Rock’n’Roll-Pillen am Donnerstag: Sasquatch und Nuclear Pillmachine im KuBa Jena
Mitten in der eigentlichen Sommerpause öffnet das KuBa-Team für einige handverlesene Gigs die Pforten des einstigen Jenaer Saalbahnhofs, und deren erster steht an diesem kühlen Donnerstagabend an und beginnt pünktlich. Nuclear Pillmachine zählen in gewisser Weise dabei schon zum Club-Inventar, da sie (mindestens) zum dritten Mal hier auf der Bühne stehen und der Gig mit Mr. Bison anno 2019 auch optische Spuren hinterlassen hat, ist der Sänger/Gitarrist doch in ein Shirt jener Combo gewandet. Das Quartett legt bereits los, während die Pausenmusik noch läuft, und die Wahl von „Song For The Dead“, bekanntlich eine Komposition von Queens Of The Stone Age, als Auftakt macht schon klar, dass die Geraer immer noch zu ihrem Wurzeln bei Fu Manchu und eben QOTSA stehen, auch wenn sie mehr und mehr auf Eigenkompositionen setzen. Der flotte, mit einigen eigentümlichen Breaks versehene Opener und das ebenfalls recht treibende „Hunting Season“ verdeutlichen, dass Stoner Rock nicht automatisch mit dünensandkompatibler Kriechgeschwindigkeit zu assoziieren ist, während „Monkeys“ die Schlagzahl dann tatsächlich ein wenig senkt und „Final Dawn“ mit seinen raumgreifenden Halbakustikparts und dem äußerst voluminösen Baß strukturell besonders auffällt. „Super Scenic“ hängt hier gleich dran und läßt den Basser zwischendurch mal kurz zu einem Megaphon greifen, was das früher mittels eines gesonderten Keyboards umgesetzte Stilmittel einer Bahnhofsdurchsage ersetzt, und besagter Basser liefert dann auch die Ansage für „King Of The Road“: „Der nächste Song ist von Fu Manchu, Prost!“ Das ist in vielen Momenten aber immer noch die Schwäche von Nuclear Pillmachine: Sie haben drei Leute mit Mikrofon auf der Bühne – aber in den Passagen, wo gestimmt wird, stimmen alle drei gleichzeitig, und keiner sagt irgendwas. Das läßt sich sicher noch besser lösen, wobei der Sänger diesmal, wenn er was sagt, kurioserweise zwischen Deutsch und Englisch pendelt. Alle drei Mikrofone sind im Gesamtbild einen Deut zu weit in den Hintergrund gemischt, aber noch so deutlich, dass man die mehrstimmigen Parts nachvollziehen kann, während ansonsten der klangliche Fokus aber eben auf den Instrumenten liegt und der Thin-Lizzy-Touch der zweistimmigen Gitarrenpassagen diesmal wieder ein wenig intensiver auszufallen scheint und damit eher an den Gig beim Fuzzmatazz-Festival anno 2018 erinnert als an den Gig mit Mr. Bison. Aber dieses Feeling paßt bestens ins Gesamtkonzept der Geraer, die mit „20“ noch ein Instrumental auspacken und mit „Dead End“ eine Nummer spielen, die, wie der Sänger dem Rezensenten hinterher sozusagen weltexklusiv berichtet, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zum Titeltrack des vor der Fertigstellung stehenden Debütalbums avancieren wird. „Hell On Wheels“ beendet nach einer Dreiviertelstunde den gutklassigen Gig des Quartetts, das vorher wieder Räucherstäbchen auf der Bühne entzündet hatte, was dem Rezensenten bekanntermaßen weniger behagt. Gut, das Ganze ist immer noch weniger nervig als die Raucher beim Hubert-von-Goisern-Gig am Folgetag ... Setlist Nuclear Pillmachine: Song For The Dead Hunting Season Monkeys Final Dawn Super Scenic King Of The Road Dead End 20 Hell On Wheels Bis zum Beginn des Sasquatch-Gigs hat es die KuBa-Klimaanlage dankenswerterweise geschafft, wieder für saubere Luft zu sorgen. „Weather“ eröffnet den Auftritt mit einem langen Gitarrenintro, bevor sich eher schleppende Klänge breitmachen, die irgendwo zwischen angestonertem Rock und Proto-Metal lagern, wobei generell die Riffs für reinen Doom nicht klar genug, für reinen Stoner aber nicht dröhnig genug sind, obwohl etwas Fuzz drinliegt – das Gesamtbild befindet sich also irgendwo dazwischen, auch später, als etwa „Rattlesnake Flake“ das Tempo ziemlich nach oben schraubt und damit beim besten Willen nicht mehr als Doom oder Stoner einschubladisiert werden kann. Alle drei Bandmitglieder haben Mikrofone vor sich, und Drummer Craig Riggs ist hier und da sogar in die Leadvocals eingebunden, was er mit einer leicht heiser und gequält klingenden Stimme tut, die an einen etwas besser gelaunten Kirk Windstein erinnert, während der auch gitarrespielende Bandkopf Keith Gibbs nur ganz leicht angerauht vokalisiert und sich seiner zentralen Verantwortung bestens entledigt, auch dann, wenn seine Stimme wie in „New Disguise“ speziell im Fokus steht, da in den Strophen außer der Bassdrum nichts weiter drunterliegt. Mit „Smoke Signal“ erlebt eine Nummer an diesem Abend sogar ihre Europa-Premiere, von Doom in Midtempo umschaltend und mit einem recht fuzzigen Solo ausstaffiert. Auch das kurze „Voyager“ ist neu und muß aufgrund eines Mißverständnisses, welcher Song denn als nächster gespielt werden soll, zweimal angesetzt werden. „Rational Woman“ beinhaltet einige Anfeuerungsgelegenheiten für das Publikum, „Destroyer“ bietet die vermutlich meiste Bewegung auf der Bühne, wobei Bassist Jason Casanova trotz kurzer Haare fleißig am Headbangen ist, und „Sweet Lady“ könnte als archetypische Sasquatch-Nummer durchgehen, wenn es sowas denn gibt. Das gleichfalls neue „Heart So Lonely“ bietet noch einmal feisten Doom, bevor „It Lies Beyond The Bay“ mit herzhaftem und begeisterungsfähigem Gepolter einen umjubelten Schlußpunkt unter den ersten Jena-Gig des Trios setzt, bei vielleicht einen Tick zu lautem, aber relativ klarem Soundgewand übrigens. Gibbs zeigt sich sehr zufrieden mit den Reaktionen und dem Publikumszuspruch an einem Wochentag, den er kurzerhand zum „Rock’n’Roll Thursday“ erklärt, und ohne eine Zugabe kommen die US-Amerikaner natürlich auch nicht davon. Setlist Sasquatch: Weather Live Snakes/Bringing Me Down The Judge New Disguise Rattlesnake Flake Smoke Signal Rational Woman Voyager Sweet Lady Destroyer Heart So Lonely It Lies Beyond The Bay -- NN Roland Ludwig |
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