber das seid Ihr mir Wert.
Norbert von Fransecky
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